OGH 1Ob129/18d

OGH1Ob129/18d26.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragsteller 1. E* S* und 2. P* N*, beide vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in Wien, wegen Annahme an Kindes statt, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 27. Juni 2018, GZ 2 R 128/18z‑5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 7. Juni 2018, GZ 20 Fam 29/18h‑2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123062

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Antragsteller begehren die Genehmigung der Adoption des volljährigen Zweitantragstellers durch die 80‑jährige Erstantragstellerin. Das Erstgericht hielt fest, dass diese dem Erstgericht seit Jahrzehnten bekannt sei, ausgeschlossen werden könne, dass sie über die im Antrag angeführten akademischen Grade und Titel („Univ.‑Prof. Dr. Dipl.‑Ing.“) verfügt und auch amtsbekannt sei, dass sie zwei leibliche Kinder habe, deren Existenz im Antrag aber nicht „auftauche“. Es forderte den Rechtsvertreter mit Note auf, die behaupteten akademischen Grade und Titel zu bescheinigen oder den Antrag zu berichtigen sowie die Namen und ladungsfähigen Anschriften der leiblichen Kinder bekanntzugeben. Gleichzeitig wies es ihn darauf hin, dass von Amts wegen eine Überprüfung der Geschäftsfähigkeit der Erstantragstellerin durchgeführt werde. Dazu ist zu 26 P 21/18b des Erstgerichts seit mehreren Monaten ein Verfahren anhängig, in dem die Notwendigkeit der Bestellung (nun) eines Erwachsenenvertreters für die Erstantragstellerin geprüft wird. Das Erstgericht unterbrach das Adoptionsverfahren „gemäß § 6a ZPO bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung“ in diesem Verfahren und kündigte an, es danach von Amts wegen fortzusetzen.

Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge. Es verneinte einen Begründungsmangel und führte aus, auch wenn sich das Erstgericht auf § 6a ZPO bezogen habe und diese Vorschrift für das streitige Verfahren gelte, sei doch klar erkennbar gewesen, dass die § 6a ZPO nachgebildete Bestimmung des § 5 Abs 2 Z 2 lit c AußStrG und die § 190 Abs 1 ZPO nachgebildete Bestimmung des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG analog zur Anwendung kämen. Sollte für die Antragsteller ein Sachwalter (Erwachsenenvertreter) bestellt werden, werde das unterbrochene Adoptionsverfahren fortzusetzen sein. Da der Oberste Gerichtshof bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes (AußStrG 2005) ausgesprochen habe, dass § 6a ZPO im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anwendbar sei und nun § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG herangezogen werden könne, wozu das Rekursgericht auf die von Gitschthaler (in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 25 Rz 14) vertretene Rechtsansicht verwies, werde der in 1 Ob 236/08z vom Obersten Gerichtshof vertretenen Auffassung, weil die Unterbrechungsgründe des § 25 Abs 2 AußStrG von vornherein nicht in Betracht kämen, sei ein Unterbrechungsbeschluss aufzuheben, nicht gefolgt. Es sei nicht ersichtlich, warum ein und dieselbe Verfahrenssituation im Zivilprozess und im Außerstreitverfahren bei „derselben Gesetzeslage unterschiedlich behandelt werden sollte“. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil das Rekursgericht von dieser Entscheidung abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig, aber nicht berechtigt:

1. Vorauszuschicken ist, dass der Revisionsrekurs inhaltlich behandelt werden kann, da die Partei, deren Verfahrensfähigkeit in Zweifel gezogen wird, in einem Zwischenverfahren über die Verfahrensfähigkeit, wozu auch ein Unterbrechungsbeschluss iSd § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG gehören kann, (vorerst) als prozessfähig zu behandeln ist (vgl etwa 10 ObS 100/02g = RIS‑Justiz RS0035423 [T9]).

2. Die im Revisionsrekurs erhobene Rüge der qualifiziert mangelhaften Begründung des Beschlusses des Erstgerichts kann nicht aufgegriffen werden, weil ein solcher behaupteter Begründungsmangel jedenfalls geheilt ist, wenn das Rekursgericht die angeblich mangelhafte Begründung – im Sinn ihrer Überprüfbarkeit – ausreichend ergänzte (6 Ob 115/16d mwN). Die geltend gemachte „Nichtigkeit“ liegt daher nicht vor.

3.1. Ausführungen dazu, warum eine Unterbrechung (ex lege) nach § 25 Abs 1 Z 1 AußStrG nicht in Frage komme, sind nicht zielführend, hat sich doch das Rekursgericht auf diese Bestimmung gar nicht gestützt.

3.2. § 6a ZPO, welche Bestimmung Vorbild für die Normierung von § 5 AußStrG war, enthält selbst keine Regelung darüber, welche Maßnahmen das Prozessgericht in Ansehung seines Verfahrens nun anzuordnen hat. Im Zivilprozess wird das beim Prozessgericht geführte Verfahren zumeist in sinngemäßer Anwendung des § 190 Abs 1 ZPO – durch konstitutiven Beschluss – unterbrochen, und zwar auch in Fällen, in denen die natürliche Person anwaltlich vertreten ist (RIS‑Justiz RS0035234; RS0037720; 8 Ob 700/86; 2 Ob 14/88; 3 Ob 110/94; 10 ObS 18/96; 9 Ob 82/97t; 10 ObS 4/02i; 10 ObS 12/07y uva; nach 4 Ob 42/11x soll das beim Prozessgericht geführte Verfahren auch dann zu unterbrechen sein, wenn die natürliche Person nach Vollmachtserteilung geschäftsunfähig wird). In der Lehre (so aber auch schon 8 Ob 700/86) wird dazu darauf hingewiesen, dass die betroffene Partei im Regelfall die Erfolgsaussichten sowie Konsequenzen und Tragweite des Prozessführungsauftrags, somit des (weiteren) Verfahrens, nicht abschätzen könne (Fink in Fasching/Konecny 3 II/3 § 158 ZPO Rz 4; Zib in Fasching/Konecny 3 II/1 § 35 ZPO Rz 28; Nunner‑Krautgasser, ebendort § 6a ZPO Rz 11 unter Verweis auf Fucik in Rechberger, ZPO4 § 6a Rz 2; Gitschthaler, Die Verständigungspflicht des § 6a ZPO idF des SachwG und ihre Auswirkungen, JBl 1991, 291 [296]). Häufig ist aber – wie im vorliegenden Fall – fraglich, ob die Partei nicht schon im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht geschäftsunfähig war und ob sie daher überhaupt eine gültige Prozessvollmacht erteilen konnte (Nunner-Krautgasser aaO Rz 12; Gitschthaler aaO; 10 ObS 18/96; 9 Ob 82/97t). Auch zur Klärung dieser Frage kann das Abwarten des Verfahrens über eine Sachwalterbestellung (nun Erwachsenenvertretung) zweckmäßig sein. Ungeachtet dessen, dass ein – allenfalls notwendiger Sachverständiger – auf den dort gewonnenen Ergebnissen aufbauen und sie berücksichtigen könnte, kann ein bestellter Erwachsenenvertreter bisherige Verfahrensschritte (ohne dass damit etwa schon die Frage der [materiellen] Wirksamkeit des fraglichen Rechtsgeschäfts geklärt wäre) genehmigen. Benötigt eine hochbetagte Partei hingegen (aktuell) keinen Erwachsenenvertreter, wird dies in den meisten Fällen auch ein gewichtiges Indiz für die (nicht in die Beurteilungskompetenz des mit einer Erwachsenenvertretung befassten Gerichts fallende) Frage der Fähigkeit der Vollmachtserteilung in der Vergangenheit sein, kann doch davon ausgegangen werden, dass sich mit zunehmendem Alter der Zustand weit häufiger verschlechtert als er sich verbessert. Zudem könnte aber die Partei selbst – soweit man nicht ohnehin von einer Wirksamkeit der Vollmachtserteilung, sondern davon, dass dies nach wie vor fraglich sei, ausginge – die Vollmachtserteilung nun genehmigen. Ein weiterer Verfahrensaufwand entfiele auch dann.

3.3. Die Vorgangsweise, iSd § 6a ZPO vorzugehen und das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 190 Abs 1 ZPO zu unterbrechen, wurde vor dem AußStrG 2005 auch im Außerstreitverfahren gewählt (3 Ob 84/99w = RIS‑Justiz RS0037720 [T5] = RS0005727 [T1] mit ausführlichen Nachweisen). Mit dem AußStrG 2005 wurde im Außerstreitverfahren sowohl eine Bestimmung über die Unterbrechung des Verfahrens (§ 25 AußStrG) wie auch eine zum Mangel der Verfahrensfähigkeit geschaffen (§ 5 AußStrG). Nach den Materialien (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP  12) sollte auch im Verfahren außer Streitsachen die Möglichkeit einer Unterbrechung des Verfahrens vorgesehen werden, wobei sich die Gründe dafür weitgehend an den Unterbrechungsgründen der Zivilprozessordnung orientieren. Zu § 5 AußStrG wurde ausdrücklich erläutert, dass Mängel der Verfahrensfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung und einer allenfalls erforderlichen besonderen Ermächtigung zur Prozessführung ebenso wie im Zivilprozess von Amts wegen wahrgenommen und dem Vorbild der §§ 6, 6a und 7 ZPO folgend deren Behebung – sofern möglich – versucht werden solle. Da ein „Unterbrechungsbeschluss“ im Sinne des § 6a ZPO (nach der in den Erläuternden Bemerkungen zitierten Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zu 43 R 176/91 = WR 484) keinerlei Einfluss auf den Fristenlauf habe, solle dies zumindest für das Verfahren außer Streitsachen in einer Weise geändert werden, die sinngemäß den Fällen entspreche, in denen Verfahrenshilfe unter Beigabe eines Rechtsanwalts beantragt werde (§ 73 Abs 2 ZPO). Die Interessenslage sei nämlich in beiden Fällen weitestgehend gleich (ErläutRV aaO 25). Auch § 25 Abs 2 AußStrG wurde als eine im Wesentlichen der Bestimmungen der §§ 190 bzw 191 ZPO nachgebildete Vorschrift angesehen (so die Materialien [ErläutRV aaO 37]). Es kann daher im vorliegenden Fall entgegen der zu 1 Ob 236/08z vertretenen Auffassung – dort wurde ausgesprochen, dass zwar eine förmliche Unterbrechung nicht in Betracht komme, vor Klärung der Frage der Verfahrensfähigkeit aber weitere Verfahrensschritte nicht möglich seien – § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG (vergleichbar zur Vorgehensweise einer sinngemäßen Anwendung von § 190 Abs 1 ZPO im Zivilprozess) für eine beschlussmäßige Unterbrechung des Verfahrens herangezogen werden (so auch Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 25 Rz 14). Inwieweit eine solche förmliche Unterbrechung nach § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG für die Antragsteller nachteilig und unzweckmäßig sein könnte, wenn doch das Verfahren nach rechtskräftiger Entscheidung im Verfahren 26 P 21/18b ohnehin von Amts wegen fortgesetzt werden wird und auf die Bewilligung der Adoption erst nach Klärung der Wirksamkeit der Vollmacht des Rechtsvertreters oder einer Genehmigung des Verfahrens eingegangen werden kann, legen sie nicht dar.

4. Für ein erfolgloses Rechtsmittel steht schon grundsätzlich Kostenersatz nicht zu; vor allem mangelt es an der für einen Kostenersatzanspruch nach § 78 AußStrG notwendigen Voraussetzung einer kontradiktorischen Verfahrenssituation und einem potentiell Ersatzpflichtigen.

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