OGH 2Ob224/18g

OGH2Ob224/18g17.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** D*****, vertreten durch Dr. Christian Strobl, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagten Parteien 1. Land *****, 2. G***** G*****, 3. U***** AG, *****, erst- und drittbeklagte Partei vertreten durch Choc & Axmann, Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, zweitbeklagte Partei vertreten durch Dr. Arno R. Lerchbaumer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 5.520,30 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 19. Juli 2018, GZ 5 R 92/18p‑31, mit welchem das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Weiz vom 26. April 2018, GZ 31 C 23/17t‑25, infolge Berufungen der beklagten Parteien bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00224.18G.1217.000

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 989,28 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 164,88 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Zweitbeklagte, für dessen Verhalten die Erstbeklagte und die Drittbeklagte haften (§ 19 EKHG, § 26 KHVG), verschuldete einen Unfall auf einer Autobahn, der wegen der hohen Verkehrsdichte binnen weniger Minuten zu einem Rückstau von 200 bis 300 m führte. Der Kläger fuhr höchstens 10 bis 15 Minuten nach dem Unfall aufgrund eines Aufmerksamkeitsfehlers auf das Stauende auf. Er gesteht ein Mitverschulden von zwei Dritteln zu und macht daher ein Drittel seines Schadens geltend.

Die Vorinstanzen bejahten die von den Beklagten bestrittene Adäquanz und gaben dem Begehren dem Grunde nach statt. Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass die Zurechnung des Folgeschadens aufgrund einer Interessenabwägung auch abgelehnt werden könnte, weil der „Primärunfall keine nennenswerten Folgen gezeitigt“ habe, „wohl aber der Sekundärunfall“.

Die Revisionen der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Begehrens anstreben, sind entgegen diesem Ausspruch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Schaden ist adäquat herbeigeführt, wenn seine Ursache ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung eines derartigen Erfolgs nicht als völlig ungeeignet erscheinen muss und nicht nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu einer Bedingung des Schadens wurde. Der Schädiger haftet für alle, auch für zufällige Folgen, mit deren Möglichkeit abstrakt zu rechnen gewesen ist, nur nicht für einen atypischen Erfolg (RIS-Justiz RS0022906; RS0022546; RS0022944; RS0022914). Auch wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazu tritt, ist die Adäquanz zu bejahen, wenn nach den allgemeinen Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht außergewöhnlich ist (RIS-Justiz RS0022918).

2. Auf dieser Grundlage ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Ist nach einem Unfall die Fahrbahn einer Autobahn blockiert, so sind weitere Auffahrunfälle eine geradezu typische Folge (RIS-Justiz RS0022675). Insbesondere ist es alles andere als außergewöhnlich, wenn sich ein Folgeunfall aufgrund einer Staubildung erst nach einigen Minuten (2 Ob 299/92; 2 Ob 31/89) oder in einer gewissen Entfernung zum Primärunfall (2 Ob 294/04f) ereignet. Auch ein – ebenfalls nicht untypischer – Aufmerksamkeitsfehler des Auffahrenden ändert nichts an der grundsätzlichen Verantwortlichkeit desjenigen, der den Primärunfall verschuldet hat (RIS-Justiz RS0022675). An der adäquaten Verursachung des Folgeunfalls besteht daher auch im vorliegenden Fall kein Zweifel.

3. Gründe für die Vornahme der vom Berufungsgericht genannten „Interessenabwägung“ sind jedenfalls in dieser Fallgestaltung nicht zu erkennen. Das Gewicht des jeweiligen Fehlverhaltens fließt ohnehin in die Beurteilung der Verschuldensquoten ein. Diese Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher ebenfalls keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0044088 [T30], zuletzt etwa 2 Ob 98/18b).

4. Aus diesem Grund sind die Revisionen zurückzuweisen. Da der Kläger auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, sind die Beklagten zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung verpflichtet.

Stichworte