OGH 5Ob98/18z

OGH5Ob98/18z3.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D* GmbH & Co KG, *, vertreten durch die Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. März 2018, GZ 39 R 344/17b‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123235

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG setzt nach ständiger Rechtsprechung das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form voraus (RIS‑Justiz RS0070431). Der Mieter hat die gemieteten Geschäftsräume grundsätzlich zu dem ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Vertragszweck zu verwenden. Verwendet er sie zu einem anderen Zweck, dann ist die Gleichwertigkeit zu prüfen (RIS‑Justiz RS0070410 [T4]). Konnte nicht festgestellt werden, ob der Bestandgegenstand zu einem besonderen Verwendungszweck vermietet wurde, reicht jede Nutzung zu geschäftlichen Zwecken (4 Ob 132/18t).

1.2. Diese erste Voraussetzung – keine regelmäßige Verwendung zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung – liegt nach dem Sachverhalt unstrittig vor, denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung an die Beklagte (vgl RIS‑Justiz RS0070282 [T10], RS0070449) hat diese im Mietobjekt keine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt.

2.1. Weitere Voraussetzung für das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes ist das Fehlen eines schutzwürdigen Interesses an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags (8 Ob 131/14v). Hat der Vermieter die Nichtverwendung des Bestandobjekts nachgewiesen, kann der Mieter die Kündigung durch den Nachweis abwehren, dass eine vertragsgemäße Verwendung in naher Zukunft mit Sicherheit zu erwarten ist (RIS‑Justiz RS0070315 [T1, T3]; RS0070300). Bei der Beurteilung dieses Interesses sind nicht bloß die Umstände im Zeitpunkt der Aufkündigung, sondern auch die während des Verfahrens eingetretenen Entwicklungen zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0070320). Wenn besondere Gründe dafür vorliegen, dass es erst später möglich oder zumindest sinnvoll ist, die Entscheidung über die Wiederaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit zu treffen, ist die Sachlage heranzuziehen, wie sie sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ergeben hat, sofern die Entwicklung Rückschlüsse darauf zulässt, dass das schutzwürdige Interesse schon im Zeitpunkt der Aufkündigung gegeben war (RIS‑Justiz RS0070300 [T3]).

2.2. Die Beantwortung der Frage, ob die Wiederaufnahme einer geschäftlichen Tätigkeit des Mieters im Bestandobjekt in naher Zukunft mit Sicherheit erwartet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0070332 [T4]). Das gilt insbesondere für die Frage, ob die zu erwartende Tätigkeit iSd § 30 Abs 2 Z 7 MRG als regelmäßige Verwendung zu der im Mietvertrag ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Tätigkeit anzusehen ist (RIS‑Justiz RS0070332 [T5]; RS0070410 [T5]). Eine solche Entscheidung kann daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (8 Ob 131/14v).

2.3. Eine solche vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde das aufgekündigte, der Beklagten zu Bürozwecken vermietete Mietobjekt nach Abschluss von Renovierungsarbeiten von einem Vertriebsmitarbeiter der Beklagten und dem Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten gelegentlich für Kunden- oder Mitarbeitergespräche, die Erledigung von Korrespondenz oder andere Bürotätigkeiten genutzt; das während des laufenden Verfahrens im Schnitt nicht einmal an einem Tag pro Woche und jeweils nur für einige Stunden. Auf Basis dieses festgestellten Sachverhalts ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verwendung des Mietobjekts in einem so geringen Ausmaß könne nicht als geschäftliche Tätigkeit angesehen werden, jedenfalls vertretbar. Die Nutzung eines Büros ist nur dann iSd § 30 Abs 2 Z 7 MRG eine regelmäßige Verwendung zu geschäftlichen Zwecken, wenn sie während eines beachtlichen Zeitraums pro Jahr bzw während mehrerer Tage pro Woche erfolgt (vgl RIS‑Justiz RS0070358; Lovrek in GeKo Wohnrecht I § 30 MRG Rz 126). Eine andere Beurteilung mag zwar gerechtfertigt sein, wenn sich eine geringere Intensität der Nutzung bereits aus dem vereinbarten Verwendungszweck ergebe (Lovrek aaO § 30 MRG Rz 126). Die von der Beklagten erstmals in der Revision (implizit) aufgestellte Behauptung, die wiederaufgenommene Nutzung entspreche in Form und Intensität dem im Mietvertrag vereinbarten Verwendungszweck verstößt allerdings gegen das Neuerungsverbot und ist unbeachtlich.

3. Die außerordentliche Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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