OGH 5Ob103/18k

OGH5Ob103/18k3.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers V* G*, geboren am *, vertreten durch Dr. Robert Krasa, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner W*, vertreten durch Dr. Ernst Brunner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. April 2018, GZ 43 R 123/18h‑140, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122956

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind, wenn es die zur Deckung seines Unterhalts erforderlichen Mittel selbst erwirbt oder aufgrund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist (RIS‑Justiz RS0047567 [T4, T14]). Ein – wie der Antragsteller – dem Pflichtschulalter entwachsener, aber objektiv nicht selbsterhaltungsfähiger Unterhaltsberechtigter kann seinen Unterhaltsanspruch verlieren, wenn er arbeits- und ausbildungsunwillig ist.

1.2 Fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit liegt aber nur vor, wenn das unterhaltsberechtigte Kind nach Ende des Pflichtschulalters weder eine weitere Schulausbildung oder sonstige Berufsausbildung zielstrebig absolviert noch eine mögliche Erwerbstätigkeit ausübt, ohne dass ihm krankheits- oder entwicklungsbedingt die Fähigkeiten fehlten, für sich selbst aufzukommen (RIS‑Justiz RS0114658). Voraussetzung für die Annahme einer fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit ist daher, dass das Kind am Scheitern einer angemessenen Ausbildung oder Berufsausübung ein Verschulden trifft (1 Ob 20/17y; RIS‑Justiz RS0047605 [T11]).

1.3 Die Feststellungen bieten entgegen den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers keine Grundlage für die Annahme, das Rekursgericht habe die fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit des Antragstellers unvertretbar verneint. Danach ist er auch bei Anspannung seiner Kräfte nicht imstande, ein regelmäßiges Gehalt zu erzielen, gehört zur Gruppe der sehr schwer vermittelbaren jungen Erwachsenen und verfügt über eine unreife und unsichere Persönlichkeitsstruktur. Dessen ungeachtet bemüht er sich nach den in der Beweiswürdigung des erstgerichtlichen Beschlusses enthaltenen Sachverhaltselementen durch die Absolvierung von Kursen eine Ausbildung zu erlangen und ist bestrebt, seine gesundheitliche Situation durch Therapiemaßnahmen zu verbessern. Soweit der Antragsgegner dem isoliert Passagen aus den vom Erstgericht zu dieser Frage eingeholten Sachverständigengutachten entgegenhält und daraus für seinen Standpunkt günstigere Schlüsse zieht, bekämpft er in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0007236 [T4]). Der Oberste Gerichtshof ist auch im Verfahren außer Streitsachen nicht Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0007236 [T2]).

2. Abgesehen davon, dass die Vorinstanzen ausgehend von den Tatsachenfeststellungen ein Verschulden des Antragstellers wegen dessen Persönlichkeitsstruktur im Einzelfall vertretbar verneint haben und schon deshalb unklar bleiben muss, welche Relevanz den Ausführungen des Antragsgegners zur „gesetzlichen Ausbildungsgarantie“ zukommen soll, behauptet er auch gar nicht, dass der Antragsteller ihm im Rahmen eines solchen verstärkten Unterstützungsprogramms für Jugendliche und junge Erwachsene am Arbeitsmarkt angebotene Leistungen abgelehnt hätte. Aus dem Beschluss des Erstgerichts geht im Gegenteil hervor, dass der Antragsteller an dem im Rahmen der Ausbildungsgarantie vorgesehenen Jugendcoaching teilgenommen hat.

3. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, dass, sind vergangene Zeitabschnitte zu beurteilen, zu prüfen ist, ob nach dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen eine Unterhaltsverpflichtung bestand, sodass grundsätzlich die Ermittlung der tatsächlichen finanziellen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners für diesen Zeitraum zu ermitteln ist (1 Ob 549/95; 1 Ob 2082/96z; 2 Ob 318/99z). Der Antragsteller beruft sich auf diese Grundsätze, lässt dabei aber die Prämisse unberücksichtigt, dass die Einkommensgrundlagen überhaupt feststellbar sind (RIS‑Justiz RS0053251 [T15]). Das Erstgericht hat dazu ausdrücklich festgehalten, dass alle Unterlagen, um das tatsächliche Einkommen des Antragsgegners für das Jahr 2016 abschließend beurteilen zu können, im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung nicht zur Verfügung standen, weswegen es den Durchschnitt des für die drei vorangegangenen Jahre ermittelten Einkommens des Antragstellers als Bemessungsgrundlage auch für das Jahr 2016 heranzog. Der Antragsteller tritt dieser Argumentation nicht entgegen und behauptete auch gar nicht, dass sein tatsächliches Einkommen für das Jahr 2016 geringer gewesen wäre als von den Vorinstanzen angenommen. Er begnügt sich vielmehr mit einer vom Sachverhalt losgelösten auszugsweisen Wiedergabe von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Damit kann er keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzeigen, zumal er auf die noch in seinem Rekurs als einkommensmindernd angegebenen Renovierungskosten zu Recht nicht mehr zurückkommt, weil diese seinem eigenen Vorbringen in erster Instanz nach erst im Jahr 2017 angefallen sind und dieser Zeitraum vom aufhebenden Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung erfasst ist.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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