European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00072.18Y.1126.000
Spruch:
I. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
II. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des unangefochtenen Teils lauten:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 20.212,70 EUR samt jeweils 4 % Zinsen aus 46.057,19 EUR vom 25. Juni 2013 bis 12. August 2014, aus 184.561,18 EUR vom 13. August 2014 bis 13. Februar 2015, aus 220.212,70 EUR von 14. Februar 2015 bis 9. Februar 2017 und aus 20.212,70 EUR seit 10. Februar 2017 zu bezahlen.
Das auf Zahlung weiterer 73.376,63 EUR samt Anhang gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.“
III. Über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren hat das Erstgericht zu entscheiden.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erlitt bei ihrer Geburt in einem Krankenhaus der Beklagten im Jahr 2011 durch einen Behandlungsfehler eine dyskinetische Cerebralparese und wird dadurch lebenslang schwer behindert bleiben. Die Beklagte hat ihre Haftung für die Folgen des unterlaufenen Behandlungsfehlers dem Grunde nach anerkannt.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Schadenersatz für den behinderungsbedingten Pflegemehraufwand der Klägerin in deren ersten drei Lebensjahren.
Fest steht, dass das Kind im ersten und zweiten Lebensjahr einen durchschnittlichen täglichen Pflege- und Betreuungsmehrbedarf gegenüber einem nicht geschädigten gleichaltrigen Kind (etwa 3,5 Stunden, im dritten Jahr 2,5 Stunden) im Ausmaß von weiteren (gerundet) 13,5 Stunden hatte, im dritten Jahr von 12,3 Stunden. Alle Pflegeleistungen wurden von Angehörigen, vor allem von den Eltern, erbracht. Diese sind täglich etwa 10 bis 12 Stunden auch schon vor der Geburt der Klägerin ohnehin zu Hause gewesen (Schlafenszeit etc). Ohne die Gesundheitsschädigung der Klägerin wären deren Eltern in ihrer Freizeit weiterhin verschiedenen gewohnten Aktivitäten außer Haus nachgegangen, auf die sie nach der Geburt der Klägerin wegen deren Beeinträchtigung teilweise verzichten mussten.
Die Klägerin begehrte zuletzt 93.589,33 EUR, die sich aus den Kosten des errechneten Pflegemehraufwands für drei Jahre (insgesamt 370.754,14 EUR) abzüglich Pflegegeld (4.211,90 EUR) und abzüglich bereits geleisteter Teilzahlungen der Beklagten (insgesamt 272.952,91 EUR) zusammensetzen.
Zur Höhe der Forderung brachte die Klägerin– soweit im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch relevant – vor, dass es der Einstellung dreier diplomierter Pflegekräfte bedurft hätte, um die von ihren Angehörigen erbrachten Leistungen abzudecken. Die Pflegekräfte hätten nach dem Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte für Oberösterreich (bis einschließlich 2012) bzw nach dem Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte für Österreich (ab 2013) entlohnt werden müssen. Nach den §§ 3 beider Mindestlohntarife gebühre den Beschäftigten neben dem Stundenlohn auch eine Abgeltung von Naturalbezügen in Höhe eines täglichen Pauschalbetrags von 13,96 EUR. Dieser sei daher einzurechnen.
Der Freizeitverzicht der Eltern der Klägerin stelle nach der Rechtsprechung einen weiteren ersatzfähigen Aufwand dar, für den ein pauschaler Zuschlag von 10 % der eigentlichen Pflege- und Betreuungszeiten gebühre.
Die Beklagte bestritt zuletzt nur noch die Ansprüche auf Einrechnung von fiktiven Naturalbezügen für fiktiv beschäftigte Pflegepersonen sowie auf einen weiteren Zuschlag für Zeiten der bloßen Aufsicht und Rufbereitschaft der Eltern; solche Zeiten seien nicht zusätzlich angefallen, jedenfalls aber nicht schadenskausal.
Das Erstgericht gab dem eingeschränkten Klagebegehren im vollen Umfang statt.
Es sei für die Ermittlung des Ersatzes von Pflegeleistungen, die von Angehörigen des Verletzten erbracht werden, der tatsächliche Pflegebedarf konkret zu ermitteln und sodann der objektive Wert der von dritter Seite erbrachten Sach- oder Arbeitsleistung zur Grundlage der Vergütung zu nehmen. Dazu gehöre nach Ansicht des Erstgerichts auch der Ansatz eines fiktiven Naturalbezugs nach § 3 des Mindestlohntarifs. Auch wenn nicht feststellbar sei, ob eine fiktive Pflegekraft auf einen solche Entlohnungsbestandteil bestehen würde, sei es „in Anwendung des § 273 ZPO“ anzunehmen, dass die Eltern der Klägerin ihrem Kind eine optimale Versorgung ermöglichen wollten und fiktiven Pflegekräften deshalb eine Verpflegung gewährt hätten.
Zu den Zeiten tatsächlicher Pflege seien auch noch jene Zeiten zu rechnen, die pflegende Angehörige sonst als Freizeit außer Haus verbringen würden und auf die sie nun verzichteten. Da ein genaues zeitliches Ausmaß nicht festgestellt werden konnte, sei gemäß § 273 ZPO ein Zuschlag von 10 % angemessen.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten teilweise Folge.
Für den begehrten Zuschlag für Freizeitverlust der Angehörigen sei es unschädlich, dass bereits der festgestellte reine Pflegeaufwand der Klägerin zusammen mit jenen Zeiten, in denen die Eltern sowieso zu Hause gewesen wären, in Summe 24 Stunden überschritten habe, weil sich die Pflegeleistungen auf mehrere Personen verteilt hätten und dadurch noch Raum für einen weiteren Zuspruch verbleibe. Die Bemessung des Zuschlags mit 10 % des eigentlichen Pflegeaufwands entspreche der höchstgerichtlichen Judikatur und sei angemessen.
Hinsichtlich der begehrten Naturalbezugsanteile sei die Berufung berechtigt, weil es der Klägerin nicht gelungen sei, den Eintritt eines solchen Schadens nachzuweisen. Weder stehe fest, ob die Beistellung einer Verpflegung bei dem Mindestlohntarif unterliegenden Beschäftigungsverhältnissen marktüblich wäre, noch ob die Eltern der Klägerin im fiktiven Fall der Anstellung professioneller Pflegekräfte mit diesen eine Verpflegung vereinbart hätten.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei, weil eine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob bei einem verletzten Kleinkind, das auch dann praktisch dauernd beaufsichtigt werden müsste, wenn es gesund wäre, die Zeit des Freizeitverzichts seiner pflegenden Angehörigen ebenfalls zu entschädigen ist.
Beide Parteien erheben gegen diese Entscheidung Revision. Die Klägerin strebt mit ihrem Rechtsmittel die Wiederherstellung des stattgebenden erstgerichtlichen Urteils an. Die Beklagte bekämpft den Teilzuspruch eines Pflegekostenzuschlags wegen verhinderter Freizeitaktivitäten der Angehörigen. Beide Streitteile haben jeweils eine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist unzulässig, weil darin keine über die Umstände des Einzelfalls hinaus erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt werden.
Dagegen ist die Revision der beklagten Partei aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.
1. Revision der Klägerin
1.1. Die Revision der Klägerin setzt sich mit der im Zulassungsausspruch des Berufungsgericht formulierten Rechtsfrage, die sich auf den stattgebenden Entscheidungsteil bezieht, mangels Beschwer nicht auseinander.
Sie wendet sich lediglich gegen die Abweisung des Anspruchs auf Bemessung der Pflegekosten unter Einrechnung eines Geldersatzes für fiktiv vereinbarte, aber nicht konsumierte Naturalbezüge.
Der dazu behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor. Die Beklagte hat in ihrer Berufung konkret die Handhabung des § 273 ZPO bei der Frage bekämpft, welche Entlohnung die Eltern der Klägerin mit fiktiv beschäftigten Fachkräften vereinbart hätten. Das Berufungsgericht hat durch die Befassung mit diesen Ausführungen seine Überprüfungsbefugnis nicht überschritten.
1.2. Die Revision macht darüber hinaus geltend, das Berufungsgericht habe die unbekämpft gebliebene Feststellung, es sei „anzunehmen, dass die Eltern der Klägerin einer Pflegekraft das Mitessen im Familienverband ermöglichen würden“ außer Acht gelassen und sei dadurch in seiner Entscheidung ohne Beweiswiederholung vom Sachverhalt abgewichen.
Auch damit zeigt die Klagsseite keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO auf. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der zitierte Satz als (dislozierte) Sachverhaltsfestellung oder nur als Wiedergabe einer Überlegung des Erstgerichts im Zuge seiner Beweiswürdigung zu interpretieren ist, weil es für die rechtliche Beurteilung auf eine solche Feststellung jedenfalls nicht ankommt.
Die strittige Regelung des § 3 des bis 31. 12. 2012 in Geltung gestandenen Mindestlohntarifs für im Haushalt Beschäftigte für Oberösterreich lautete:
„Ist der Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme einer vereinbarten Wohnung und Verpflegung nicht in der Lage (z.B. Dienstverhinderung durch Krankheit, Verzicht auf Dienstleistung während der Kündigungsfrist, bei begründetem vorzeitigen Austritt und bei unbegründeter fristloser Entlassung, Urlaub), so ist dem in die Hausgemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommenen Arbeitnehmer die Wohnung und Verpflegung mit einem Betrag von 15,40 € pro Kalendertag und dem nicht in die Hausgemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommenen Arbeitnehmer, der Anspruch auf Verpflegung oder Verpflegungsabgeltung hat, die Verpflegung mit 13,96 € pro Arbeitstag abzugelten (...)“.
Ab 1. 1. 2013 ist der Mindestlohntarif für die im Haushalt Beschäftigten Österreichs in Kraft getreten, dessen § 3 lautet: „Ist der/die Arbeitnehmer/in zur Inanspruchnahme einer vereinbarten Wohnung und/bzw. Verpflegung nicht in der Lage (z. B. Dienstverhinderung durch Krankheit, Verzicht auf Dienstleistung während der Kündigungsfrist, bei begründetem vorzeitigen Austritt und bei unbegründeter fristloser Entlassung, Urlaub), so sind diese Sachbezüge in Geld zu vergüten und zwar pro Kalendertag in Höhe eines 30stel des für die Bewertung von Sachleistungen für die Sozialversicherung festgelegten Bewertungssatzes. Die einzelnen Bestandteile sind je nach Bezugsart in Bruchteilen zu berechnen (...)“.
Mit dieser Regelung wird kein Anspruch auf die Beistellung von Sachbezügen normiert, sondern eine entsprechende Vereinbarung vorausgesetzt.
Die Gewährung des Ersatzes für Naturalbezüge ist bei jenen Beschäftigten ein immanenter Bestandteil des hier zu berücksichtigenden tariflichen Mindestlohns, mit denen die Aufnahme in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers vereinbart wurde. Für deren Entlohnung ist allerdings nach § 2 A des Mindestlohntarifs ein Mindestgeldlohn festgesetzt, der umgerechnet nur einen erheblich geringeren Stundenlohn ergibt als die in § 2 B normierten Stundensätze für die nicht im Haushalt aufgenommenen Beschäftigten.
Die Klägerin hat ihre Forderung ausschließlich auf die Variante einer fiktiven Beschäftigung im Sinn des § 2 B des Mindestlohntarifs gestützt. Auch mit einer solchen Arbeitskraft kann neben dem Geldlohn noch zusätzlich die Bereitstellung von Mahlzeiten vereinbart werden. Bei diesem Sachbezug handelt es sich dann aber nicht um einen Teil des verpflichtenden tariflichen Mindestbezugs, sondern um eine vereinbarte Überzahlung.
Für die Schadensberechnung bei Angehörigenpflege kommt es nach der ständigen, vom Berufungsgericht ebenso wie in der Revision zitierten Rechtsprechung auf den objektiven Wert der erbrachten Leistungen an (RIS-Justiz RS0022789 [T5, T12]; 2 Ob 110/16i), also darauf, welche Kosten die Befriedigung dieser Bedürfnisse durch professionelle Kräfte erfordern würde.
Wie viel der Geschädigte einer Pflegekraft über das objektiv Erforderliche hinaus zusätzlich fiktiv zu bezahlen bereit wäre, ist nicht maßgeblich. Damit würde nämlich nicht der objektive Wert der erbrachten Leistung abgebildet, sondern eine Erhöhung des Ergebnisses der Berechnung in das Belieben des Geschädigten gestellt, der dafür lediglich – stets risikolos, da ja nur fiktiv und auf Rechnung des Beklagten – eine besondere Großzügigkeit behaupten müsste.
1.3. Im vorliegenden Fall steht auch nicht fest, dass auf dem lokalen Arbeitsmarkt im Wohngebiet der Klägerin keine angestellte Pflegekraft zu den tariflichen Mindestbedingungen verfügbar gewesen wäre. Die Frage, ob in einem solchen Fall auch die fiktive Schadensberechnung auf der Basis eines höheren, ortsüblichen Entgelts vorzunehmen wäre (dafür zB Huber, Das Ausmaß des Schadenersatzanspruchs bei Pflege durch Angehörige rund um die Uhr, ÖJZ 2007/53, 631), ist daher nicht zu beantworten.
Auf Grundlage des vorliegenden Sachverhalts steht das rechtliche Ergebnis des Berufungsgerichts mit den in der höchstgerichtlichen Judikatur entwickelten Richtlinien zur Berechnung des Geldwertes einer Angehörigenpflege im Einklang.
2. Revision der Beklagten
2.1. Die Revisionsschrift der Beklagten enthält zunächst unterschiedliche Angaben zum Anfechtungsumfang. Das Revisionsinteresse wird im Rubrum und in der Einleitung mit 30.968,54 EUR sA angegeben. Tatsächlich hat das Berufungsgericht aus dem von der Rechtsmittelwerberin angefochtenen Titel (10 % Zuschlag vom Pflegekostenbetrag für entgangene Freizeit der Angehörigen) 34.823,82 EUR zuerkannt, wobei offenbar versehentlich unberücksichtigt geblieben ist, dass sich die Abweisung eines Teils der Pflegekosten auch auf die Höhe eines abgeleiteten prozentuellen Zuschlags auswirken muss.
Die Revision weist darauf zwar nicht ausdrücklich hin, sie lässt aber in ihrer weiteren Begründung und insbesondere im Rechtsmittelantrag mit ausreichender Deutlichkeit erkennen, dass sie den strittigen Zuspruch zur Gänze bekämpfen will.
2.2. Die Beklagte bestreitet den Zuschlagsanspruch zum einen mit der Begründung, dass neben den zahlreichen Stunden der eigentlichen Pflege der Klägerin und den festgestellten Zeiten, zu denen die Eltern unabhängig davon jedenfalls zu Hause gewesen wären, gar kein Raum mehr für weitere bloße Bereitschaftsdienste verblieben sei. Zum anderen argumentiert sie, dass verantwortungsvolle Eltern auch ein gesundes Kleinkind unter drei Jahren keine Stunde ohne Aufsicht lassen würden, weshalb die bloße Anwesenheit eines Elternteils in diesem Alter überhaupt noch keinen schädigungskausalen Aufwand darstellen könne.
2.3. Diese Ausführungen sind berechtigt.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass bei der Pflege eines Verletzten neben den tatsächlichen Pflegeleistungen auch noch jene Zeit einen ersatzfähigen Schaden bildet, in der zwar keine konkrete Pflege und Betreuung notwendig ist, aber dennoch eine Betreuungsperson anwesend sein muss, etwa im Sinne einer Rufbereitschaft oder um unvorhersehbar auftretende Betreuungsnotwendigkeiten übernehmen zu können.
Handelt es sich bei der Betreuungsperson um im selben Wohnverband lebende Angehörige, dann sind Zeiten, während derer die Pflegepersonen jedenfalls zu Hause wären (während der Nacht, zur eigenen Hausarbeit, zur Einnahme der Mahlzeiten etc) als Zeiten der reinen Anwesenheit bzw Bereitschaft grundsätzlich nicht zu ersetzen, weil sie keinen konkreten Schaden darstellen (RIS-Justiz RS0022789 [T3]; 2 Ob 49/98i ZVR 1998/128; 2 Ob 176/05d ZVR 2007/124 [Huber]; 2 Ob 110/16i; Veith, Pflege von Verletzten durch Familienangehörige: Ein Überblick über die einschlägige Rechtsprechung des OGH, ZVR 2014, 112 [113]).
Zeiten der erforderlichen Beaufsichtigung durch Angehörige sind zusammengefasst dann mit ihrem objektiven Wert ersatzfähig, wenn sie kumulativ folgende Kriterien erfüllen:
a) der Angehörige wäre nicht sowieso zu Hause in der Umgebung des Geschädigten gewesen, sondern hätte diese Zeit sonst anderswo verbracht,
b) die Anwesenheit einer Aufsichtsperson war objektiv erforderlich, sodass in dieser Zeit eine bezahlte Pflegeperson eingesetzt werden hätte müssen, wenn der Angehörige nicht zur Verfügung gestanden wäre,
c) die Schadenszufügung ist für das Anwesenheitserfordernis kausal.
Fehlt es auch nur an einer dieser Voraussetzungen, dann liegt überhaupt kein (konkret oder pauschal) ersatzfähiger Schaden vor.
Da es bei den für solche Zeiten von der Rechtsprechung zuerkannten Schadenersatzbeträgen nicht um einen im Freizeitverlust gelegenen immateriellen Schaden des Angehörigen, sondern um weitere Kosten des Geschädigten geht, die er ansonsten zur Entlohnung einer professionellen Pflegekraft aufwenden hätte müssen (2 Ob 226/07k ZVR 2009/206 [Huber]; 2 Ob 110/16i), müssen entsprechende Aufsichtsleistungen tatsächlich erbracht worden sein. Es genügt noch nicht, dass ein Verzicht auf Freizeitaktivitäten der pflegenden Angehörigen fest steht.
Haben die Angehörigen ihre geopferte Freizeit nämlich mit der eigentlichen Pflege und Betreuung des Verletzten verbracht, sind die fiktiven Kosten dafür bereits aus diesem Titel zu ersetzen. In diesem Fall gebührt dem Verletzten kein weiterer Zuschlag, weil die Pflegestunden dadurch im Ergebnis doppelt liquidiert würden.
Ein zusätzlicher Schaden für Aufsicht und Rufbereitschaft kann dem Geschädigten dementsprechend nur für jene Zeiten entstehen, die weder (schon als solche zu bezahlende) Pflege- und Betreuungszeiten, noch (nicht ersatzfähige) Stunden der Sowieso-Anwesenheit eines Angehörigen sind.
Nach den hier getroffenen Feststellungen überschreitet der gesamte (verletzungskausale sowie altersbedingte) eigentliche Pflegeaufwand der Klägerin zusammen mit den festgestellten Zeitspannen, in denen sich ihre Eltern aus eigenwirtschaftlichen Gründen in der Wohnung aufgehalten haben, bei Weitem das Ausmaß von 24 Stunden. Darin spiegelt sich die überaus intensive Beanspruchung der Angehörigen der Klägerin wider, die zu jeder Tageszeit weit über das für Kleinkinder altersbedingt normale Maß hinaus versorgt werden musste.
Die Revision zeigt aber mit Recht auf, dass der gesamte zeitliche Betreuungsaufwand der Klägerin das Ausmaß von 24 Stunden pro Tag niemals überschreiten konnte. In diesem Zeitraum wurde sie lückenlos entweder unmittelbar gepflegt und betreut (unter anderem auch unter Verzicht der Eltern auf Freizeitaktivitäten), oder aber von sowieso Anwesenden beaufsichtigt.
Das Argument des Berufungsgerichts, es sei hier deswegen noch Raum für weitere zu entschädigende Stunden, weil mehrere Personen aus dem Familien- und Bekanntenkreis an der Pflege der Klägerin beteiligt waren, ist nicht zielführend. Das Höchstausmaß der täglichen Pflege-, Betreuungs- und Beaufsichtigungsstunden wird nicht von der Anzahl der dafür eingesetzten Personen, sondern vom maximal möglichen Bedarf des Gepflegten bestimmt. Davon abgesehen verbleibt bei Einsatz einer größeren Zahl von Pflegepersonen jeder einzelnen davon nicht weniger, sondern mehr an Freizeit.
2.4. Im Übrigen ist die Revisionswerberin auch mit ihrem zweiten dargelegten Argument im Recht.
Der ersatzfähige Schaden eines Verletzten ist auf die kausalen Folgen des schädigenden Ereignisses beschränkt. Bei einem verletzten Kind ist zu berücksichtigen, dass es auch ohne Schädigung altersbedingt einer Pflege und Betreuung bedurft hätte, sodass nur der über das gewöhnlich zu erwartende Maß hinausgehende Aufwand als verletzungskausal angesehen werden kann (vgl 8 Ob 81/16v [erster Rechtsgang]; vgl insoweit auch § 4 Abs 3 BPGG).
Die ständige Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit von Zeiten des Freizeitopfers der Angehörigen, auf die sich die Klage zur Begründung ihrer Forderung beruft, ist zur Pflege bereits erwachsener Personen ergangen, die ohne Schädigung keiner Beaufsichtigung oder Rufbereitschaft durch Dritte bedurft hätten. Mit der Anspruchsberechtigung eines Kleinkindes hatten sich diese Entscheidungen jeweils nicht auseinanderzusetzen (2 Ob 49/98i; 2 Ob 152/99p; 2 Ob 99/02a; 6 Ob 149/14a; 2 Ob 110/16i).
Es ist der Beklagten beizupflichten, dass verantwortungsvolle Eltern ein Kind bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs wegen einer Vielzahl möglicher Gefahrenquellen, denen es auf seinem Entwicklungsstand noch nicht gewachsen ist, niemals alleine in der Wohnung lassen würden. Es ist davon auszugehen, dass auch die Klägerin in den verfahrensgegenständlichen ersten drei Jahren ständig beaufsichtigt worden wäre, wenn sie keine Schädigung erlitten hätte.
Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben.
3. Das Berufungsgericht hat einen Vorbehalt der Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 1 und 2 ZPO ausgesprochen. Aus diesem Grund ist im weiteren Rechtsgang keine Kostenentscheidung mehr zu treffen, sondern hat das Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache über die Kostenersatzpflicht für das gesamte Verfahren zu entscheiden (§ 52 Abs 3 ZPO; 7 Ob 5/13f; 1 Ob 121/17a).
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