OGH 8Ob128/18h

OGH8Ob128/18h26.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzeröffnungssache des Antragstellers Dr. K*****, Rechtsanwalt, *****, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der R***** AG, gegen den Antragsgegner Dr. J*****, vertreten durch Grama Schwaighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in Wien, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 30. Juli 2018, GZ 17 R 64/18k‑51, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 11. April 2018, GZ 26 Se 8/17v‑46, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00128.18H.1126.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien vom 23. 9. 2011, 3 R 123/08t, wurde dem Klagebegehren des Antragstellers als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der R***** AG gegen den Antragsgegner – seinerzeit Aufsichtsrat der R***** AG – im zu 40 Cg 27/13s des Handelsgerichts Wien geführten Schadenersatzprozess über 7.267.283,42 EUR dem Grunde nach stattgegeben.

Der Antragsteller begehrte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners unter anderem wegen sich aus diesem Zwischenurteil ergebender Forderungen. Der Antragsgegner sei zahlungsunfähig.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrags. Es liege keine Zahlungsunfähigkeit vor. Den Antragsgegner treffe aufgrund des Zwischenurteils noch keine konkrete und festgestellte Zahlungspflicht. Es bestünden ihm gegenüber daher auch keine fälligen Forderungen.

Mit Beschluss vom 11. 4. 2018 wies das Erstgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Die Forderung aus dem Schadenersatzprozess zu 40 Cg 27/13s des Handelsgerichts Wien sei für das Insolvenzverfahren nicht maßgeblich, weil bis dato noch keine Schadenshöhe festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für eine Insolvenzeröffnung seien nicht gegeben.

Dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragstellers gab das Rekursgericht Folge. Es hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

An die Bescheinigung nicht titulierter Forderungen, wie sie im vorliegenden Verfahren behauptet würden, sei ein strenger Maßstab anzulegen. Es müsse sichergestellt sein, dass der Schuldner nicht nur aufgrund von Behauptungen oder Handlungen, mit denen in Wahrheit sachfremde Anliegen verfolgt würden, in den Konkurs getrieben werde. Das Oberlandesgericht Wien habe im Zwischenurteil vom 23. 9. 2011 festgestellt, dass der Antragsgegner ab April 1995 bis einschließlich Juni 1996 an die R***** AG laufend Honorarnoten über ein monatliches Pauschalhonorar von netto 250.000 ATS (= 18.168,21 EUR) gelegt habe, aber weder er noch sein Subberater aufgrund des Beratervertrags vom 8. 3. 1995 in Relation zu der darin ausgewiesenen Honorarvereinbarung eine maßgebliche Tätigkeit entfaltet hätten. Dem Antragsteller sei damit die Glaubhaftmachung eines Rückforderungsanspruchs gegen den Antragsgegner in Höhe von netto 272.523,15 EUR gelungen. Eine solche Glaubhaftmachung setze die ziffernmäßige Benennung der Forderung und die schlüssige Angabe des anspruchsbegründenden Sachverhalts voraus; beides sei im Zusammenhang mit den Honorarzahlungen der Fall. Da jedoch der vom Rekursgericht als bescheinigt angenommene Rückforderungsanspruch mit dem Antragsgegner bislang nicht erörtert worden sei, komme eine sofortige Insolvenzeröffnung, bei der es sich um einen mit schwerwiegenden Folgen verbundenen Eingriff handle, nicht in Frage. Das Erstgericht werde mit dem Antragsgegner zu erörtern haben, ob er, allenfalls mit Hilfe Dritter, in der Lage sei, die Rückzahlung der von ihm bezogenen Honorare zu gewährleisten.

Das Rekursgericht ließ den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss an den Obersten Gerichtshof zu, weil Judikatur zur Frage fehle, ob und unter welchen Umständen sich ein rechtskräftiges Zwischenurteil zur Bescheinigung von Forderungen gemäß § 70 IO eigne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragsgegners, der auf die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses abzielt.

Der Antragsteller beantragt in der Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts ist der Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne der §§ 527 Abs 2, 528 ZPO (iVm § 252 IO) nicht zulässig.

1.1 Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und dass der Schuldner zahlungsunfähig ist. Das Insolvenzeröffnungsverfahren ist summarisch und besonders rasch durchzuführen (§§ 69 Abs 1 und Abs 4, 70 Abs 1 IO). Es ist bei der Prüfung der Voraussetzungen keine abschließende Entscheidung über Bestand und Fälligkeit behaupteter Insolvenzforderungen zu treffen, sondern nur zu beurteilen, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, dass sie zu Recht bestehen und vom Schuldner bei Fälligkeit nicht bezahlt werden können (8 Ob 57/16i ua).

1.2 An die Bescheinigung nicht titulierter Forderungen bzw Verbindlichkeiten ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Es muss sichergestellt sein, dass der Schuldner nicht nur aufgrund der Behauptungen eines vorgeblichen Gläubigers in den Konkurs getrieben wird (8 Ob 282/01f; 8 Ob 57/16i; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4 § 70 KO Rz 27). Für die Anspruchsbescheinigung im Insolvenzeröffnungsverfahren eignet sich auch eine gerichtliche Entscheidung, selbst wenn sie noch nicht rechtskräftig ist (RIS‑Justiz RS0064986 [T4] = 8 Ob 99/04y; Schumacher aaO Rz 24 ff und 31 f).

Gelingt es dem Antragsgegner im Laufe des Insolvenzeröffnungsverfahrens durch seine Bestreitung und durch die Vorlage von Gegenbescheinigungen solche Zweifel am Bestand der Forderung zu wecken, dass eine Klärung umfangreiche Beweisaufnahmen und die Entscheidung von schwierigen Rechtsfragen erfordert, ist die Anspruchsbescheinigung misslungen (8 Ob 282/01f; zuletzt etwa 8 Ob 57/16i).

1.3 Das Gericht hat die Bescheinigungsmittel im Einzelfall im Gesamtzusammenhang der Bescheinigungs- und Ermittlungsergebnisse des Insolvenzeröffnungsverfahrens frei zu würdigen (Schumacher aaO Rz 27; Mohr, IO11 § 70 E 134). Die Frage, ob eine Bescheinigung gelungen ist oder nicht, stellt das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung und keine rechtliche Beurteilung dar (RIS‑Justiz RS0040286). Maßgeblich ist die Sachverhaltsgrundlage des konkreten Einzelfalls, sodass keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgeworfen wird (vgl RIS‑Justiz RS0013475; siehe auch RS0007867 [T1, T2]).

2. Die vom Rekursgericht dem Zulassungsausspruch zugrunde gelegte Frage, ob sich ein rechtskräftiges Zwischenurteil zur Bescheinigung von Forderungen gemäß § 70 IO eignet, hängt somit stets von den Umständen des Einzelfalls ab und kann nicht davon losgelöst beantwortet werden. Auf die nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers fehlende (nicht über den zugrundeliegenden Rechtsstreit hinausgehende; vgl RIS-Justiz RS0040736) Bindungswirkung eines Zwischenurteils kommt es nicht an. Vielmehr bestimmt sich die Tauglichkeit eines Zwischenurteils zur Anspruchsbescheinigung nach dem Gesamtzusammenhang der Bescheinigungs- und Ermittlungsergebnisse des Insolvenzeröffnungsverfahrens. Insgesamt gelingt es dem Rechtsmittelwerber daher nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

Ob sich die vom Rekursgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens als notwendig erweist, hat der Oberste Gerichtshof nicht zu prüfen (RIS‑Justiz RS0042179).

3. Der Rekurs war daher ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts zurückzuweisen.

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