OGH 14Os122/18z

OGH14Os122/18z11.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Kontr. Bodinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Marius S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. August 2018, GZ 180 Hv 43/18d‑64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00122.18Z.1211.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marius S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in der Nacht zum 28. Oktober 2009 in G***** im einverständlichen Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Alfred P***** und Wilhelm H***** durch Versetzen von Schlägen gegen den Kopf, mithin durch Gewalt gegen Personen, fremde bewegliche Sachen, nämlich Schmuck, Uhren, eine Ledergeldbörse, Mobiltelefone und Bargeld, weggenommen, wobei die Gewaltanwendung eine an sich

schwere Körperverletzung des Alfred P*****, und zwar eine doppelte Fraktur des Unterkiefers, ein Hämatom am rechten Oberarm und Rissquetschwunden an zwei Fingern der rechten Hand, zur Folge hatte.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten hiefür „unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB“ auf die Urteile des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Jänner 2012, AZ *****, der Correctionele Rechtbank-Antwerpen vom 25. Juni 2012, rechtskräftig seit 30. Mai 2013, AZ *****, und des Hof Van Beroep-Antwerpen vom 28. Mai 2014, rechtskräftig seit 4. August 2014, AZ *****, nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs 2 StGB zu einer zwölfmonatigen Zusatzfreiheitsstrafe.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Strafausspruch richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die eine Überschreitung der Strafbefugnis (Z 11 erster Fall) darin erblickt, dass das Erstgericht gemäß § 31 StGB auf sämtliche der oben angeführten Urteile (statt nur auf jenes des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Jänner 2012 als tatnächstes) Bedacht genommen hat. Ihr kommt keine Berechtigung zu.

Liegen zwischen Tatbegehung und Aburteilung mehrere bestrafende Urteile, ist dann auf alle Bedacht zu nehmen, wenn sämtliche Taten vor dem ersten Urteil liegen, also bereits mit diesem abgeurteilt hätten werden können, und somit alle Entscheidungen durch das in §

 31 Abs 1

StGB beschriebene Verhältnis verknüpft sind. Nur wenn die Voraussetzungen der Bestimmung auf mehrere – nicht ihrerseits zueinander in diesem Verhältnis stehende – Verurteilungen zutreffen, ist ausschließlich auf die

tatnächste Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0112524).

Maßgebliches Kriterium für die Bedachtnahme nach § 31 StGB auf mehrere Vor‑Urteile ist damit alleine deren tatsächliches Verhältnis zueinander, auf eine „tatsächliche Anwendung“ der Gesetzesstelle kommt es entgegen dem Beschwerdestandpunkt nicht an. Die gegenteilige Auffassung würde etwa bei – hier aktuellen – früheren ausländischen Verurteilungen (oder auch bei irrtümlichem Unterbleiben einer Bedachtnahme anlässlich einer Vorverurteilung) zu einer durch die getrennte Verfahrensführung bewirkten Benachteiligung des Angeklagten führen und damit dem Zweck der Gesetzesstelle, die ausdrücklich die Gleichbehandlung von in- und ausländischen Vor-Urteilen anordnet (§ 31 Abs 2 StGB), zuwider laufen, weil eine „tatsächliche Anwendung von § 31 StGB“ nur in einem inländischen Strafverfahren in Betracht kommt und nicht sämtliche ausländischen Rechtsordnungen eine vergleichbare Regelung enthalten (vgl etwa 15 Os 102/12g, 103/12d zum deutschen Recht mwN; vgl auch Ratz in WK2 StGB § 28 Rz 2 f, § 31 Rz 1, 7 und [betreffend ausländische Vor‑Urteile] Rz 12).

Die in der Beschwerde zitierte – ersichtlich missverstandene – Kommentarstelle ( Ratz in WK² StGB § 31 Rz 5) bezieht sich ganz in diesem Sinn bloß auf den (Sonder‑)Fall von Vor‑Urteilen, mit denen bereits eine Zusatzstrafe verhängt wurde, und stellt klar, dass unter den dort angeführten Voraussetzungen (auch) auf mehrere solcherart miteinander durch tatsächliche Anwendung des § 311 StGB verknüpfte Urteile Bedacht zu nehmen ist.

Nach den insoweit wesentlichen – auf eine aktenkundige Auskunft aus dem Europäischen Strafregisterinformationssystem (ECRIS; ON 58) gestützten (US 5), von der Beschwerdeführerin nicht bekämpften (vgl zur Zulässigkeit einer Anfechtung der für die Strafbefugnis [Z 11 erster Fall] entscheidenden Tatsachen mit Verfahrens- und Mängelrüge [zu Gunsten des Angeklagten auch mit Tatsachenrüge]: RIS‑Justiz RS0118581; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 669) und amtswegig nicht (zum Nachteil des Angeklagten) korrigierbaren – Urteilsannahmen gingen die Tatrichter unmissverständlich davon aus, dass Gegenstand der oben angeführten Urteile der Correctionele Rechtbank-Antwerpen vom 25. Juni 2012 und des Hof Van Beroep (Berufungsgericht)‑Antwerpen vom 28. Mai 2014, mit denen Freiheitsstrafen von 40 Monaten beziehungsweise drei Jahren ausgesprochen worden waren, verschiedene Taten, nämlich jeweils am 20. März 2009 begangene Diebstähle unter Gewaltanwendung und Einsatz von Waffen, waren (US 3, 8 f; vgl aber ON 58 S 19).

Diese lagen somit – wie der gegenständliche Raub vom 28. Oktober 2009 – vor dem ersten Urteil, nämlich dem des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Jänner 2012, mit dem der Genannte des gewerbs- und bandenmäßigen Diebstahls (Tatzeitraum: 11. Oktober 2010 bis 14. Mai 2011) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 34 Monaten verurteilt worden war.

Auf Grundlage dieser Feststellungen hat das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Bedachtnahme auf sämtliche der genannten – demnach durch das in § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verknüpften – früheren Verurteilungen rechtsrichtig bejaht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung ebenso zurückzuweisen (§ 285d StPO).

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