OGH 8Ob139/18a

OGH8Ob139/18a26.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj O*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter M*, vertreten durch Dr. Susanne Schaffer‑Hassmann, Rechtsanwältin in Leoben, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 20. August 2018, GZ 2 R 167/18k‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123812

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Der Minderjährige ist der Sohn von M* und DI H*. Die Eltern lebten zunächst im gemeinsamen Haushalt. Im März 2018 zogen Mutter und Kind aus. Die Vorinstanzen sprachen (mittlerweile rechtskräftig) aus, dass die Obsorge beiden Eltern gemeinsam zukommt, der hauptsächliche Aufenthalt des Kindes sei bei der Mutter. Strittig ist noch der Umfang des Kontaktrechts des Vaters.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter, mit dem Antrag, dem Vater nur ein Kontaktrecht wöchentlich von Dienstag nach der Schule bis 18:00 Uhr sowie vierzehntägig von Freitag nach der Schule bis Sonntag 18:00 Uhr einzuräumen, ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

1. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert der von der Revisionsrekurswerberin als verletzt erachtete Grundsatz des Parteiengehörs, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt sowie überhaupt alles vorbringen kann, das der Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruchs dienlich ist. Das rechtliche Gehör einer Partei ist auch dann gegeben, wenn sie sich nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (RIS-Justiz RS0006048; RS0006036). Eine mündliche Verhandlung ist im Außerstreitverfahren nicht zwingend vorgeschrieben (RIS‑Justiz RS0006036 [T9]). Wird im erstinstanzlichen Außerstreitverfahren das rechtliche Gehör verletzt, so wird dieser Mangel behoben, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RIS‑Justiz RS0006057; RS0006048 [T4]). Die Rechtsmittelwerberin hatte die – von ihr auch genutzte – Möglichkeit, ihren Standpunkt sowohl schriftlich in erster Instanz (vor Einlangen des Berichts der Jugend- und Familiengerichtshilfe) als auch in ihrem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss darzulegen, sodass in der nur faktisch, aber nicht ausdrücklich erfolgten Einräumung einer Äußerungsfrist zum Bericht der Jugend- und Familiengerichtshilfe kein relevanter Verfahrensmangel liegt. Das Rekursgericht hat die Einwände der Mutter im Rekurs auch inhaltlich geprüft und ist in seiner Entscheidung nicht von einer Zustimmung zum Inhalt des Berichts ausgegangen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

2. Das in § 187 Abs 1 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 normierte Kontaktrecht des Kindes und jeden Elternteils auf regelmäßigen und den Bedürfnissen des Kindes entsprechenden persönlichen Kontakt ist ganz allgemein als ein unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung anzuerkennen (RIS-Justiz RS0047754 [insb T19]). Die Aufrechterhaltung des Kontakts zu beiden Elternteilen ist grundsätzlich für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes erforderlich und liegt daher im wohlverstandenen Interesse des Kindes (RIS-Justiz RS0048072), weshalb dazu auch der andere Elternteil beizutragen hat. Die persönlichen Kontakte müssen eine gewisse Intensität haben, um ihrem Zweck, der Herstellung eines Naheverhältnisses, gerecht zu werden (vgl RIS-Justiz RS0048072 [T6]). Nur bei einem regelmäßigen Zusammenkommen kann ein enger Kontakt aufgebaut oder erhalten werden. Das Gesetz sieht nunmehr auch ausdrücklich vor, dass die Regelung möglichst sowohl Zeiten der Freizeit als auch die Betreuung im Alltag des Kindes umfassen soll. Dadurch soll vermieden werden, dass der das Kind nicht hauptsächlich betreuende Elternteil in die Rolle eines „Besuchers“ gedrängt wird; andererseits soll damit aber auch eine Entlastung des sonst den Alltag des Kindes bewältigenden Elternteils einhergehen (9 Ob 46/17f).

3. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaft und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt wird, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Der Entscheidung darüber kommt daher keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0097114 [T10]) oder das Kindeswohl verletzt wurden (RIS-Justiz RS0097114 [T1]; RS0087024; RS0048062).

4. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung im Umfang der Einräumung des Kontaktrechts ist den Vorinstanzen nicht vorzuwerfen.

Soweit der Revisionsrekurs sich dagegen wendet, dass das Kind während der Woche jeweils Dienstag mit Übernachtung auf Mittwoch vom Vater betreut wird, ist er darauf zu verweisen, dass – wie ausgeführt – das Kontaktrecht gerade auch die Teilnahme am Alltag des Kindes ermöglichen soll und damit auch die Betreuung im Rahmen „der Alltagsroutine“, insbesondere auch des Schulbesuchs und der Hausübungen.

Im Übrigen sieht die Regelung ein Kontaktrecht jede Woche von Freitag nach der Schule bis Samstag 10:00 Uhr und jedes zweite Wochenende von Freitag nach der Schule bis Sonntag 18:00 Uhr vor. Dem Rekursgericht ist darin zuzustimmen, dass allein vom Umfang her nicht von einem übermäßigen Kontaktrecht gesprochen werden kann. Der Mutter ist allerdings zuzugestehen, dass ihr damit kein durchgehendes Wochenende von Freitagabend bis Sonntag mit dem Kind bleibt. Allerdings entspricht diese Regelung annähernd der bisherigen Betreuungssituation während der aufrechten Beziehung (nach den unwidersprochenen Angaben des Vaters jeweils Dienstag und Freitag Betreuung durch ihn allein) und ist auch zu bedenken, dass alle auf andere Wochentage fallenden Feiertage bzw schulfreie Tage der Mutter zur Verfügung stehen und diese auch der Einräumung eines anderen Übernachtungstermins während der Woche (statt Freitag) nicht zustimmt.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Vorinstanzen zur Erhaltung eines der engen Beziehung zum Vater entsprechenden Kontakts im Interesse des Kindes jedenfalls vertretbar.

5. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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