European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00127.18K.1211.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jürgen L***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.
Danach hat er sich am 24. Februar 2018 in G***** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er in einer Straßenbahn auf seinem Smartphone eine Rede Adolf Hitlers lautstark und für die umstehenden Fahrgäste wahrnehmbar abspielte und zwei Mal lautstark die nationalsozialistische Parole „Sieg Heil“ rief.
Rechtliche Beurteilung
Die aus den Gründen des § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Aufbauend auf den „Vorbemerkungen“, inhaltlich derer die Beschwerde zunächst den Rechtsbegriff „Betätigung im nationalsozialistischen Sinn“ – an sich zutreffend (Lässig in WK² VerbotsG § 3g Rz 4) – erläutert und sodann darauf verweist, dass der Angeklagte „nach übereinstimmenden Zeugenaussagen“ (auch) das Lied „Sag nie mehr Sieg Heil“ von Rahanna feat. Nazinem, „bei dem es sich um Satire gegen den Nationalsozialismus handelt“, in der Straßenbahn abgespielt habe, vertritt die Fragenrüge (
Z 6) die Auffassung, die Hauptfrage nach § 3g VerbotsG enthalte „nicht sämtliche Individualisierungsmerkmale der Tat“, weil „die abgespielten Lieder keinerlei Berücksichtigung in der Fragestellung“ gefunden hätten und zudem – nicht näher bezeichnete – „Tatbestandselemente zur subjektiven Tatseite ausgeklammert“ geblieben seien.
Abgesehen davon, dass ein die behaupteten Begleitumstände indizierendes Tatsachensubstrat nicht konkret bezeichnet wird (RIS‑Justiz RS0117447), legt die Rüge nicht dar, aus welchem Grund die in der Frage enthaltene Sachverhaltsschilderung zur Individualisierung (also zur Abgrenzung der zu beurteilenden Tat von anderen Sachverhalten) oder auch zur rechtsrichtigen Subsumtion und deren Überprüfbarkeit nicht ausreichen und weshalb es darüber hinaus unter dem Aspekt des § 312 Abs 1 StPO der Aufnahme des (angeblich) zusätzlich zu den inkriminierten Tathandlungen gesetzten – nicht von der Anklage umfassten – Verhaltens des Beschwerdeführers, also einer erschöpfenden Beschreibung des gesamten Geschehens in allen Einzelheiten, bedürfen sollte (vgl dazu Lässig, WK-StPO § 312 Rz 9, 17 ff; RIS-Justiz RS0100686, RS0100780).
Ebensowenig wird erklärt, warum die Hauptfrage trotz der – auch für die Tatbestände des VerbotsG zur Anwendung kommenden (vgl Art I Abs 1 StRAG, BGBl 1974/422) – Anordnung des § 7 Abs 1 StGB einen ausdrücklichen Hinweis auf das (mangels abweichender Vorsatzerfordernisse gesetzlich unterstellte) Tatbestandsmerkmal bedingten Vorsatzes hätte enthalten müssen (RIS‑Justiz RS0113270).
Die Instruktionsrüge (Z 8) orientiert sich mit ihrer Behauptung, den Geschworenen sei im Rahmen der Rechtsbelehrung „offenbar ... nicht ausreichend dargelegt“ worden, was unter einer Betätigung im nationalsozialistischen Sinn zu verstehen sei, nicht
am Inhalt der Rechtsbelehrung, die die vermisste Auflösung des Begriffs – im Übrigen wortident mit der entsprechenden Forderung der Beschwerde – ohnehin enthält (S 16 f der RB). Solcherart verfehlt sie den Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz
RS0119549; Ratz, WK‑StPO §
345 Rz 65).
Soweit sie einwendet, es wäre außerdem „vertiefend darauf einzugehen gewesen, inwieweit unter Zugrundelegung einer Gesamtbetrachtung der Geschehensabläufe von einer 'Betätigung' im nationalsozialistischen Sinn die Rede sein kann“, verfehlt sie gleichfalls die prozessförmige Darstellung, weil die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale auf den ihnen zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht Teil der im Rahmen dieser Nichtigkeitskategorie anfechtbaren (schriftlichen) Rechtsbelehrung ist. Sie ist hingegen ausschließlich Gegenstand der nach § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden Besprechung (RIS-Justiz RS0100843; Philipp , WK‑StPO § 321 Rz 10, 13 und 16; Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 53 f).
Inwieferne „auf die subjektive Tatseite nicht ausreichend eingegangen“ worden sein soll, erklärt die Rüge nicht (vgl im Übrigen S 17 f iVm S 6 und 9 der RB).
Die Tatsachenrüge (
Z 10a) leitet ihre Bedenken gegen den von den Geschworenen im Wahrspruch festgestellten Bedeutungsinhalt des inkriminierten Verhaltens nicht „aus den Akten“ ab (RIS‑Justiz RS0119310). Indem sie erneut ohne Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse darauf verweist, dass der zum Tatzeitpunkt alkoholisierte Angeklagte die Parole „Sieg Heil“ in unmittelbarem Zusammenhang mit dem – „von sämtlichen Zeugen bestätigten“ – Abspielen des schon in der Fragenrüge angesprochenen „Satire-Liedes“ gerufen habe, und davon ausgehend zum Schluss kommt, „ein … vernünftiger Mensch … würde aufgrund eines so widersprüchlichen Verhaltens keine Begeisterung für nationalsozialistische Ziele entwickeln“, sodass darin „keine nationalsozialistische Betätigung erblickt werden“ könne, erschöpft sie sich vielmehr in
unzulässiger Kritik an der
Beweiswürdigung der Geschworenen (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0079825).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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