OGH 8ObA63/18z

OGH8ObA63/18z26.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Bieta Sodeyfi (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schleinbach (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann, Dr. Peter Wallnöfer, Dr. Roman Bacher ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Kerle – Aigner – Pichler Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 249,56 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2018, GZ 13 Ra 15/18f‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00063.18Z.1126.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

 

Begründung:

Die Klägerin – eine Studentin – war vom 3. 7. 2017 bis zur vorzeitigen Auflösung des auf weniger als zwölf Wochen befristeten Dienstverhältnisses durch die Beklagte innerhalb des Probemonats am 13. 7. 2017 im Rahmen eines sogenannten ABGB-Vertrags als Urlaubsersatzkraft bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Begehren auf Zahlung einer Entgeltdifferenz von 249,56 EUR brutto zu dem kollektivvertraglichen Mindestlohn für fix bei der Beklagten angestellte Briefzusteller wiesen die Vorinstanzen übereinstimmend ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass gemäß § 19 Abs 5 PTSG der Kollektivvertrag für Arbeiter und Angestellte der Ö***** AG und Tochterunternehmen auf das Dienstverhältnis der Klägerin als Ferialpraktikantin nicht zur Anwendung gelangt. Weiterhin vertritt die Klägerin allerdings den Standpunkt, dass entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen bei einer Entlohnung von nur 54,88 % des Entgelts für fix angestellte Briefzusteller bei einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren einerseits eine sittenwidrige Unterentlohnung und andererseits eine unzulässige Diskriminierung nach § 2b AVRAG vorliege.

2. Wenn – wie im vorliegenden Fall – keine besondere lohngestaltende Vorschrift zur Anwendung kommt, ist nahezu jede Entgeltvereinbarung gültig. Die Grenze bildet lediglich die Sittenwidrigkeit zufolge Lohnwuchers gemäß § 879 ABGB (RIS-Justiz RS0016668). Lohnwucher wird von der Rechtsprechung bei „Schuld- und Hungerlöhnen“ angenommen, deren Höhe in auffallendem Missverhältnis zum Wert der Leistung des Dienstnehmers steht, wenn ihre Vereinbarung durch Ausbeutung des Leichtsinns, einer Zwangslage, der Unerfahrenheit oder der Verstandesschwäche des Dienstnehmers zustande gekommen ist (RIS-Justiz RS0016702).

Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RIS‑Justiz RS0042881 [insb T8]).

3. Diese vermag die Klägerin aber auch in der Revision nicht aufzuzeigen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass zwischen „Ferialarbeitern“ und anderen– sei es vielleicht auch nur in einem kurzen Dienstverhältnis zur Beklagten – regelmäßig ihr notwendiges Einkommen aus ihrer Tätigkeit ziehenden Bediensteten erhebliche Unterschiede bestehen: Schüler und Studenten stehen in der Regel nicht dauernd im Arbeitsleben, ihre regelmäßig auf die Ferien beschränkten Tätigkeiten sind daher zwangsläufig kürzer, und, wenn auch meist in untergeordneten Verrichtungen bestehend, so doch mit der Notwendigkeit einer gewissen Einschulung durch den Arbeitgeber verbunden. Von einem dauernd im Arbeitsleben stehenden Arbeitnehmer wird daher in der Regel auch größere Effizienz erwartet werden dürfen (9 ObA 66/07g).

4. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen in der unterschiedlichen Entlohnung der aufgrund gesetzlicher Anordnung von der Anwendung des Kollektivvertrags ausgenommenen Klägerin und anderer dem Kollektivvertrag unterliegender Arbeitnehmer der Beklagten keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nach § 2b AVRAG erblickt haben, zumal nach den Feststellungen „ABGB‑Kräfte“ wie die Klägerin gewisse Standardtätigkeiten fix angestellter Briefzusteller – wie etwa Meldungen an Vorgesetzte – nicht zu verrichten hatten und zu einem Großteil nicht in der Lage sind, fix angestellte Briefzusteller zu ersetzen.

5. Der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, bewirkt ebenso wenig wie der Umstand, dass mehrere Dienstnehmer gleichartige Arbeitsverträge abgeschlossen haben, das Vorliegen einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042816). Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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