OGH 5Ob202/18v

OGH5Ob202/18v13.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Mag. V*, vertreten durch Dr. Wolfgang Schöberl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin T*, vertreten durch Kadlec & Weimann Rechtsanwälte KG in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 9 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Juli 2018, GZ 38 R 3/18z‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123818

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist der auf § 9 MRG gestützte Antrag der Mieterin, die Zustimmung der Vermieterin zu bereits vorgenommenen Veränderungen in ihrer Wohnung wie die Öffnung des alten Durchgangs zur Küche, Entfernung des alten Holzüberlagers sowie 100 x 35 cm an Ziegeln über dem alten Durchgang zur Küche, Entfernung von 145 x 135 cm an Ziegeln auf einer Höhe von 100 cm neben diesem alten Durchgang, Einbau eines neuen Überlagers zur statischen Absicherung, Errichtung einer Speis in der Küche mittels Rigipswänden im Ausmaß von 181 x 150 cm und Verschluss eines Zugangs zwischen Bad und dem angrenzenden Zimmer zu ersetzen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz (Verletzung der Anleitungs‑ und Erörterungspflicht bzw überraschende Rechtsansicht) hat das Rekursgericht verneint. Auch im Verfahren außer Streitsachen gilt der Grundsatz, dass ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr zum Gegenstand der Bekämpfung der rekursgerichtlichen Entscheidung gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0050037; konkret zum wohnrechtlichen Außerstreitverfahren [T12]). Dies kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Rekursverfahren sei – weil das Rekursgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]). Dieser Grundsatz wäre nur dann unanwendbar, wenn das Rechtsmittelgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RIS‑Justiz RS0042963 [T52]). Ein solcher Ausnahmefall wird im Revisionsrekurs nicht behauptet und liegt nicht vor.

3. Ein in zweiter Instanz nicht geltend gemachter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann in dritter Instanz nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043111). Eine Verletzung der Pflicht des Erstgerichts amtswegig ein Sachverständigengutachten einzuholen, hat die Antragstellerin im Rekursverfahren nicht gerügt, im Revisionsrekurs kann sie dies nicht nachtragen.

4.1. Ob die positiven Voraussetzungen der Duldungspflicht des Vermieters gemäß § 9 Abs 1 Z 2 iVm § 9 Abs 2 Z 5 MRG und die negativen Voraussetzungen gemäß § 9 Abs 1 Z 5 und 6 MRG gegeben sind, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, weshalb darin regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu erblicken ist (RIS‑Justiz RS0113606). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

4.2. Die Vorinstanzen verneinten übereinstimmend die Verkehrsüblichkeit der von der Antragstellerin vorgenommenen Veränderungen, das Rekursgericht wies überdies darauf hin, dass es ihr nicht gelungen sei, im Verfahren die fachgerechte Ausführung des Mauerdurchbruchs zwischen der Küche und dem als Wohn-und Esszimmer genutzten Vorraum nachzuweisen. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig.

4.3. Eine fachgerechte Ausführung dieses Durchbruchs steht nach den dem Revisionsrekursverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen der Vorinstanzen nicht fest. Obwohl die Antragstellerin selbst die Zustimmung zum Einbau eines neuen Überlagers zur statischen Absicherung begehrt, konnte sie nicht einmal nachweisen, um welches Überlager es sich dabei konkret handelt. Die Mauerdurchbrucharbeiten erfolgten durch zwei „direkt bezahlte“ Arbeiter, deren Qualifikation und Identität nicht feststellbar war. Die Beurteilung des Rekursgerichts, damit habe die Antragstellerin eine Gewährleistung der einwandfreien Ausführung dieser Veränderungen nicht nachgewiesen, ist daher nicht korrekturbedürftig. Eine Erörterung der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Einrichtung einer Wohnküche in einem Altbau als verkehrsüblich anzusehen sein könnte, erübrigt sich schon aus diesem Grund.

4.4. Die Verkehrsüblichkeit des Abstellraums in der Küche verneinte das Rekursgericht, weil er nur nach Durchschreiten der gesamten Länge der schmalen Küche betreten werden könne, was zu wechselseitigen Behinderungen führe und damit die Küchenfläche der ohnedies kleinen Küche nicht unbedeutend reduziert werde. Die dagegen ins Treffen geführte Behauptung der Antragstellerin im Revisionsrekurs, an dieser Stelle habe sich zuvor eine kleine Sitzecke befunden, ist eine unzulässige Neuerung (vgl RIS-Justiz RS0070485). Im Übrigen war es nicht Sache des Rekursgerichts konkrete Überlegungen anzustellen, wie die hinteren zwei der fünf Meter Länge der Küche sinnvoller genutzt werden könnten; die Verkehrsüblichkeit der geplanten Einrichtung des als Speis bezeichneten Abstellraums dort hätte vielmehr die Antragstellerin zu behaupten und zu beweisen gehabt (RIS‑Justiz RS0069551 [T2], RS0069662 [T1]). Zum Lagern von Gegenständen und/oder Nahrungsmitteln reichen nach allgemeiner Erfahrung Küchenmöbel oder Regale aus; weshalb es der Errichtung eines nicht belichteten und belüfteten Abstellraums bedurfte, ließ sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht schlüssig ableiten.

4.5.1 Das Rekursgericht verneinte auch die Verkehrsüblichkeit des Verschließens des Zugangs von dem als Kinder‑ bzw Schlafzimmer benutzten Raum zum Bad. Dass es sich insoweit nicht um eine iSd § 9 Abs 2 Z 1 MRG privilegierte Maßnahme handelte, sodass sowohl die Voraussetzung der Verkehrsüblichkeit als auch das wichtige Interesse der Antragstellerin kumulativ vorhanden sein müssen (5 Ob 167/10k), ist im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittig. Die Antragstellerin meint nur, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Bad mit Zugang durch zwei Türen nur dann praktisch sei, wenn es nur ein großes Bad gebe, das von allen im Haushalt genützt werde. Ein Bad mit nur 4,88 m² sei aber nicht groß.

4.5.2 Auch insoweit hat das Rekursgericht den ihm bei seiner Beurteilung der Verkehrsüblichkeit zustehenden Ermessensspielraum (vgl RIS‑Justiz RS0069695 [T4]) nicht verlassen, zumal die Judikatur sehr zurückhaltend ist, wenn es darum geht, Eingriffe in die Bausubstanz eines Hauses als verkehrsüblich hinzustellen und diesfalls vom insoweit behauptungs‑ und beweispflichtigen Mieter das Vorbringen konkreter Tatsachen fordert, die den Schluss auf die Verkehrsüblichkeit der Änderung zulassen, die sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung noch nicht ergibt (RIS‑Justiz RS0069704). Nach der vertretbaren Auffassung des Rekursgerichts lag ausreichend konkretes Vorbringen der Antragstellerin zur Verkehrsüblichkeit einer derartigen Maßnahme, die sich ausschließlich nach objektiven Kriterien und nicht nach dem subjektiven Interesse der konkreten Bestandnehmerin zu bestimmen hat (RIS‑Justiz RS0069695), nicht vor, zumal die Antragstellerin lediglich auf ihre Absicht verwies, durch das Verschließen des Durchgangs die Nutzfläche des Bades und Kinderzimmers zu erhöhen und eine Abtrennung des Sanitärbereichs vom Schlafzimmer zu erreichen. Eine Aussage, die Trennung von verschiedenen Lebensbereichen sei regelmäßig als verkehrsüblich anzusehen, ist der von ihr ins Treffen geführten Entscheidung 5 Ob 57/14i (immolex 2014/95 [Reiber]) nicht zu entnehmen, war dort doch die Errichtung von Rigipswänden zur Schaffung eines Windfangs sowie einer Büroräumlichkeit durch Teilung eines Raums samt Absenkung der Raumdecke zu beurteilen (die Verkehrsüblichkeit dieser Maßnahmen wurde dort im Übrigen verneint). Auch die Anmerkung der Glossatorin dieser Entscheidung, die Abtrennung von Küche‑ und Schlafgelegenheit innerhalb eines Raumes oder von Koch‑und Badegelegenheit durch die Errichtung einer Wand könne je nach Ausmaß der Veränderung als verkehrsüblich angesehen werden, vermag die Auffassung der Antragstellerin nicht zu stützen. Die Auffassung, die allgemeine Lebenserfahrung lege es nicht nahe, einen direkten Zugang von einem als Schlafzimmer genutzten Raum zu einem Bad zu verschließen, um mehr (Wand‑)Fläche im Bad und im Kinderzimmer nutzen zu können, bedarf keiner Korrektur, können doch dadurch Personen, die im angrenzenden Zimmer schlafen, das Bad (und das anschließende WC) nur mehr im Weg des als Wohn‑ und Esszimmer genutzten Raumes betreten. Die Frage, ob ein Bad mit Zugang durch zwei Türen nur dann praktisch ist, wenn es nicht nur – wie hier – von allen im Haushalt genutzt werden muss, sondern auch eine Größe von mehr als 4,88 m² aufweist, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus. Wenn das Rekursgericht bei seiner Abwägung den Vorteil eines direkt vom Schlafzimmer betretbaren Bades höher gewichtete als den Nachteil zweier Türen in einem kleinen Badezimmer, bedarf dies keiner Korrektur durch das Höchstgericht.

4.5.3 Dass diese Maßnahme bereits Anfang der 90er Jahre vorgenommen wurde und bis 2015 unbeanstandet blieb, spielt keine rechtlich relevante Rolle, weil die Antragsgegnerin von (allen) Änderungen erstmals im August 2015 erfahren hatte. Aus welchem Umstand eine schikanöse Rechtsausübung abzuleiten sein soll, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, zumal die Raumaufteilung laut Baukonsens durch den Verschluss dieser Türe jedenfalls verändert wurde.

5. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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