European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00186.18H.1127.000
Spruch:
I. Das Verfahren wird fortgesetzt.
II. Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
1. Die Zurückweisung der Klage wird bestätigt, soweit die Kläger Rechnungslegung begehren und ihr Zahlungsbegehren auf vertragliche Ansprüche stützen.
2. Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abgeändert, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verworfen wird. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen, dem insofern die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen wird.
3. Die Kosten des Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit werden gegeneinander aufgehoben.
Begründung:
I. Das Revisionsrekursverfahren ist am 30. 5. 2017, 4 Ob 47/17s, bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 10. 5. 2017 zu 3 Ob 28/17i gestellten Antrag auf
Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV unterbrochen worden. Nunmehr hat der EuGH mit Urteil vom 12. 9. 2018, C‑304/17, Löber, über diesen Antrag entschieden. Das Revisionsrekursverfahren ist daher von Amts wegen fortzusetzen.
Die in Österreich ansässigen Kläger nehmen die beklagte britische Bank, per Adresse ihrer Zweigniederlassung in Deutschland, aus der Emission einer Schuldverschreibung in Anspruch. Dabei stützen sie sich auf vertragliche Ansprüche aus dem Anleiheverhältnis und auf deliktische Ansprüche aufgrund von Prospekt- und Kontrollmängeln. Zur internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berufen sich die Kläger auf die Gerichtsstände der Art 15 Nr 1 lit c EuGVVO 2001, hilfsweise auf Art 5 Nr 3 und Nr 1 lit a EuGVVO 2001.
Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts.
Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück. Die Kläger könnten die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts weder auf Art 15 Abs 1 noch auf Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001 stützen, weil sich eine über die aus dem bloßen Halten der Anleihe resultierende vertragliche Beziehung hinausgehende freiwillige Verpflichtung der Beklagten ihnen gegenüber aus ihrem Vorbringen nicht ergebe. Aus diesem Grund sei das Erstgericht für vertragliche Ansprüche nicht international zuständig. Zu den hilfsweise geltend gemachten deliktischen Ansprüchen iSd Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 zählten auch Prospekthaftungsansprüche. Die Kläger hätten allerdings nicht vorgebracht, dass sich der Schaden unmittelbar auf einem ihnen zuzuordnenden Bankkonto bei einer Bank in Wien verwirklicht habe. Das angerufene Gericht sei deshalb nicht zuständig.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger nicht Folge. Der Erfüllungsort iSd Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001 liege am Sitz der Zweigniederlassung der Beklagten in Deutschland, sodass die österreichischen Gerichte für die vertraglichen Ansprüche der Kläger nicht international zuständig seien. Zu den weiter herangezogenen internationalen Zuständigkeitstatbeständen enthalte der Rekurs keine Ausführungen.
In ihrem – vom Rekursgericht angesichts der Vielzahl gleich oder ähnlich gelagerter Fälle im Hinblick auf die Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zugelassenen – Revisionsrekurs machen die Kläger zusammengefasst geltend, der Erfüllungsort hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche liege in Wahrheit in Österreich. Dasselbe gelte für den – im Deliktsrecht begründeten – Prospekthaftungsanspruch, da der Erfüllungsort hinsichtlich der Prospektpflicht in Österreich gelegen sei.
Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
Der Senat hat kürzlich in einem Parallelverfahren mit vergleichbarem Sachverhalt (4 Ob 185/18m) mit ausführlicher Begründung – gestützt auf die Entscheidung des EuGH C‑304/17, Löber – die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für die mit der Klage geltend gemachten vertraglichen Ansprüche verneint, hingegen für die deliktischen Ansprüche, insbesondere Prospekthaftung, ausgesprochen, dass das Erstgericht für diese Ansprüche gemäß Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 international zuständig ist (vgl auch 3 Ob 185/18d).
Die zu 4 Ob 185/18m bzw 3 Ob 185/18d angestellten Erwägungen, auf die verwiesen wird, sind auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde zu legen.
Die Vorinstanzen haben daher auch hier die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für die geltend gemachten vertraglichen Ansprüche zu Recht verneint, weshalb insofern der angefochtene Beschluss zu bestätigen ist.
Dagegen ist das Erstgericht für die aus Delikt abgeleiteten Ansprüche nach Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 international zuständig, sodass die Entscheidung des Rekursgerichts insoweit abzuändern ist. Das Erstgericht wird daher das gesetzmäßige Verfahren über diese Ansprüche zu führen haben.
Zur Frage der internationalen Zuständigkeit liegt ein Zwischenstreit vor (RIS‑Justiz RS0109078 [T15]). Angesichts des Umstands, dass beide Parteien jeweils in Ansehung eines der beiden tragenden Rechtsgründe als unterlegen anzusehen sind, ist die Kostenaufhebung nach § 43 Abs 1 erster Fall ZPO für das erstinstanzliche Verfahren und– nach §§ 50, 43 Abs 1 erster Fall ZPO – auch auch für das Rechtsmittelverfahren sachgerecht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)