OGH 21Ds2/18h

OGH21Ds2/18h14.11.2018

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 14. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Pressl und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in Gegenwart der OKontr. Kolar als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Salzburg vom 19. Oktober 2017, GZ DISZ/7‑17‑950.03‑22, nach nichtöffentlicher mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0210DS00002.18H.1114.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt, weil er den Schenkungsvertrag vom 23. November 2000 über die Liegenschaft L*****gasse *****, zwischen der damals nicht vertretenen Mathilde F***** als Geschenkgeberin und ihrer Tochter Elisabeth F***** als Geschenknehmerin errichtete, anlässlich dessen nicht ausdrücklich erklärte, nur Elisabeth F***** zu vertreten, und in der Folge im Verfahren AZ 14 Cg 25/16p des Landesgerichts Salzburg die rechtsfreundliche Vertretung der Beklagten Elisabeth F***** (gegen die Klägerin Mathilde F*****) übernahm, obwohl auch die Anfechtung des Schenkungsvertrags (der Widerruf der Schenkung) vom 23. November 2000 nach § 948 ABGB verfahrensgegenständlich war und obwohl er wusste, dass er in diesem Rechtsstreit von der Beklagten als Zeuge geführt und als solcher zum Parteiwillen befragt werden würde, und die Klägerin nicht um die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht ersuchte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen wegen Vorliegens der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung des Beschuldigten geht fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Elisabeth F***** als Zeugin zum Beweis dafür, dass „die Information für die Vertragserrichtung ausschließlich von ihr stammt und dass im Zuge der Vertragserrichtungen keine Neuerungen oder Änderungen erfolgt sind“ (ON 21 S 6), Verteidigungsrechte schon deshalb nicht verletzt, weil der Disziplinarrat das Beweisthema ohnedies als erwiesen ansah (ES 2 und 4; § 55 Abs 2 Z 3 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt; RIS‑Justiz RS0099135 [insbesondere T3]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 342).

Die Urteilskontrolle anhand der Kriterien des § 281 Abs 1 Z 5 StPO gilt den zu entscheidenden Tatsachen getroffenen, nicht jedoch nicht getroffenen Feststellungen (13 Os 135/07p, RIS‑Justiz RS0099575 [T5], jüngst 12 Os 69/17i). Indem die Mängelrüge andere Feststellungen fordert als die vom Disziplinarrat getroffenen, verfehlt sie somit die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

§ 10 Abs 1 zweiter Halbsatz RAO untersagt die sogenannte Doppelvertretung nicht nur in derselben Sache, sondern auch in zusammenhängenden Sachen, wobei letzterer Begriff dem Regelungszweck entsprechend weit auszulegen ist (25 Os 6/14s, RIS‑Justiz RS0055534 [T3], jüngst 20 Ds 1/17b). Erfasst sind demnach alle Konstellationen, in denen Interessenkollisionen zweier Parteien vorliegen oder auch nur die Gefahr einer derartigen Interessenüberschneidung besteht (RIS‑Justiz RS0117715; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 38). Die Argumentation, der festgestellte Sachverhalt erfülle deshalb keinen der Tatbestände des § 1 Abs 1 DSt (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), weil Gegenstand des zu AZ 14 Cg 25/16p des Landesgerichts Salzburg geführten Zivilrechtsstreits nicht der Schenkungsvertrag vom 23. November 2000 als solcher, sondern eine diesem allenfalls zugrunde liegende mündliche Vereinbarung der Vertragsparteien und eine als Anfechtungsgrund herangezogene strafbare Handlung der Geschenknehmerin im Jahr 2015 sei, geht daher schon im Ansatz fehl.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Rolle des Beschuldigten als Vertragsverfasser mit der Behauptung bestreitet, die Parteien seien über den Vertragsinhalt bereits vor seiner Befassung einig gewesen und ihm sei bloß die Aufgabe der Einhaltung der richtigen Vertragsform zugefallen, entfernt sie sich unzulässig (RIS‑Justiz RS0099810) von den Feststellungen des Disziplinarrats (ES 2 f).

Das Vorbringen zur Ablegung einer Zeugenaussage im Verfahren AZ 14 Cg 25/16p des Landesgerichts Salzburg bezieht sich nicht auf eine schuld‑ oder subsumtionsrelevante Tatsache, weil der Disziplinarrat diesen Umstand nicht als eigenes Disziplinarvergehen gewertet, sondern bloß im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt hat (ES 1 und 6). Da die – ohne Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch beide Vertragsparteien abgelegte – Zeugenaussage eines Rechtsanwalts in einem Zivilrechtsstreit zwischen Parteien eines Vertrags, den er selbst errichtet hat, durchaus geeignet ist, eine gesteigerte Beeinträchtigung des Vertrauens der Bevölkerung in die Unparteilichkeit und die Verschwiegenheit dieses Rechtsanwalts zu bewirken (vgl RIS‑Justiz RS0040559), ist die aggravierende Wertung des angesprochenen Umstands auch unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 11 StPO nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0100061).

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermag mit dem Hinweis auf das Vorbringen der Rechtsrüge keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, Zweifel an der (den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden) Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken.

 

Der Disziplinarrat verhängte über ***** gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 4.000 Euro und wertete dabei das Aufrechterhalten des Vollmachtsverhältnisses im Verfahren AZ 14 Cg 25/16p des Landesgerichts Salzburg sowie das Zusammentreffen der Übernahme der Vertretung der beklagten Partei mit der Aussage als Zeuge in diesem Verfahren ohne Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht als erschwerend, den bislang ordentlichen Lebenswandel als mildernd.

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe, die unter Hinweis auf die mehr als 40jährige Tätigkeit als Rechtsanwalt eine stärkere Gewichtung des Milderungsgrundes des ordentlichen Lebenswandels und solcherart eine Reduktion der Geldbuße verlangt, geht fehl.

Der Disziplinarrat erfasste die Erschwerungs‑ und Milderungsgründe vollständig und fand mit Blick auf die – im anwaltlichen Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehenden (RIS‑Justiz RS0054839) – allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung des § 32 StGB eine moderate Sanktion, die einer Reduktion keinesfalls zugänglich ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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