European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00075.18W.0725.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Edmond N***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall (I./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – in Wien vorschriftswidrig Suchtgift,
I./ und zwar Heroin, beinhaltend ua den Wirkstoff „Heroin/Diacetylmorphin mit zumindest 5,29 % Reinheitsgehalt“, sowie Kokain, beinhaltend den Wirkstoff Cocain mit zumindest 13,66 % Reinheitsgehalt, in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in wiederholten Angriffen anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar
A./ Thomas H***** zwischen Oktober 2014 und Februar 2015 insgesamt zirka 50 Gramm Heroin;
B./ Johann G***** zwischen Jänner 2015 und Ende März 2015 insgesamt 8 Gramm Kokain und 0,2 Gramm Heroin;
C./ Michael B***** zwischen September 2015 und 28. Juli 2017 etwa 140 Gramm Heroin und 0,5 Gramm Kokain;
D./ Tanja K***** zwischen Jänner 2016 und 28. Juli 2017 insgesamt zumindest 32 Gramm Heroin;
E./ Nur W***** zwischen Oktober 2014 und 28. Juli 2017 etwa 40 bis 45 Gramm Heroin;
F./ Mag. Andreas S***** von Ende November 2012 bis Anfang November 2014 und von Anfang März 2015 bis 28. Juli 2017 zumindest 100 Gramm Heroin und 20 Gramm Kokain;
G./ Noor R***** von Juli 2015 bis 28. Juli 2017 zirka 200 bis 250 Gramm Heroin;
H./ Edgar G***** von August 2014 bis 28. Juli 2017 zirka 70 Gramm Heroin.
II./ ...
Hingegen wurde Edmond N***** vom Vorwurf freigesprochen (vgl RIS-Justiz RS0117261), er habe darüber hinaus in den zu I./ jeweils angeführten Zeiträumen dort genannten Abnehmern weiteres Suchtgift überlassen, und zwar Thomas H***** 10 Gramm Heroin (A./), Michael B***** 70 Gramm Heroin (C./), Tanja K***** 178 Gramm Heroin (D./), Nur W***** 466 Gramm Heroin (E./), Mag. Andreas S***** 160 Gramm Heroin und 6 Gramm Kokain (F./), Noor R***** 330 Gramm Heroin (G./) und Edgar G***** 17 Gramm Heroin (H./).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die zu I./ auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG abzielt.
Das Erstgericht hielt im Rahmen seiner Beweiswürdigung zunächst „grundsätzlich“ fest (US 7), dass nach der Gerichtserfahrung Suchtgiftabhängige durch den Konsum dieser Substanzen in ihrer Gedächtnisleistung manchmal erheblich beeinträchtigt seien und die Kriminalpolizei bei der Niederschrift von Zeugenangaben mitunter zu einer ungünstigen Auslegung der Aussagen von Suchtgiftabnehmern tendiere.
Fallbezogen sah es derartige „Probleme mit dem Erinnerungsvermögen“ insbesondere bei Michael B***** (I./C./; US 8), Mag. Andreas S***** (I./F./; US 9) und Noor R***** (I./G./; US 9 f) als gegeben an. Zu Zweifeln an der seitens der Kriminalpolizei auf Grund von Angaben der Zeugen Tanja K***** (I./D./; US 7 f) und Nur W***** (I./E./; US 8 f) angestellten Hochrechnung der angekauften Heroinquanten gelangte das Schöffengericht primär durch eine Gegenüberstellung des dafür erforderlichen Aufwands mit diesen Zeugen monatlich – sohin unabhängig vom Gesamtzeitraum – zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln.
Solcherart versagten die Tatrichter – den Grundsätzen der Logik folgend und dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) Rechnung tragend – den Aussagen der Abnehmer zur Häufigkeit ihrer Suchtgiftankäufe und der dabei jeweils verhandelten Menge die volle Verlässlichkeit, sodass sie– dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider – nicht gehalten waren, auf jedes Detail dieser Depositionen sowie darauf bezogene Verfahrensergebnisse einzugehen (RIS-Justiz RS0098642, RS0098377).
Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist auch nicht zu beanstanden, dass zu I./C./ die laut der Anklage an B***** überlassenen Mengen an Hand einer vom Zeugen angegebenen (einzigen) Kontaktnummer und dem Zeitpunkt deren Aktivierung eingegrenzt wurden (US 8).
Da die auf Basis von „rund 160 Käufen zu je 0,9 Gramm“ festgestellte Gesamtmenge von 144 Gramm Heroin (US 8; I./C./) und die Konstatierung, der Angeklagte habe B***** „etwa 140 Gramm“ Heroin verkauft (US 6), nach den Denkgesetzen nebeneinander bestehen können, besteht auch kein Widerspruch zwischen diesen Urteilsannahmen (Z 5 dritter Fall).
Zu I./D./ reduzierten die Tatrichter auf Grund der Einlassung des Angeklagten und der Diskrepanzen innerhalb der Aussage der Zeugin K***** die von der Anklage inkriminierte Suchtgiftmenge erkennbar um das Sechs- bis Siebenfache (32 Gramm anstatt 210 Gramm), weil sie aus – an Hand des verfügbaren Einkommens angestellten – Plausibilitätserwägungen nicht von sechs bis sieben, sondern nur von einem Ankauf pro Woche ausgingen (US 7 f iVm ON 14 S 117). Der Beschwerdebehauptung (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurden die Angaben der Zeugin K***** zur von ihr angekauften Gesamtmenge durchaus erwogen, allerdings nicht im von der Staatsanwaltschaft angestrebten Sinn verwertet.
Zu I./E./ gelangte das Schöffengericht an Hand der Angaben des Angeklagten, der in der Hauptverhandlung abgeschwächten Belastung durch den Zeugen W***** und mittels Erwägungen zur Finanzierbarkeit der von der Kriminalpolizei hochgerechneten Mengen zur Überzeugung, dass der Angeklagte im inkriminierten Tatzeitraum bloß 40 bis 45 Gramm Heroin anstatt 511 Gramm verkaufte (US 7 ff). Entgegen der Beschwerdekritik (Z 5 zweiter Fall) wurden dabei die Depositionen des Zeugen vor der Polizei ebenso berücksichtigt wie jene in der Hauptverhandlung (US 8 f).
Da sich die Urteilserwägungen jeweils auf die Verifizierung der pro Abnehmer inkriminierten Suchtgiftmengen beziehen, ist auch kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall; RIS-Justiz RS0119089) darin zu erblicken, dass die Feststellungen zur insgesamt an W***** (I./E./) überlassenen Menge zwar den (gesamten) in der Anklage genannten Tatzeitraum betreffen (US 6), die dazu angestellten Überlegungen aber auf eine Zurücknahme der ursprünglichen Belastung durch W***** „auf nur wenige Monate Ankauf“ Bezug nehmen (US 8). Auf jedes Detail der Depositionen dieses Zeugen musste das Schöffengericht nicht gesondert eingehen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Ebensowenig war in diesem Zusammenhang erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall), dass der Angeklagte den Zeugen erst seit September 2016 zu kennen glaubte.
Im Hinblick auf das oben Gesagte besteht auch zu I./F./ kein eine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0117264) betreffender Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den Feststellungen, wonach der Angeklagte (generell) seit Oktober 2014 Heroin verkaufte, Mag. S***** von ihm aber (schon) ab Anfang November 2012 Heroin und Kokain bezog (US 6).
Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sind Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS‑Justiz RS0099547).
Da sich das Urteil zu I./F./ im Gesamtkontext erkennbar auf weitere, in der polizeilichen Niederschrift noch nicht genannte, sondern erst in der Hauptverhandlung thematisierte Ankaufspausen bezieht (US 9 iVm ON 65 AS 9, 13 f iVm ON 31 AS 35 f), liegt ein Fehlzitat im von der Beschwerde behaupteten Sinn (Z 5 fünfter Fall) nicht vor. Aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter scheiden als Anfechtungsbasis aus (RIS-Justiz RS0099431).
Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) sind die mit dem Hinweis auf problematisches Erinnerungsvermögen, auf fragwürdige Durchschnittsrechnungen und auf weitere Ankaufspausen getroffenen Annahmen zu den an Mag. S***** verkauften Mindestmengen an Heroin und Kokain (US 3, 9) nicht zu beanstanden. Ebensowenig blieb in diesem Zusammenhang undeutlich (Z 5 erster Fall; RIS-Justiz RS0117995), aus welchen Gründen sich die Tatrichter – im Zweifel – nicht veranlasst sahen, über diese Mindestmengen hinausgehende Feststellungen zu treffen.
Die Aussagen des Noor R***** erachtete das Schöffengericht auf Grund darin georteter Widersprüche und Unsicherheiten als unzuverlässig, sodass es zu I./G./– erkennbar im Zweifel – bloß eine Menge von 200 bis 250 Gramm anstatt der in der Anklage genannten 580 Gramm für ausreichend wahrscheinlich hielt (US 6, 9 f). Der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider musste das Gericht auch in diesem Zusammenhang nicht auf jedes Detail der Aussage des Genannten eingehen (RIS-Justiz RS0098377).
Eine Urteilsbegründung muss zudem nicht auf logisch zwingenden Ableitungen beruhen. Auch in freier Beweiswürdigung gezogene Wahrscheinlichkeitsschlüsse sind zur Begründung von Tatsachenfeststellungen geeignet, sofern der solcherart getroffenen Konstatierung die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit der „wahrscheinlichen“ Tatsache im Sinn des § 258 Abs 2 StPO zugrunde liegt (RIS‑Justiz RS0098471). Demnach ist der Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO dann gegeben, wenn aus den vom Gericht ermittelten Prämissen nach den Denkgesetzen die von ihm gefolgerten Schlüsse überhaupt nicht abgeleitet werden können, das Urteil sohin mit logischen Fehlern behaftet ist, wovon hier keine Rede sein kann.
Insgesamt versucht die Mängelrüge zum überwiegenden Teil bloß, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zum Ausmaß der jeweils tatverfangenen Suchtgiftmengen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung anzugreifen.
Da – wie die Rechtsmittelwerberin selbst zugesteht – nur bei (weitgehendem) Erfolg des bisher abgehandelten Beschwerdevorbringens die weiteren – in Bezug auf Feststellungen zum Reinheitsgehalt und zur Summierung der inkriminierten Suchtgiftmengen – behaupteten Begründungsmängel überhaupt Auswirkungen auf die Subsumtionsfrage haben können, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erstattete Vorbringen (RIS‑Justiz RS0117264).
Dass sich das Unterbleiben von Feststellungen zum Acetylcodeingehalt des „Heroins“ nach den dafür vorhandenen Indizien (ON 35) – für sich gesehen – nicht auf die Subsumtion zu I./ auswirkt, räumt die insoweit einen Feststellungsmangel (RIS-Justiz RS0118580) reklamierende Subsumtionsrüge (Z 10) selbst ein. Weshalb dem Erstgericht bei der Berücksichtigung eines Monoacetylmorphingehalts von 0,5 % (bloß) in den Entscheidungsgründen (vgl US 2, 10, 12) zu I./ ein die rechtliche Unterstellung unter § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG betreffender Fehler unterlaufen sein soll, lässt sie überhaupt offen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Eine Kostenentscheidung für das bisherige Rechtsmittelverfahren hatte zu entfallen, weil (jedenfalls) die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erfolglos geblieben ist (§ 390a Abs 1 erster Satz StPO).
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