OGH 2Ob98/18b

OGH2Ob98/18b30.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** E*****, vertreten durch Mag. Werner Hammerl, Rechtsanwalt in Schärding, gegen die beklagten Parteien 1. S***** Gesellschaft mbH, *****, 2. H***** Gesellschaft mbH, *****, und 3. Gemeinde S*****, alle vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 7.321,13 EUR sA, über die Revision der erstbeklagten Partei (Revisionsinteresse: 4.841,13 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 7. Februar 2018, GZ 22 R 1/18b‑29, womit infolge Berufung der erstbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 11. Oktober 2017, GZ 18 C 196/17t‑22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00098.18B.1030.000

 

Spruch:

1. Die Mitteilung der klagenden Partei vom 23. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 501,49 EUR (darin enthalten 83,23 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger stürzte am 5. 1. 2014 nach dem Schifahren gegen 18:00 Uhr als Fußgänger in einer Unterführung der G***** Landesstraße auf einer für ihn nicht erkennbaren Eisplatte, die sich aufgrund mangelnder Streuung und mangelnden Winterdienstes gebildet hatte, und verletzte sich an der Hand. Die Unterführung befand sich im Bereich der Talstation einer von der erstbeklagten Partei betriebenen Bergbahn und führte von dort unter anderem zu einer auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Bushaltestelle. Der Kläger hatte einen Schipass erworben, der ihn zur Nutzung der Lifte und Einrichtungen der erstbeklagten Partei berechtigte.

Der Kläger begehrte insgesamt 7.321,13 EUR sA an Schadenersatz. Jedenfalls eine der beklagten Parteien, zwei Schiliftbetreiber und die Gemeinde, in deren Gebiet die Unfallstelle liege, habe für die gefahrlose Benützung der Unterführung zu sorgen gehabt, aber trotz Eisglätte nicht gestreut. Hinweisschilder oder Absperrungen seien nicht angebracht gewesen.

Die Beklagten bestritten ihre Haftung und wendeten ein, sie hätten dort keinen Weg eröffnet. Die Unterführung werde nur im Sommer als Radstrecke verwendet und habe im Winter „keine Funktion“. Der Kläger habe den Sturz selbst verschuldet, da er die ungeräumte und unbeleuchtete Unterführung benützt habe.

Das Erstgericht gab der Klage gegen die erstbeklagte Partei statt, da sie ihre vertraglichen Verkehrssicherungspflichten verletzt und für den mangelhaften Zustand des Weges einzustehen habe. Gegenüber der zweit‑ und drittbeklagten Partei wies es die Klage ab, diese stünden in keinerlei Zusammenhang mit der Unterführung.

Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der erstbeklagten Partei teilweise Folge, kürzte den Schmerzengeldzuspruch und sprach dem Kläger unter Abweisung des Mehrbegehrens 4.841,13 EUR sA zu. Dem Grunde nach billigte es die Rechtsansicht des Erstgerichts und verneinte ein Mitverschulden des Klägers. Die erstbeklagte Partei wäre aufgrund der offenkundig eröffneten Möglichkeit, auf diesem Weg die in unmittelbarer Nähe der Talstation gelegene Bushaltestelle zu erreichen, dazu verpflichtet gewesen, entweder die Unterführung in einem gefahrlosen Zustand zu halten oder vor deren Benützung unmissverständlich zu warnen.

Auf Antrag der erstbeklagten Partei änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision dahin ab, dass diese doch zulässig sei. Zur Frage, ob die vertragliche Nahebeziehung und damit die im Zusammenhang mit den Erfüllungshandlungen bestehende vertragliche Verkehrssicherungspflicht des Seilbahnbetreibers geendet habe, wenn der Kunde nach der letzten Schiabfahrt zunächst noch ein Getränk abseits der Talstation im Ort konsumiert und den Durchgang zur Bushaltestelle erst anschließend nach Betriebsschluss benützt habe, bestehe bisher keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

Die von der erstbeklagten Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist jedoch entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche, für die Entscheidung auch präjudizielle Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel dargetan.

1. Der Kläger brachte nach Erstattung seiner Revisionsbeantwortung beim Obersten Gerichtshof einen weiteren Schriftsatz ein. Damit verstößt er gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (2 Ob 131/12x; RIS‑Justiz RS0041666). Der Schriftsatz ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts findet weder in den Feststellungen noch im erstinstanzlichen Vorbringen Deckung. Das trifft auch auf die das Rechtsmittel tragende Behauptung zu, der Kläger habe sich „vom Betriebsgelände der Erstbeklagten sicher entfernt“ gehabt „und schon im Ort befunden“, ehe er zum Unfallbereich zurückgekehrt sei.

Die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts lauten lediglich, der Kläger habe sich „nach dem Schifahren“ zusammen mit seinem Freund „vom Ortsgebiet kommend“ zu einem Holzrundbogen und über eine Treppe an der Seite des Betriebsgebäudes zu dem zur Unterführung führenden Weg begeben, welchen sie sodann weiter beschritten haben. Was dies in Bezug auf das Betriebsgelände der erstbeklagten Partei bedeutet, ist keineswegs eindeutig und kann auch bloß als Feststellung der Gehrichtung verstanden werden. Bei anderem Verständnis der Feststellung „vom Ortsgebiet kommend“ wäre sie „überschießend“ und damit nicht zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0040318). Ebensowenig liegen Behauptungen oder Feststellungen zum Zeitpunkt des Betriebsschlusses und zu allfälligen Aktivitäten des Klägers nach Beendigung des Schitages vor.

Mit ihren Ausführungen zur fehlenden Vertragshaftung kann die erstbeklagte Partei daher keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

3. Ob den Kläger ein Mitverschulden am Unfallereignis trifft, ist eine Frage des Einzelfalls, die – von einer gravierenden Fehlbeurteilung abgesehen – die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht verwirklicht (RIS‑Justiz RS0044088 [T30, T32], RS0087606 [T25], RS0044262 [T44]). Eine solche Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen:

Darauf, dass das Schuhwerk des Klägers (Schischuhe) für Schifahrer nicht untypisch war, hat bereits das Erstgericht hingewiesen. Auch ein aus der Benützung der Unterführung ableitbares Mitverschulden hat das Berufungsgericht mit zumindest vertretbarer Begründung verneint. Es folgerte aus den Feststellungen, dass der Kläger nach den örtlichen Gegebenheiten, insbesondere wegen der zunächst vom Kassenbereich in Richtung Unterführung vorhandenen Überdachung und des dort befindlichen beleuchteten Schildes mit dem Hinweis auf eine Parkfläche und die Bergbahn‑Talstation den Eindruck haben konnte, es handle sich um einen auch nach Betriebsschluss gefahrlos benutzbaren Durchgang zur gegenüberliegenden Bushaltestelle. Diese Beurteilung bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, die – nach den disloziert getroffenen Feststellungen des Erstgerichts – stärker frequentierte G***** Landesstraße direkt oder über einen 200 m entfernten Zebrastreifen zu überqueren, ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts vertretbar.

4. Da es somit der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision der erstbeklagten Partei zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 Abs 1, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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