OGH 4Ob124/07z

OGH4Ob124/07z2.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Hon.‑Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D*****S.a.r.l., *****, Luxemburg, vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte OEG in Wien, und 2. I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Lugert und Mag. Hannes Huber, Rechtsanwälte in Melk, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 50.000 EUR), über den Rekurs und die Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Februar 2007, GZ 30 R 53/06v‑30, womit das gegen die erstbeklagte Partei ergangene Teilurteil des Landesgerichts St. Pölten als Handelsgericht vom 12. September 2006, GZ 19 Cg 62/05m‑25, samt dem diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben, die Klage in Ansehung der erstbeklagten Partei zurückgewiesen und das im Verhältnis zur zweitbeklagten Partei ergangene Teilurteil abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:0040OB00124.07Z.1002.000

 

Spruch:

I. Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts über die Zuständigkeitsfrage mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass er folgendermaßen zu lauten hat:

„Die Einrede der erstbeklagten Partei, das von der klagenden Partei angerufene Gericht sei weder 'sachlich' noch 'örtlich' zuständig, wird verworfen."

Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen; diesem wird die Sachentscheidung über die Berufung der erstbeklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Teilurteil des Erstgerichts in Ansehung der zweitbeklagten Partei wiederhergestellt wird.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.489,71 EUR bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 329,34 EUR USt und 513,70 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klägerin ist eine urheberrechtliche Verwertungsgesellschaft. Sie ist berechtigt, die Vergütungsansprüche nach § 42b Abs 1 und 3 Z 1 UrhG („Leerkassettenvergütung") für den Gesamtbereich der Urheber- und Leistungsschutzrechte im Bereich Audio und Video im eigenen Namen wahrzunehmen und insbesondere auch gerichtlich geltend zu machen.

Mit Stufenklage begehrt die Klägerin Auskunft und Rechnungslegung, weiters stellte sie ein noch unbeziffertes Zahlungsbegehren. Die Erstbeklagte sei eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Trägermaterial iSd § 42b Abs 1 UrhG handle. Sie biete über ihre Website unbespieltes Trägermaterial, insbesondere CD- und DVD‑Rohlinge europaweit zum Verkauf an. Die Lieferungen nach Österreich erfolgten unter Umgehung der österreichischen Leerkassettenvergütung. Die Erstbeklagte versende vergütungspflichtiges Trägermaterial auch vom Inland aus. Sie bringe es selbst als Erste gewerbsmäßig und entgeltlich in Österreich in den Verkehr. Sie betreibe mehrere Websites; von diesen erfolge eine automatische Weiterleitung zu Handelsplätzen, auf denen die Erstbeklagte vergütungspflichtiges Trägermaterial auch in Österreich anbiete. Sie bediene sich zur Abwicklung ihrer Inlandsverkäufe auch der Zweitbeklagten, die den Versand in Österreich besorge. Letztere unterhalte ein Lager im Inland und versende das bei der Erstbeklagten bestellte Trägermaterial über die Österreichische Post. Sie bringe im Auftrag der Erstbeklagten Ware im Inland in den Verkehr und sei nicht bloß Spediteur der Kunden der Erstbeklagten. Diese habe Warenkontingente auch noch vor Bestellungen durch bestimmte Kunden in das österreichische Zwischenlager gebracht und die Zweitbeklagte erst nach Bestellungen durch Kunden mit der Versendung beauftragt; dabei habe sie Lieferscheine und Rechnungen zur Verfügung gestellt. Die Beklagten hätten insoweit in bewusstem Zusammenwirken vergütungspflichtiges Trägermaterial im Inland erstmals in den Verkehr gebracht.

Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folge im Verhältnis zur Erstbeklagten vor allem aus Art 6 Z 1 EuGVVO. Die Beklagten bildeten eine materielle Streitgenossenschaft. Zwischen den klageweise geltend gemachten Ansprüchen bestehe eine so enge Beziehung, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheine, um widersprechende Entscheidungen in getrennten Verfahren zu vermeiden. Überdies fungiere die Zweitbeklagte entweder tatsächlich oder nach dem von der Erstbeklagten zu vertretenden Rechtsschein als deren Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung, weshalb auch der Gerichtsstand nach Art 5 Z 5 EuGVVO zum Tragen komme. Schließlich dürfe sich die Klägerin auf Grund eines deliktsähnlichen Sachverhalts auch auf den Wahlgerichtsstand nach Art 5 Z 3 EuGVVO berufen.

Die Erstbeklagte erhob die Einrede der „örtlichen" und „sachlichen" Unzuständigkeit. Sie beantragte im Übrigen Klageabweisung und brachte im Wesentlichen vor: Die Zweitbeklagte fungiere lediglich als Spedition, die im Auftrag der österreichischen Kunden die bei ihr - der Erstbeklagten - bestellte Ware in Luxemburg abhole und liefere. Jene habe von ihr die Ware mit Rechnungen erhalten und die Verpackung und den Transport besorgt. Die Zweitbeklagte sei nicht Händler und daher nicht Adressat des § 42b Abs 1 und 3 UrhG. Da sie keine Entgeltpflicht treffe, mangle es an einer materiellen Streitgenossenschaft. Sie - die Erstbeklagte - selbst unterhalte keine Zweigniederlassung in Österreich, sondern verkaufe ihre Produkte ab Luxemburg. Der jeweilige Kunde habe neben dem Kaufpreis noch die auf der Rechnung gesondert ausgewiesenen Transportkosten zu tragen und erwerbe die Produkte ab ihrem Betriebssitz, womit er bereits Eigentümer der Ware werde. Sie entfalte in Österreich keine Geschäftstätigkeit und bringe ihre Waren lediglich in Luxemburg, demnach nicht auch im Inland in den Verkehr.

Die Zweitbeklagte wendete ein, sie sei von der Erstbeklagten aus Kostengründen ausschließlich mit der Verpackung und Versendung der Bestellungen aus Österreich betraut gewesen. Sie habe von der Erstbeklagten Originalrechnungen erhalten und sie den Kunden übermittelt. Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs habe sie eine Lagerhalle angemietet. Darin habe sie der Erstbeklagten für die von dieser vertriebenen Waren Lagerfläche zur Verfügung gestellt. Die Waren seien im Eigentum der Erstbeklagten verblieben. Ihre eigenen Leistungen für das Verpacken und Versenden der Waren habe sie an die Erstbeklagte nach Stundenaufwand fakturiert. Ende 2004 habe sie ihre Geschäftsbeziehung mit der Erstbeklagten in Ansehung von Trägermaterial beendet. Da sie nur mit der Verpackung und Versendung betraut gewesen sei, könne sie dem Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren der Klägerin gar nicht nachkommen.

Das Erstgericht bejahte mit dem gemeinsam mit dem Teilurteil ausgefertigten Beschluss seine Zuständigkeit. Dem Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren gab es gegen beide Beklagten statt.

Mangels Erledigung der in der Berufung der Erstbeklagten ausgeführten Beweisrüge steht nur gegenüber der Zweitbeklagten folgender Sachverhalt fest:

Die Zweitbeklagte hat ihren Sitz in Niederösterreich. Dort hatte sie 2004 eine Lagerhalle gemietet, die sie „zumindest zum Teil" auch als „Lager" für die Erstbeklagte, eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft, verwendete. Die Erstbeklagte bietet im Rahmen ihrer Internetauftritte Daten‑, Ton- und Schallträgerrohlinge sowie diverses Zubehör wie CD‑Boxen, CD‑Taschen, Kabel und andere Waren für elektronische Geräte, wie etwa Tonerkartuschen, von Luxemburg aus zum Kauf an. Die Zweitbeklagte verpackte Warenlieferungen der Erstbeklagten unter Beifügung der Rechnungen und versendete diese Pakete unter Inanspruchnahme des örtlichen Postamts. Sie nahm von den Kunden der Erstbeklagten Retourware entgegen, überprüfte allfällige Mangelhaftigkeiten und nahm ferner nicht übernommene Warenpakete zurück. Die Erst- und die Zweitbeklagte arbeiteten bis Ende 2004 in der Weise eng zusammen, dass die Zweitbeklagte alle Tätigkeiten ausführte, um die über den in Luxemburg befindlichen Server der Erstbeklagten eingelangten Bestellungen erfolgreich abzuwickeln, wobei die von der Zweitbeklagten verpackten Waren aus dem Lager in Niederösterreich an die Kunden versandt wurden. Es steht nicht fest, dass die Erstbeklagte eine Trennung zwischen leerkassettenvergütungspflichtiger und nicht vergütungspflichtiger Ware vorgenommen und das Lager in Niederösterreich lediglich für nicht vergütungspflichtige Ware benützt habe. Ebenso wenig steht fest, dass die Erstbeklagte (die Waren auf Grund von) Bestellungen über vergütungspflichtiges Trägermaterial mit Hilfe eines vom jeweiligen Kunden beauftragten Frächters von Luxemburg nach Österreich habe befördern lassen und solche Ware auf diese Weise regelmäßig jeweils nach konkreten Bestellungen in das niederösterreichische Lager gelangt wäre, „von wo es (gemeint: das vergütungspflichtige Trägermaterial) dort von der Zweitbeklagten erst konfektioniert" und daraufhin zur Post gebracht worden wäre.

Der Geschäftsführer der Zweitbeklagten hatte bereits vor Gründung der Erstbeklagten mit deren alleinigem Gesellschafter und Geschäftsführer eine Geschäftsbeziehung. Ersterer hatte bereits 2003 als Einzelunternehmer vergütungspflichtiges Trägermaterial in Zusammenarbeit mit Letzterem in Österreich in den Verkehr gebracht.

Das Erstgericht bejahte den Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nach Art 6 Z 1 EuGVVO auf Grund der engen Geschäftsbeziehung der Beklagten. Überdies sei das Warenlager der Zweitbeklagten in Niederösterreich als Niederlassung der Erstbeklagten im Inland nach Art 5 Z 5 EuGVVO anzusehen. Der Versand vergütungspflichtigen Trägermaterials von Niederösterreich an Kunden in Österreich sei ein gewerbsmäßiges entgeltliches Inverkehrbringen durch die Beklagten iSd § 42b UrhG. Die Solidarhaftung der Beklagten folge aus § 89 UrhG. Gemäß § 87a UrhG seien beide Beklagten zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet.

Das Berufungsgericht hob das im Verhältnis zur Erstbeklagten ergangene Teilurteil samt dem diesem vorangegangenen Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit zurück. Das Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte wies es ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt sowohl im Hinblick auf die strittige internationale Zuständigkeit gegenüber der Erstbeklagten als auch zur Frage der Mithaftung eines Logistikunternehmens wie die Zweitbeklagte für die Leerkassettenvergütung als Bürge und Zahler oder auch als „Mittäter/Gehilfe" mangle.

Die von der Klägerin behauptete Solidarhaftung der Zweitbeklagten für die Leerkassettenvergütung wegen des im Inland in den Verkehr gebrachten vergütungspflichtigen Trägermaterials sei schon nach dem Klagevorbringen zu verneinen. Die Zweitbeklagte sei weder als Importeurin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung noch als Zwischen- oder Detailhändlerin aufgetreten. Deshalb scheide ein Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nach Art 6 Z 1 EuGVVO in Österreich für die Erstbeklagte aus. Die Leerkassettenvergütung nach § 42b UrhG sei ein durch das Gesetz geregelter Entgeltanspruch für eine freie Werknutzung. Ihr liege kein Eingriff in Urheberrechte zugrunde, der Voraussetzung für das Bestehen des Gerichtsstands nach Art 5 Z 3 EuGVVO wäre. Insofern sei daher die Zweitbeklagte nicht Mittäter oder Gehilfe der Erstbeklagten beim gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringen von Trägermaterial in Österreich. Jene sei ferner bereits mangels rechtlicher Unselbstständigkeit keine Zweigniederlassung der Erstbeklagten, sodass auch der Gerichtsstand nach Art 5 Z 5 EuGVVO nicht anwendbar sei. Die Klage gegen die Erstbeklagte scheitere daher bereits an der mangelnden internationalen Zustandigkeit eines österreichischen Gerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin gegen die Zurückweisung der wider die Erstbeklagte erhobenen Klage ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig. Zulässig ist aber auch deren Revision. Beide Rechtsmittel sind berechtigt.

I. Zum Rekurs

1. Infolge der Klageeinbringung am 13. 6. 2005 ist die internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO zu beurteilen.

2. Gemäß Art 6 Z 1 EuGVVO kann - wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden - eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch vor dem Gericht, in dessen Bezirk einer der (anderen) Beklagten seinen Wohnsitz hat, geklagt werden. Voraussetzung ist, dass die gegen die einzelnen Beklagten geltend gemachten Ansprüche in einem so engen Sachzusammenhang stehen, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.

2.1. Ein ausreichender Zusammenhang wird etwa dann bejaht, wenn die Klagen im Wesentlichen tatsächlich oder rechtlich gleichartig sind, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch von jener über die anderen abhängt oder wenn alle Ansprüche die Lösung einer gemeinsamen Vorfrage voraussetzen. Allgemein bejaht wird dieser Zusammenhang bei Gesamtschuldnerschaft und Bürgschaft. Ob diese Abhängigkeit besteht, ist vom angerufenen nationalen Gericht im Einzelfall nach der lex causae zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0115274).

2.2. Ist die Frage, ob ein entsprechender Sachzusammenhang zwischen mehreren Beklagten besteht, selbst Hauptgegenstand des Verfahrens (sogenannte „doppelrelevante Tatsache"), so reicht es für eine Bejahung der internationalen Zuständigkeit aus, dass das Klagevorbringen insofern schlüssig ist. Ob der geforderte materiellrechtliche Zusammenhang tatsächlich vorliegt, wird dann im Hauptverfahren geklärt, um nicht die Entscheidung in der Zuständigkeitsfrage mit einer zu weit gehenden Sachprüfung zu belasten (5 Ob 312/01w = ZfRV‑LS 2002/37; 4 Ob 298/02f = ZfRV‑LS 2003/45 mwN; RIS‑Justiz RS0116404).

2.3. Die Klägerin brachte zur Begründung ihres gegen beide Beklagten gerichteten Auskunfts‑, Rechnungslegungs- und Zahlungsbegehrens vor, die Erstbeklagte bediene sich zur Abwicklung ihrer Inlandsverkäufe entgeltlich auch der Zweitbeklagten, indem der Versand in Österreich durch diese besorgt werde. Die Zweitbeklagte unterhalte an der Absenderadresse ein Lager und versende bei der Erstbeklagten bestelltes Trägermaterial über die Österreichische Post. Jene bringe daher die maßgebende Ware im Auftrag der Erstbeklagten im Inland in Verkehr und sei infolgedessen nicht Spediteur der Kunden. Die Beklagten hätten gemeinsam Trägermaterial auf eine für das Entstehen des Anspruchs auf Leerkassettenvergütung relevante Weise im Inland erstmals in den Verkehr gebracht, woraus sich deren Solidarhaftung für die Zahlung der Leerkassettenvergütung ergebe. Im Hinblick auf das bewusste Zusammenwirken der Beklagten liege die geforderte enge Beziehung auch dann vor, wenn die Zweitbeklagte tatsächlich nur als Lagerhalter, Transporteur und „Logistikunternehmen" tätig wäre.

2.4. Das soeben referierte Vorbringen der Klägerin ist als Grundlage für den ins Treffen geführten Sachzusammenhang der eingeklagten Ansprüche schlüssig. Behauptet wird ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Beklagten beim Inverkehrbringen vergütungspflichtigen Trägermaterials in Österreich, was in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gleichartige Ansprüche gemäß § 42b UrhG nach sich zieht, selbst wenn die eine Solidarhaftung mehrerer Verpflichteter begründende Vorschrift des § 89 UrhG mangels Anführung der angemessenen Vergütung nach § 42b Abs 1 UrhG nicht anwendbar wäre.

2.5. Darüber hinaus legen Wortlaut und Zweck des § 42b Abs 3 Z 1 UrhG nahe, dass das als Voraussetzung für die Zahlungspflicht normierte gewerbsmäßige entgeltliche Inverkehrbringen - etwa neben Handlungen auf Grund von Rechtsgeschäften zwischen Händlern und deren inländischen Kunden (Händler veräußert an Kunden, das Entgelt für das Trägermaterial fließt vom Kunden an den Händler) - jedenfalls auch gewerbsmäßige entgeltliche Handlungen im Dienste des Inverkehrbringens von Trägermaterial aus dem Ausland im Inland an Endabnehmer erfasst, für deren Erbringung sich der Händler (Verkäufer) eines von ihm entlohnten inländischen Vertriebspartners bedient. Andernfalls wäre allzu leicht eine dem Zeck des § 42b UrhG (dazu 4 Ob 115/05y = SZ 2005/99; 4 Ob 19/94; vgl ferner 4 Ob 174/06a) widersprechende Gesetzesumgehung möglich. Das illustriert gerade dieser Fall, bei dem sich ein ausländischer Händler für die von ihm bei der Abwicklung von Kaufgeschäften im Inland gewöhnlich zu bewirkenden Handlungen eines inländischen Vertriebspartners bedient, der zwar in keine Vertragsbeziehung zu den inländischen Käufern tritt, jedoch im Inland die für die Erfüllung der Rechtsgeschäfte notwendigen Vertriebshandlungen im Interesse des Verkäufers durchführt. Darin ist, wie auch die Zweitbeklagte erkennt, ein Verschaffen der tatsächlichen Verfügungsmacht über das Trägermaterial in der Vertriebskette zu erblicken (vgl insofern zu § 16 Abs 1 UrhG: RIS‑Justiz RS0076899).

Diese Erwägungen sind wie folgt zusammenzufassen:

Das als Voraussetzung für eine Zahlungspflicht nach § 42b Abs 3 Z 1 UrhG normierte gewerbsmäßige entgeltliche Inverkehrbringen erfasst - etwa neben Handlungen auf Grund von Rechtsgeschäften zwischen Händlern und deren inländischen Kunden - jedenfalls auch gewerbsmäßige entgeltliche Handlungen im Dienste des Inverkehrbringens von Trägermaterial aus dem Ausland im Inland an Endabnehmer, für deren Erbringung sich der Händler (Verkäufer) eines von ihm entlohnten inländischen Vertriebspartners bedient.

2.6. Bereits vor dem Hintergrund der soeben erläuterten Gesetzesauslegung ist die Erfordernis des Sachzusammenhangs für eine Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts gegen beide Beklagte - hier des angerufenen, auch örtlich und sachlich zuständigen Erstgerichts - nach Art 6 Z 1 EuGVVO erfüllt. Außerdem ist, wie tieferstehend unter II. zu begründen sein wird, auch eine Haftung der Zweitbeklagten wie ein Bürge und Zahler nach § 42b Abs 3 Z 1 UrhG zu bejahen, was den erörterten Sachzusammenhang weiter untermauert. Einer Prüfung, ob eine internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit auch auf Art 5 Z 3 oder 5 EuGVVO gestützt werden könnte, bedarf es nicht mehr. Die Entscheidung, mit der das Erstgericht seine Zuständigkeit bejahte ist somit mit der aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen. Als Folge dessen hat die zweite Instanz die Berufung der Erstbeklagten meritorisch zu erledigen.

2.7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Ein selbstständiger Zwischenstreit über die Einrede der Unzuständigkeit der Erstbeklagten liegt - anders als etwa in dem der Entscheidung 4 Ob 298/02f zugrunde liegenden Fall - nicht vor, weil über diese Einrede in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt und entschieden wurde.

II. Zur Revision

1. Gemäß § 42b Abs 3 Z 1 UrhG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der UrhG‑Nov 2005) hat derjenige die Leerkassettenvergütung zu leisten, der das Trägermaterial ... im Inland als Erster gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr bringt; wer das Trägermaterial ... im Inland gewerbsmäßig entgeltlich, jedoch nicht als Erster in den Verkehr bringt oder feil hält, haftet wie ein Bürge und Zahler.

1.1. Das Gesetz definiert nicht, was unter gewerbsmäßig entgeltlichem Inverkehrbringen zu verstehen ist. Der Regelfall ist der Verkauf von Trägermaterial durch einen Händler, sei es an einen anderen Händler oder an den Letztverbraucher. Der erkennende Senat vermag allerdings nicht der Ansicht des Berufungsgerichts beizutreten, dass die Haftung für die Leistung der Leerkassettenvergütung auf im eigenen Namen und auf eigene Rechnung agierende Händler beschränkt sei. Der erörterte Wortlaut der Bestimmung umfasst auch ein gewerbsmäßiges (und damit in aller Regel entgeltliches) Handeln im fremden Namen, so etwa - wie im vorliegenden Fall - als Erfüllungsgehilfe eines anderen.

1.2. Auch die Zweitbeklagte handelte nach dem maßgebenden Sachverhalt gewerbsmäßig entgeltlich, hatte sie doch als inländische Vertriebspartnerin der Erstbeklagten eine Lagerhalle auch zur Förderung deren geschäftlichen Interessen gemietet und für diese Dienstleistungen im Inlandsvertrieb des Trägermaterials erbracht. Zwar wurde nicht festgestellt, dass die Erstbeklagte der Zweitbeklagten für die „Logistikleistungen" ein regelmäßiges Entgelt zahlte, einer solchen Feststellung bedurfte es indes gar nicht, weil die Zweitbeklagte - von den anderen Parteien unwidersprochen - selbst behauptete, ihre Leistungen für die Erstbeklagte seien „monatlich nach Stundenaufwand" fakturiert worden (ON 6 S. 3). Die Zweitbeklagte handelte daher zur Erzielung laufender Einnahmen gewerbsmäßig entgeltlich. Logische Folge der unter I.2.5. und II.1.1. erläuterten Rechtslage ist, dass die Zweitbeklagte für die Leistung der Leerkassettenvergütung nach § 42b Abs 3 Z 1 UrhG wie ein Bürge und Zahler haftet, ist sie doch jemand, der am ersten Inverkehrbringen des importierten Trägermaterials im Inland im Sinn des Gesetzes mitwirkte. Sie ist in dieser Rolle jenem gleichzuhalten, der das Trägermaterial nicht als erster gewerbsmäßig entgeltlich im Inland in den Verkehr bringt, nützt sie doch die ihr vom Verkäufer eingeräumte tatsächliche Verfügungsmacht über die Ware als dessen inländische Vertriebspartnerin dazu, das Trägermaterial im Inland an Endverbraucher abzusetzen. Dass das Entgelt der Zweitbeklagten unmittelbar nicht vom Endabnehmer, sondern von der Erstbeklagten geleistet wurde, steht der Zahlungspflicht ‑ wie bereits erörtert - nicht entgegen.

1.3. Zusammenfassend ist daher festzuhalten:

Nicht nur der Händler, der als erster gewerbsmäßig entgeltlich vergütungspflichtiges Trägermaterial im Inland in den Verkehr bringt, hat die Leerkassettenvergütung nach § 42b Abs 3 Z 1 UrhG zu zahlen, sondern es trifft die Leistungspflicht wie als Bürge und Zahler jede weitere gewerbsmäßig entgeltlich handelnde Person, die am ersten Inverkehrbringen als Vertriebspartner des Verkäufers des Trägermaterials mitwirkt. Dabei ist nicht von Belang, wer das Entgelt für eine solche Mitwirkung unmittelbar zahlt.

1.4. Da sich das von der Klägerin gegen die Zweitbeklagte erhobene Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren nach § 42b Abs 1 und 3 UrhG iVm § 87a Abs 1 und 2 UrhG auf dem Boden der voranstehend erläuterten Rechtslage als berechtigt erweist, ist das klagestattgebende Teilurteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

2. Die Entscheidung über die der Klägerin anteilig zuzuerkennenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO; für den Zuspruch der verzeichneten 10 %igen „Verbindungsgebühr" mangelt es an einer gesetzlichen Grundlage.

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