European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00128.18V.0831.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Das klagende Flugrettungsunternehmen mit Sitz in Tirol begehrt vom Beklagten mit Wohnsitz in Italien die Zahlung von 6.094,65 EUR für einen Transport mit dem Hubschrauber vom Stubaier Gletscher in das nächstgelegene Krankenhaus. Die Klägerin stützt sich dabei in erster Linie auf einen zwischen den Streitparteien zumindest konkludent abgeschlossenen Beförderungsvertrag, subsidiär auf Geschäftsführung ohne Auftrag. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich aus Art 7 Nr 1 EuGVVO. Der Beklagte erhob die Einrede der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit.
Das Erstgericht verwarf die Unzuständigkeitseinrede.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahingehend ab, dass es die Klage hinsichtlich des Rechtsgrundes der Geschäftsführung ohne Auftrag mangels internationaler Zuständigkeit zurückwies; im Übrigen verwarf es – insoweit in Übereinstimmung mit dem Erstgericht – die Einrede der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es bestehe keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage, inwieweit die internationale Unzuständigkeit eines Gerichts auch nur im Bezug auf eine von mehreren in einer Klage geltend gemachten Anspruchsgrundlagen ausgesprochen werden kann.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
1.1. Hat das Rekursgericht den angefochtenen erstrichterlichen Beschluss zur Gänze bestätigt, ist jeglicher Revisionsrekurs bereits nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Ausnahmefall dieser Gesetzesstelle (nämlich Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen) nicht vorliegt (RIS-Justiz RS0112314 [T1]). Von der Unanfechtbarkeit nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ausgenommene Beschlüsse sind jene, „durch die der Rechtsschutzanspruch überhaupt verneint wird“. Für Konformatbeschlüsse ist nur bei definitiver Versagung des Rechtsschutzes, also der Verweigerung des Zugangs zu Gericht, die Anfechtung vorgesehen (vgl RIS-Justiz RS0044487 [T15]; RS0044536; RS0099940). Bestätigende Beschlüsse des Rekursgerichts, mit denen die Einrede der Unzuständigkeit verworfen werden, sind hingegen unanfechtbar (RIS-Justiz RS0044084 [T2, T3]; siehe etwa 4 Ob 4/12k). Der Rechtsmittelausschluss kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Gemeinschaftsrechts abhängt (vgl RIS‑Justiz RS0118305).
1.2. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen die internationale Zuständigkeit, soweit die Ansprüche der Klägerin auf einen Beförderungsvertrag gestützt sind, übereinstimmend bejaht (vgl zu verschiedenen Anspruchsgrundlagen im Sicherungsverfahren RIS-Justiz RS0130925; vgl Zechner in Fasching/Konecny 2 § 528 ZPO Rz 64). Ein Fall des untrennbaren Sachzusammenhangs liegt nicht vor, zumal dem Zuständigkeitsregime der EuGVVO eine Annexzuständigkeit ratione materiae unbekannt ist (RIS‑Justiz RS0128013). Damit steht dem Revisionsrekurs § 528 Abs 2 ZPO entgegen.
2.1. Zudem geht der Revisionsrekurswerber auf die vom Rekursgericht angesprochene Rechtsfrage in seinem Rechtsmittel nicht ein (vgl RIS‑Justiz RS0102059). Er bekämpft ausschließlich die vom Erst‑ und Rekursgericht bejahte internationale Zuständigkeit nach Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012. Das Vorliegen eines Vertrags als einer doppelrelevanten Tatsache sei von der klagenden Partei nicht ausreichend substantiiert worden; die internationale Zuständigkeit könne nicht auf Basis der ungeprüften Klagsbehauptung, sondern nur nach Durchführung eines Beweis‑ oder wenigstens Bescheinigungsverfahrens beurteilt werden.
2.2. Nach völlig herrschender Lehre (vgl nur Mayr in Czernich/Kodek/Mayr , Europäisches Gerichtsstands‑ und Vollstreckungsrecht 4 Art 28 EuGVVO Rz 9 mwN) reicht, wenn die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts von doppelrelevanten Tatsachen abhängt, die sowohl die Begründetheit des Anspruchs als auch die Zuständigkeit betreffen, – ebenso wie nach nationalem Recht ( Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 41 JN Rz 4) – eine Schlüssigkeitsprüfung des klägerischen Vorbringens aus, um nicht die Zuständigkeitsprüfung mit einer weitgehenden Sachprüfung zu überlasten (4 Ob 124/07z SZ 2007/151; RIS‑Justiz RS0116404). Dies ist schon deshalb geboten, weil die Zuständigkeit unabhängig von der erst im Verfahren selbst zu beurteilenden Begründetheit des Anspruchs beurteilt können werden muss.
2.3. Demgemäß hat der EuGH zu Art 5 Nr 3 EuGVVO aF (der Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 entspricht) ausgesprochen, dass das angerufene nationale Gericht im Fall des Bestreitens der Behauptungen des Klägers durch den Beklagten nicht verpflichtet ist, im Stadium der Ermittlung der Zuständigkeit ein Beweisverfahren durchzuführen, aber alle vorliegenden Informationen zu würdigen hat, wozu gegebenenfalls auch die Einwände des Beklagten gehören (EuGH 16. 6. 2016, Universal Music , C‑12/15, EU:C:2016:449, Rn 44 f). Diese Entscheidung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Für die vom Revisionsrekurswerber angestrebte Befassung des Europäischen Gerichtshofs besteht daher kein Raum.
2.4. Diese Auffassung liegt zudem in Wahrheit auch im Interesse des Beklagten, kann er doch, sollten sich die klägerischen Behauptungen als unzutreffend herausstellen, ein klagsabweisendes Sachurteil erreichen, das in der gesamten europäischen Union anerkannt wird. Bei Zugrundelegung der Auffassung des Beklagten könnte in diesem Fall demgegenüber nur ein die Zuständigkeit verneinender Beschluss erfolgen, sodass der Klägerin neuerliche Rechtsdurchsetzungsversuche in anderen Mitgliedstaaten offenstünden.
2.5. Hinweise darauf, dass die Klage missbräuchlich erhoben wurde und die Klagsbehauptungen lediglich vorgeschützt werden, um eine Zuständigkeit in Österreich zu erwirken, liegen nicht vor. Die diesbezüglichen Revisionsrekursausführungen gehen daher ins Leere.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
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