OGH 13Os135/07p

OGH13Os135/07p5.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Temuri J***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30. Juli 2007, GZ 29 Hv 121/07f-44, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Temuri J***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens des versuchten tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach §§ 15, 270 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck, soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung,

1. am 14. Mai 2007 dadurch, dass er der Verkäuferin Evelyn S***** einen heftigen Faustschlag in die Magengegend versetzte, daraufhin die oberste Schublade des Verkaufspultes öffnete und aus der darin befindlichen Handkasse einen Bargeldbetrag in der Höhe von ca 200 Euro entnahm, durch Gewalt der Genannten eine fremde bewegliche Sache, nämlich Verkaufseinnahmen des Modegeschäftes F*****, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene, nach dem Inhalt des Vorbringens gegen den Schuldspruch Punkt 1 gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Das Erstgericht stellte zu diesem Punkt des Schuldspruchs im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Weil er weder Geld noch Unterkunft hatte, betrat der Angeklagte am 14. Mai 2007 um ca 11:45 Uhr das Geschäft F***** in Innsbruck. Die Verkäuferin Evelyn S***** befand sich zu diesem Zeitpunkt allein im Verkaufsraum des Geschäftes. Plötzlich und für sie völlig unerwartet versetzte der Angeklagte der Verkäuferin einen heftigen Faustschlag in die Magengegend, weshalb sie sich vor Schmerzen krümmte. „Diese Gewalt wendete Temuri J***** an, um jeglichen zu erwartenden Widerstand der Evelyn S***** zu überwinden und sich fremdes Gut aneignen zu können. Er öffnete sofort die oberste Schublade des unversperrten Verkaufspultes, entnahm aus der sich darin befindlichen Wechselgeldkassa einen Bargeldbetrag in der Höhe von ca 200 Euro und flüchtete aus dem Geschäft. Diese Tat beging der Angeklagte in der Absicht, der Verkäuferin Evelyn S***** mit Gewalt, nämlich indem er ihr einen heftigen Faustschlag in die Magengegend versetzte, Bargeld wegzunehmen und sich oder Dritte durch Zueignung des zu erbeutenden Bargeldes unrechtmäßig zu bereichern, wobei er selbstverständlich in seinen Vorsatz mitaufnahm, dass er Gewalt gegen die Verkäuferin anwandte" (US 6 f).

1. Auf den Nichtigkeitsgrund nach Z 5 stützt sich der Angeklagte der Beschwerde zufolge ausdrücklich „deshalb, da die Inhalte der gelegten Atteste sich nicht mit den Feststellungen decken und daher die Feststellung des Gerichtes in diesem Punkte unvollständig und undeutlich sind" (BS 3).

Mit diesem Vorbringen wird jedoch kein Begründungsmangel im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt:

Die Urteilskontrolle anhand der in Z 5 genannten Kriterien gilt den zu entscheidenden Tatsachen getroffenen, niemals aber nicht vorliegenden Feststellungen.

Eine „Unvollständigkeit" der Feststellungsebene in den Entscheidungsgründen kann demnach nicht aus dem Blickwinkel der Z 5 bedeutsam sein, wohl aber für die Fragen, ob der im Urteil konstatierte Sachverhalt den Schuldspruch in rechtlicher Hinsicht zu tragen vermag (Z 9, 10 und 10a; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 598-612, 659) und ob das Erstgericht die im betreffenden Fall maßgeblichen Grenzen seiner Sanktionsbefugnis missachtet hat (Z 11 erster und zweiter Fall; WK-StPO § 281 Rz 670, 675, 683-685, 687).

Eine irrige Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes ist zwar nach ständiger Rechtsprechung ohne Nachteil für den Beschwerdeführer. Ein rechtlicher Fehler bei der Beurteilung der Tat laut Schuldspruch Punkt 1 oder hinsichtlich der Sanktion wird aber vom Angeklagten seinem Vorbringen zufolge - übrigens zu Recht - gar nicht in den Blick genommen. Der Einwand der Unvollständigkeit der Feststellungen geht daher ins Leere.

Sollte der Einwand eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung meinen (Z 5 zweiter Fall), geht er fehl: Der „unauffällige sonographische Befund des Abdomens" durch den Facharzt für Radiologie Dr. Rudolf T***** (S 283/I) bedurfte keiner Erörterung in den Entscheidungsgründen, steht er doch nicht in Widerspruch zu den Urteilsannahmen zum Tatverhalten.

Inwiefern die Konstatierungen undeutlich sein sollen (Z 5 erster Fall), legt die Beschwerde entgegen dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) nicht dar.

2. Ebenso wenig an den durch die Verfahrensordnung eröffneten Anfechtungsmöglichkeiten ist auch das Vorbringen orientiert, zur Frage der inneren Tatseite habe das Gericht keine Feststellungen getroffen, „sodass dadurch auch schon die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO verwirklicht werden, zumal das Urteil in diesen Punkten unverständlich und undeutlich ist" (BS 3). Dazu ist hinsichtlich des vom Beschwerdeführer in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes nach Z 5 auf die vorstehenden Ausführungen und in Ansehung der Tatsachenrüge (Z 5a) darauf hinzuweisen, dass diese nach der Prozessordnung dem Angeklagten dazu dient, an Hand aktenkundiger Beweisergebnisse gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen zu lassen (vgl RIS-Justiz RS0119583). Keiner der reklamierten Nichtigkeitsgründe wurde demnach mit diesem Vorbringen angesprochen.

3. Der unter Z 5a erstattete Einwand, der Angeklagte habe den Faustschlag in Abrede gestellt, weckt keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen (s US 10 und die dort zur Fundierung der Feststellung eines Faustschlages gegen den Bauch des Opfers genannten Aktenstücke, zudem die weiteren Angaben der Zeugin: S 111/I: „sehr kräftiger Schlag"; S 6/II:

„heftiger Schlag in die Magengrube").

4. Auf keine entscheidende Tatsache bezogen ist das Vorbringen, die Führung eines heftigen Faustschlags sei „durch das Beweisverfahren nicht gedeckt", von einem heftigen Faustschlag spreche nur das Opfer, „wobei aber durch die Verletzungsanzeigen ein heftiger Faustschlag nicht dokumentiert" sei: Selbst wenn der dem Angeklagten als Teil des Raubverhaltens zur Last liegende Faustschlag gegen den Bauch der Verkäuferin, die sich daraufhin vor Schmerzen krümmte, nicht durch die von den Tatrichtern eigens betonte Heftigkeit gekennzeichnet gewesen wäre, läge Gewalt im Sinn des § 142 Abs 1 StGB und nicht bloß solche im Sinn der privilegierenden Bestimmung des § 142 Abs 2 StGB vor, stellt letztere doch (unter anderem) darauf ab, dass der Täter ohne Anwendung erheblicher Gewalt gegen das Raubopfer vorgeht, wovon auch ohne die im Mittelpunkt der Tatsachenrüge stehende Heftigkeit des Schlages keine Rede sein könnte; der Angeklagte hätte auch dann beachtliche physische Kraft in vehementer Weise eingesetzt (vgl Eder in WK² § 142 Rz 57 mwN; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 142 Rz 95, 99; Hintersteininger, SbgK § 142 Rz 45; je mwN).

Inwiefern vom Beschwerdeführer relevierte „Verletzungsanzeigen" zu der seinem Vorbringen zufolge fehlenden Heftigkeit des in Rede stehenden Faustschlages etwas austragen können, ist nicht nachvollziehbar. Weder kommt es für den Gewaltbegriff auf den Eintritt einer Verletzung an noch konnte in einer Verletzungsanzeige ein heftiger Faustschlag „dokumentiert" sein, worauf aber die Beschwerde abstellt.

5. Die Subsumtionsrüge (Z 10) geht, indem sie die konstatierte Krafteinwirkung und Willensausrichtung des Angeklagten (US 6 f) bestreitet, nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt dieses materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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