European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E123623
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rechtsmittel wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:
1. Die Bestätigung vom 1. 9. 2016 über die Vollstreckbarkeit des Europäischen Zahlungsbefehls des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 24. 5. 2016, GZ 14 Eum 2394/15f‑7, wird aufgehoben.
2. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Nichtigerklärung des Europäischen Zahlungsbefehls des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 24. 5. 2016, GZ 14 Eum 2394/15f‑7, wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Begründung:
Über Antrag des Antragstellers erließ das Erstgericht am 24. 5. 2016 einen Europäischen Zahlungsbefehl, der an die „Hellenische Republik, Republik Griechenland, O* 82, Griechenland, *“ mittels (rotem) Internationalem Rückschein zugestellt wurde. Dieser Rückschein enthält keinen Poststempel, wohl aber zwei Parafen und das Datum „2/7/16“; das Feld „Name des Empfängers in Großbuchstaben“ ist nicht ausgefüllt. Am 1. 9. 2016 bestätigte das Erstgericht die Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls.
In dem diesem zugrunde liegenden Antrag vom 22. 12. 2015 hatte der Antragsteller als Hauptforderung „Sonstige Forderungen (Staatsanleihen)“ und „unzureichende/verspätete Zahlung“ angegeben; alle Anleihen seien vorzeitig zum 12. 3. 2012 fällig geworden. Als „Name der Firma oder Organisation“ beziehungsweise „gesetzlicher Vertreter“ der Antragsgegnerin war deren (damaliger) Staatspräsident P* P*, O* B2, Griechenland, genannt worden.
Die Antragsgegnerin begehrt die Aufhebung der Vollstreckbarkeitserklärung und die Nichtigerklärung des Zahlungsbefehls. Dieser sei nicht rechtswirksam zugestellt worden, weil die Antragsgegnerin nicht durch den Staatspräsidenten, sondern durch den Finanzminister vertreten werde; im Übrigen handle es sich bei der geltend gemachten Forderung aus dem Erwerb von Staatsanleihen nicht um eine Zivil- und Handelssache, sodass die Verordnung (EG) 2006/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (EuMahnVO) nicht zur Anwendung hätte kommen dürfen.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls zurück. Es habe sich um eine ordnungsgemäße Zustellung gehandelt, weil nach Art 36 Abs 1 der Griechischen Verfassung der Präsident der Republik Griechenland diese auch im Zusammenhang mit der Emission von griechischen Staatsanleihen vertrete. Bei Ansprüchen aus Staatsanleihen beziehungsweise den darin verbrieften Zahlungsversprechen handle es sich um freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtungen des Staats und damit um einen vertraglichen Anspruch; es liege somit keine Staatenimmunität vor.
Das Rekursgericht hob die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls und diesen selbst auf und verwies die Sache hinsichtlich der Erlassung des Zahlungsbefehls an das Erstgericht zurück; es erklärte den „ordentlichen Revisionsrekurs“ für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, ob bereits bei Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls die Immunität einer Partei zu prüfen sei, ob der Antragsgegnerin wegen fehlender Immunität (gemeint: infolge Immunität) ein Recht auf Aufhebung des Zahlungsbefehls nach Art 20 Abs 2 EuMahnVO zukommt und ob eine Zwangskonvertierung der Staatsanleihen aufgrund des griechischen Gesetzes 4050/2012 und des Ministerratsbeschlusses vom 9. 3. 2012 unter Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den „alten Anleihetiteln“ als acta iure imperii zu werten ist.
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, es stehe nicht fest, dass der Europäische Zahlungsbefehl dem Präsidenten der Hellenischen Republik oder einem Mitarbeiter der Präsidentschaftskanzlei zugestellt wurde, womit aber eine ordnungsgemäße Zustellung des Zahlungsbefehls nicht gegeben sei; damit sei jedenfalls dessen Vollstreckbarerklärung aufzuheben. Kapitalaufnahmen eines Staats durch die Emission von Staatsanleihen seien zwar als acta iure gestionis zu qualifizieren, die durch die Antragsgegnerin erfolgte Zwangskonvertierung der Anleihen gehöre aber zu den acta iure imperii. Die sich daraus (allenfalls) ergebende Unzulässigkeit der Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls mangels Vorliegens einer Zivil- und Handelssache hätte das Erstgericht vor der Erlassung von Amts wegen zu prüfen gehabt, sodass dessen Verfahren mangelhaft geblieben sei.
Rechtliche Beurteilung
Der „(außer)ordentliche Revisionsrekurs“ des Antragstellers ist zulässig; er ist auch teilweise berechtigt.
1. Die angefochtene Entscheidung teilt sich in einen – nach Maßgabe des § 528 ZPO anfechtbaren – abändernden (Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls) und in einen – nach Maßgabe des § 527 ZPO anfechtbaren – aufhebenden Beschlussteil. Zwischen diesen Beschlussteilen besteht kein untrennbarer Zusammenhang, kann doch jeder einzelne Beschlussteil ein verschiedenes Schicksal haben (vgl RIS‑Justiz RS0044191 [T7]). Dies hat das Rekursgericht unbeachtet gelassen, als es in Anwendung des § 528 Abs 1 ZPO den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärte. Einer Präzisierung beziehungsweise Ergänzung des Zulassungsausspruchs bedarf es allerdings nicht, weil sich aus der Begründung des Zulassungsausspruchs zwingend die Absicht des Rekursgerichts ergibt, (auch) den aufhebenden Beschlussteil im Sinn des § 527 ZPO einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich zu machen; hinsichtlich des abändernden Beschlussteils besteht aber ohnehin die Möglichkeit eines außerordentlichen Revisionsrekurses. Da sich sowohl der Revisionsrekurs als auch dessen Beantwortung mit beiden Beschlussteilen auseinandersetzen, besteht keinerlei Rechtsschutzdefizit der Parteien.
2. Nach Art 12 Abs 5 EuMahnVO stellt das Gericht, das den Zahlungsbefehl erlässt, sicher, dass der Zahlungsbefehl dem Antragsgegner gemäß den nationalen Rechtsvorschriften in einer Weise zugestellt wird, die den Mindestvorschriften der Artikel 13, 14 und 15 genügen muss. Von den dort genannten Möglichkeiten ist für den vorliegenden Fall Art 14 Abs 1 lit b EuMahnVO relevant, wonach eine Zustellung in dem Fall, dass der Antragsgegner Selbstständiger oder eine juristische Person ist, durch persönliche Zustellung in den Geschäftsräumen des Antragsgegners an eine Person, die vom Antragsgegner beschäftigt wird, erfolgen kann. Gemäß Art 14 Abs 3 EuMahnVO wird die Zustellung in diesem Fall bescheinigt durch ein von der zuständigen Person, die die Zustellung vorgenommen hat, unterzeichnetes Schriftstück mit den folgenden Angaben: die gewählte Form der Zustellung und das Datum der Zustellung sowie, falls der Zahlungsbefehl einer anderen Person als dem Antragsgegner zugestellt wurde, der Name dieser Person und die Angabe ihres Verhältnisses zum Antragsgegner. Alternativ kann die Zustellung auch durch eine Empfangsbestätigung der Person bescheinigt werden, der der Zahlungsbefehl zugestellt wurde.
2.1. Bei Art 14 Abs 3 EuMahnVO handelt es sich um eine Beweisregel; die Zustellungsarten können ausschließlich durch die Zustellbescheinigung nachgewiesen werden (zur gleichlautenden Bestimmung des Art 14 Abs 3 EuVollstreckungstitelverordnung Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR4 [2015] Art 14 EG-VollstrTitelVO Rz 29; Arnold in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht4 [2018] Art 14 EuVTVO Rz 37). Wird in einer Art 13 bis 15 EuMahnVO nicht genügenden Form zugestellt, so kann jedenfalls diese Zustellung nicht zur Grundlage der Vollstreckbarerklärung nach Art 18 EuMahnVO gemacht werden; insoweit entfaltet der Europäische Zahlungsbefehl dann keine Wirkung (G. Kodek in Fasching/Konecny² V/2 [2010] Art 14 EuMahnVO Rz 8 mwN; zur gleichlautenden Bestimmung des Art 14 Abs 3 EuVTVO Pabst aaO; Arnold aaO), der Antragsteller kann aber eine neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehls unter Einhaltung der Mindestanforderungen durch das Ursprungsgericht veranlassen (G. Kodek aaO).
2.2. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass nach Art 14 Abs 3 EuMahnVO, falls der Zahlungsbefehl einer anderen Person als dem Antragsgegner zugestellt wurde, die Zustellung unter anderem durch die Angabe des Namens dieser Person und die Angabe ihres Verhältnisses zum Antragsgegner zu bescheinigen ist. Da es sich bei der Antragsgegnerin nicht um eine physische Person handelt, müsste dem im vorliegenden Verfahren verwendeten (roten) Internationalen Rückschein der Name jener Person, die den Europäischen Zahlungsbefehl tatsächlich übernommen hat, und ihre Stellung im Verhältnis zur Republik Griechenland zu entnehmen sein, was hier aber nicht gegeben ist. Darüber hinaus hat das Rekursgericht die für den Obersten Gerichtshof bindende Feststellung (vgl RIS‑Justiz RS0069246 [T3]) getroffen, es stehe nicht fest, dass der Zahlungsbefehl dem Präsidenten der Hellenischen Republik oder einem Mitarbeiter der Präsidentschaftskanzlei zugestellt wurde. Da schließlich auch noch die Zustelladresse auf dem Rückschein falsch ist (O* 82 anstelle von O* B2), ist mit dem Rekursgericht davon auszugehen, dass eine wirksame Zustellung des Zahlungsbefehls (noch) nicht erfolgt ist. Dass der Zahlungsbefehl tatsächlich (§ 7 ZustG) der für die Antragsgegnerin vertretungsbefugten Person zugekommen wäre, lässt sich weder den Feststellungen der Vorinstanzen noch dem Akteninhalt entnehmen; damit bedarf es aber auch keiner weiteren Erörterung, ob eine solche Zustellung an einen ausländischen Staat überhaupt wirksam gewesen wäre (vgl 10 Ob 53/04y).
2.3. Wurde der Zahlungsbefehl bereits für vollstreckbar erklärt, ist im Fall eines nachträglich bemerkten Zustellmangels die Vollstreckbarkeitsbestätigung von Amts wegen aufzuheben; Art 20 EuMahnVO über die nachträgliche „Überprüfung“ des Zahlungsbefehls ist in diesem Fall nicht einschlägig, weil diesfalls ja nicht der Zahlungsbefehl selbst „zu Unrecht erlassen“, sondern nur die Vollstreckbarkeitsbestätigung zu Unrecht erteilt wurde (vgl G. Kodek in Fasching/Konecny² V/2 Art 18 EuMahnVO Rz 11). Die in der Literatur diskutierte Frage, ob in diesem Fall auch der Zahlungsbefehl selbst aufgehoben werden kann (dazu G. Kodek aaO Art 20 EuMahnVO Rz 34 und Art 18 EuMahnVO Rz 12), wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Entscheidung C‑119/13 (eco cosmetics GmbH & Co. KG und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen. mbH/Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Tetyana Bonchyk; EU:C:2014:2144) verneint: Der Gerichtshof führte aus (Rz 49), das Verfahren der Art 16 bis 20 EuMahnVO finde keine Anwendung, wenn sich herausstellt, dass ein Europäischer Zahlungsbefehl nicht in einer Weise zugestellt wurde, die den Mindestvorschriften der Art 13 bis 15 genügt. Zeigt sich ein solcher Fehler erst nach der Vollstreckbarerklärung, müsse der Antragsgegner die Möglichkeit haben, diesen Fehler zu beanstanden, der die Ungültigkeit der Vollstreckbarerklärung zur Folge haben muss.
In Österreich kann der Antragsgegner dies mit einem Antrag nach § 7 Abs 3 EO geltend machen. Die Aufhebung der Vollstreckbarkeit durch das Rekursgericht war somit zu bestätigen.
3.1. Kapitalaufnahmen durch die Emission von Staatsanleihen sind grundsätzlich als acta iure gestionis zu qualifizieren; Staaten als Emittenten von Anleihen können sich deshalb bei Klagen von Gläubigern nicht auf staatliche Immunität berufen (RIS‑Justiz RS0129482). So hat auch der erkennende Senat bereits klargestellt, es könne keinem Zweifel unterliegen, dass es sich beim Zahlungsversprechen aus einer Inhaberschuldverschreibung um eine freiwillige rechtliche Verpflichtung des Schuldners und damit um einen vertraglichen Anspruch im Sinn des Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 handelt (6 Ob 122/15g; ebenso 8 Ob 67/15h; 8 Ob 125/15p); das Zahlungsversprechen des Staats wird aus der Staatsanleihe, also aus einem Rechtsverhältnis zwischen dem Erwerber und dem Staat als Emittent der Inhaberschuldverschreibung abgeleitet (8 Ob 125/15p). Dies steht mit dem allgemeinen Grundsatz in Einklang, wonach ausländische Staaten nach Völkerrecht nur insoweit von der Gerichtsbarkeit der inländischen Gerichte eximiert sind, als es sich um Akte handelt, die sie in Ausübung der ihnen zustehenden Hoheitsgewalt vorgenommen haben (RIS‑Justiz RS0045581).
3.2. In der Entscheidung 8 Ob 67/15h hat der Oberste Gerichtshof unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH C‑226/13 (Fahnenbrock/Hellenische Republik; EU:C:2015:383) ausgeführt, die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse liege nur dann vor, wenn die (ursprünglichen) finanziellen Bedingungen der betreffenden Wertpapiere einseitig und nicht auf der Grundlage der Marktbedingungen, die den Handel und die Rendite dieser Finanzinstrumente regeln, vom Staat festgelegt worden seien. Nach der Entscheidung 4 Ob 227/13f besteht eine Immunität Griechenlands hinsichtlich Schadenersatzansprüchen wegen Verstoßes des vom Rekursgericht erwähnten griechischen Umschuldungsgesetzes gegen höherrangiges Recht, keine Immunität bestehe hingegen für vertragliche Ansprüche aus der Emission von Staatsanleihen. Für den erkennenden Senat besteht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
3.3. Es ist richtig, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Frage, ob jemand Immunität genießt, vom Gericht selbstständig zu prüfen ist; im Zweifelsfall hat es hierüber eine Erklärung des Bundesministeriums für Justiz einzuholen (RIS‑Justiz RS0114977), die allerdings wegen des Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art 94 B‑VG) nicht bindend ist (6 Ob 150/05k). Es ist auch richtig, dass es sich bei der Antragsgegnerin um einen selbstständigen Staat handelt, womit sich die Frage nach dessen Immunität zwangsläufig aufdrängt (vgl etwa 7 Ob 316/00x zu einem amtierenden Staatsoberhaupt und 2 Ob 258/05p zu einem amtierenden Außenminister; 10 Ob 53/04y und 6 Ob 150/05k zu Internationalen Organisationen). Im vorliegenden Fall kommt es aber aufgrund der dargestellten Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs (3.2.) im Zusammenhang mit der (möglichen) Immunität des in Anspruch genommen Staats auf die konkrete Anspruchsbegründung des Antragstellers an (vgl auch 8 Ob 125/15p), weshalb das Gericht seiner selbstständigen Prüfung die Behauptungen im verfahrenseinleitenden Schriftsatz, im vorliegenden Fall demnach im Antrag auf Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls, zugrunde zu legen hat.
Hier macht der Antragsteller aber ausschließlich einen Anspruch auf Erfüllung der Anleihebedingungen beziehungsweise auf Schadenersatz wegen deren Nichterfüllung durch die Antragsgegnerin geltend; dass er diese wegen eines Eingriffs in sein Eigentumsrecht durch einen seiner Ansicht nach rechtswidrigen Akt der Gesetzgebung in Anspruch nehmen würde, kann seinem bisherigen Vorbringen nicht entnommen werden (vgl 8 Ob 67/15h). Damit besteht aber für die geltend gemachten Ansprüche gerade keine Immunität (4 Ob 227/13f; vgl auch 8 Ob 125/15p [ErwGr 4.3], wo die Beurteilung des Rekursgerichts korrigiert wurde, das dem Kläger ein Vorbringen in Richtung Rechtswidrigkeit des Umschuldungsgesetzes „unterstellt“ hatte), sodass die Beseitigung des Zahlungsbefehls durch das Rekursgericht verfehlt war.
3.4. Die Revisionsrekursbeantwortung macht geltend, der Zahlungsbefehl sei nach Art 20 Abs 2 EuMahnVO auch deshalb aufzuheben, weil keine fällige Geldforderung im Sinn des Art 4 EuMahnVO vorliege. Allerdings ist Art 20 Abs 2 EuMahnVO nicht als umfassender, zeitlich unbefristeter Rechtsbehelf zu verstehen, sondern auf Fälle beschränkt, in denen der Zahlungsbefehl aufgrund qualifiziert unrichtiger Behauptungen an der Grenze zum Prozessbetrug erlassen wurde (G. Kodek in Fasching/Konecny² V/2 Art 20 EuMahnVO Rz 24 f), was hier aber nicht gegeben ist. Es würde Sinn und Zweck eines Mahnverfahrens widerstreiten, müsste das angerufene Gericht vor Erlassung des Zahlungsbefehls eine detaillierte Prüfung der Fälligkeit der geltend gemachten Ansprüche anhand des griechischen Rechts vornehmen (vgl dazu auch Art 8 EuMahnVO, wonach die Überprüfung der Begründetheit der Forderung „anhand der Angaben im Antrag“ im Rahmen eines automatisierten Verfahrens erfolgen kann; darauf hinweisend auch G. Kodek aaO Art 8 EuMahnVO Rz 14); gefordert ist lediglich eine Grobprüfung, also eine auf ein Mindestmaß reduzierte Prüfung (G. Kodek aaO Art 8 EuMahnVO Rz 11 mwN).
3.5. Damit war aber der Antrag der Antragsgegnerin auf Nichtigerklärung des Europäischen Zahlungsbefehls des Erstgerichts vom 24. 5. 2016 abzuweisen.
4. Im weiteren Verfahren wird das Erstgericht nunmehr zu berücksichtigen haben, dass die Antragsgegnerin bereits in ihrem Schriftsatz vom 29. 12. 2016 „aus advokatorischer Vorsicht“ einen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl erhoben hat. Da eine rechtswirksame Zustellung des Zahlungsbefehls – wie dargestellt – bislang noch nicht erfolgte, hat die Antragsgegnerin jedenfalls die Frist des Art 16 Abs 3 EuMahnVO gewahrt, weshalb nunmehr nach Art 17 EuMahnVO das Verfahren gemäß den Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses weiterzuführen sein wird.
5. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO (Verfahren erster Instanz) beziehungsweise auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO (Rechtsmittelverfahren). Die Antragsgegnerin war mit ihrem Antrag, die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Zahlungsbefehls aufzuheben, erfolgreich, nicht jedoch mit ihrem Aufhebungsantrag bezüglich des Zahlungsbefehls selbst.
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