OGH 7Ob114/18t

OGH7Ob114/18t4.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** H*****, vertreten durch Dr. Matthias Lüth und Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Mag. Julian Korisek MBA, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.768,67 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2018, GZ 2 R 110/17m‑84, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Mai 2017, GZ 12 Cg 55/12a‑80, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00114.18T.0704.000

 

Spruch:

I.  Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „U***** AG“ richtiggestellt.

II.  Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Zu I.:

Die Beklagte (FN *****) wurde gemäß Verschmelzungsvertrag vom 6. 9. 2016 (samt Berichtigung vom 29. 9. 2016) und Hauptversammlungsbeschlüssen jeweils vom 6. 9. 2016 mit der „U***** AG“ (FN *****) als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Dies war gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

 

Zu II.:

Der Rechtsvorgänger der Klägerin – der *****1932 geborene und im Laufe des Verfahrens am ***** 2015 verstorbene S***** V***** (in der Folge: „Versicherungsnehmer“) – schloss im Jahr 2009, im Alter von 77 Jahren, mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, eine „ Klassische Lebensversicherung – Meine Privatpension. Pensionsversicherung nach Tarif RV661 “. Darin verpflichtete sich der Versicherer gegen Zahlung einer Einmalprämie von 155.000 EUR zur Zahlung einer monatlichen Pension (12 x pro Jahr) ab 31. 7. 2009 längstens bis zum 1. 7. 2019.

Die Bedürfnisse und Veranlagungswünsche des Versicherungsnehmers, insbesondere zu Veranlagungsdauer bzw Verfügbarkeit für ihn selbst oder für seine Erben, monatlicher Auszahlungshöhe und Zinsenhöhe sowie zu mit dem Versicherungsprodukt verbundenen Kosten und Steuern können nicht festgestellt werden. Die „fernere Lebenserwartung“ lag laut Sterbetafel für das Jahr 2009 für einen Mann im Alter von 77 Jahren bei 9,33 Jahren.

Der – über Beratung eines Mitarbeiters der örtlichen Filiale einer der Beklagten konzernverbundenen Bank erstellte – Versicherungsantrag vom 9. 7. 2009 lautete auszugsweise wie folgt:

[...]

Unsere Leistung

Pension ab 31. 07. 2009

Grundpension, 12 mal pro Jahr

solange die versicherte Person lebt,

längstens bis zum 01. 07. 2019 (Begrenzungsdauer 10 Jahre).

Bei Ableben der versicherten Person nach Pensionsbeginn wird das nicht verbrauchte Kapital an den (die) Bezugsberechtigte(n) rückerstattet.

1.366,32

Die Bonuspension ist eine vorgezogene Gewinnbeteiligung aus der künftigen Pensionszahlung und kann die Grundpension ab Beginn erhöhen.

Die Pension erhöht sich jährlich durch die Gewinnbeteiligung.

  

 

Jahresgrundpension

16.395,87

  

[…]

Bezugsrecht im Erlebensfall

der Versicherungsnehmer

 

Bezugsrecht im Ablebensfall

die Erben

 

[…]

Ihre Prämie (inkl. 4,00 % Versicherungssteuer)

Lebensversicherung (RV661)

155.000,00

Einmalige Gesamtprämie

155.000,00

Zu zahlende Prämie

155.000,00

  

[…]

Hinweise zum Antrag

[…]

• Die angegebene garantierte Pensionsablöse enthält einen Garantiezins von 2,25 %.

• Die für Ihre Lebensversicherung anfallende Prämie enthält neben der Versicherungssteuer Prämienanteile für die Deckung der Abschluss- und Verwaltungskosten.

• Die Abschlusskosten betragen 4 % der fällig werdenden Einmalprämie ohne Versicherungssteuer.

• Für den Zeitraum der Pensionszahlung werden jährlich 1 % der versicherten Jahresgrundpension an Verwaltungskosten veranschlagt.

[...]

 

 

In der dem Versicherungsnehmer in der Folge übermittelten Polizze vom 17. 7. 2009 heißt es auszugsweise:

[...]

Unsere Leistung

Pension ab 31. 07. 2009, jeweils zum Monatsende, jedes Monat

Gesamtpension *)

Bestehend aus

Garantierte Grundpension,

Bonuspension *)

solange die versicherte Person lebt,

längstens bis zum 01. 07. 2019 (Begrenzungsdauer).

1.505,43

 

1.366,32

139,11

*) Die Bonuspension ist eine vorgezogene Gewinnbeteiligung aus der künftigen Pensionszahlung und kann die Grundpension ab Beginn erhöhen.

Bei Auszahlung der Pension erhöht sich diese jährlich durch die Gewinnbeteiligung.

  

Unsere Leistung

Bei Ableben der versicherten Pension nach dem 01.07.2009 und vor dem 01. 07. 2018

Kapitalisierter Wert der Gesamtpension zum Pensionszahlungsbeginn abzüglich der bis zum Ablebenszeitpunkt geleisteten Pensionszahlungen (ohne Berücksichtigung der aus der Gewinnbeteiligung stammenden Steigerungen der Pensionszahlungen) an den (die) Bezugsberechtigte(n).

Bei Ableben der versicherten Person nach dem 01. 07. 2018

Erlischt die Verpflichtung zur Zahlung weiterer Pensionsleistungen.

 

Bezugsrecht im Erlebensfall

der Versicherungsnehmer

 

Bezugsrecht im Ablebensfall

Vor dem 01. 07. 2018

die Erben

 

Ihre Einmalprämie (inkl. 4 % Versicherungssteuer)

Zum 01. 07. 2009

155.000,00

  

[…]

Vertragsgrundlagen

• Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Antrag, dieser Versicherungspolizze, den Versicherungsbedingungen und dem Versicherungsvertragsgesetz.

[…]

• Die für Ihre Lebensversicherung anfallende Prämie enthält neben der Versicherungssteuer Prämienanteile für die Deckung der Abschluss- und Verwaltungskosten.

• Die Abschlusskosten betragen einmalig 4 % der fällig werdenden Einmalprämie ohne Versicherungssteuer.

• An Verwaltungskosten fallen für den Zeitraum der Pensionszahlung jährlich 1 % der versicherten Jahresgrundpension an.

[...]

 

[…]

Weder hat die Beklagte auf Abweichungen der Polizze vom Antrag aufmerksam gemacht noch wurden die Abweichungen in der Polizze hervorgehoben.

Der Versicherungsnehmer erhielt im Zeitraum Juli/August 2009 bis Mai 2015 monatlich zwischen 1.435,74 EUR und – im ersten Jahr – 1.505,43 EUR an Pension ausgezahlt, insgesamt 103.182,42 EUR inklusive (bzw 103.031,47 EUR exklusive) Steigerung aus der Gewinnbeteiligung; nach dem Tod des Versicherungsnehmers leistete die Beklagte am 22. 9. 2015 eine Restzahlung von 40.045,38 EUR an dessen Verlassenschaft. Insgesamt zahlte die Beklagte 143.227,80 EUR aus. Insgesamt, unter Berücksichtigung der Einzahlung der Einmalprämie von 155.000 EUR und von 103.182,42 EUR an monatlichen Auszahlungen inklusive Gewinnbeteiligung und 40.045,38 EUR an Ablebensleistung, zahlte die Beklagte um 11.772,20 EUR weniger aus als sie einnahm. Von der Einmalprämie von 155.000 EUR wurden die Versicherungssteuer und die Abschlusskosten von je 5.961,54 EUR abgezogen.

Die Klägerin begehrte 11.768,67 EUR sA und berief sich – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – auf die in der Polizze als kapitalisierter Wert der Gesamtpension zum Pensionszahlungsbeginn festgelegte Ablebensleistung, die sich wie folgt errechne: Von den summierten Pensionszahlungen in Höhe von 180.651,60 EUR (= 1.505,43 EUR x 120) seien die bis zum Ablebenszeitpunkt geleisteten Pensionszahlungen von 103.182,42 EUR abzuziehen. Vermindert um die tatsächlich ausgezahlte Ablebensleistung von 40.045,38 EUR verbleibe jedenfalls ein Betrag, der den Klagsbetrag übersteige.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie habe antragsgemäß polizziert und vereinbarungsgemäß 40.045,38 EUR an Ablebensleistung gezahlt. Von der Bruttoprämie von 155.000 EUR seien 4 % Versicherungssteuer, Risikoprämien sowie Abschluss- und Verwaltungskosten in marktüblicher Höhe abgezogen worden. Um sein Verrentungskapital im Ablebensfall für Begünstigte zu erhalten, habe der Versicherungsnehmer einen Ablebensrisikozusatztarif abgeschlossen, der eine in Relation zum Verrentungskapital sinkende Ablebensleistung biete (Rentenrückgewähr), über die der Versicherungsnehmer habe frei verfügen können. Dafür seien Risikoprämien angefallen, wodurch die Sparprämien vermindert würden. Die Ablebensleistung errechne sich so, dass von der Prämie von 155.000 EUR 4 % (exakt: 4/104‑tel) Versicherungssteuer in Höhe von 5.961,54 EUR und von der sich daraus ergebenden Nettoprämie von 149.038,46 EUR weitere 5.961,54 EUR an 4 %-igen Abschlusskosten abgezogen worden seien. Von den sich daraus errechnenden 143.076,92 EUR seien die ausbezahlten Renten von 103.031,47 EUR (ohne Steigerung durch Gewinnbeteiligung) abgezogen worden, woraus die Ablebensleistung von 40.045,45 EUR resultiere. Die Versicherungsleistung sei korrekt berechnet und ausbezahlt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte sowohl ein ordentliches Kündigungsrecht als auch das Vorliegen von Gründen für eine außerordentliche Kündigung. Der Verkauf des Versicherungsprodukts an den Versicherungsnehmer sei nicht sittenwidrig gewesen. Es liege keine Fehlkalkulation der in der Polizze umschriebenen Ablebensleistung vor; die diesbezüglichen Bestimmungen seien auch nicht intransparent.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es ging davon aus, dass nach der Formulierung in Antrag und Polizze das nicht verbrauchte Kapital rückzuerstatten sei. Ein redlicher Erklärungsempfänger müsse davon ausgehen, dass von der Bruttoprämie Versicherungssteuer, Abschlussprovision und Verwaltungskosten abzuziehen seien. Sittenwidrigkeit folge nicht aus dem Umstand, dass der Versicherungsnehmer nach den Feststellungen nur eine knapp 50%ige Chance gehabt habe, den Ablauf der Versicherung zu erleben, weil bei der von der Beklagten zu erbringenden Leistung auch die Ablebensleistung – die Auszahlung des nicht verbrauchten Kapitals – zu berücksichtigen sei. Den Beweis der Fehlkalkulation der Ablebensleistung habe die Klägerin nicht erbracht.

Die ordentliche Revision wurde nachträglich zugelassen, weil die strittige Klausel betreffend die Ablebensleistung einen größeren Personenkreis betreffe und nicht nur eine eindeutige Auslegung zulasse.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision der Klägerin beantragt die Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Klägerin führt ins Treffen, mit der Wendung in der Polizze „kapitalisierter Wert der Gesamtpension zum Pensionszahlungsbeginn“ sei die „Aufrechnung der Gesamtpension auf zehn Jahre“ gemeint und könne von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer nur in diesem Sinne verstanden werden. Ferner habe das Berufungsgericht zu Unrecht Intransparenz und Sittenwidrigkeit der Klausel verneint.

Dazu wurde erwogen:

1.  Grundsätzlich ist vorauszuschicken, dass eine Rentenversicherung mit Sofortrente gegen Einmalzahlung nicht mit der in § 165 Abs 2 VersVG genannten Kapitalversicherung „für den Todesfall“ verglichen werden kann, welche „in der Art genommen“ ist, dass der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiss ist. Der Versicherungsnehmer hat im vorliegenden Fall durch Leistung der Prämie schon den Versicherungsschutz für die gesamte Vertragsdauer sowie einen von keiner Gegenleistung mehr abhängigen Rentenanspruch erworben, und es hat die Leistungspflicht des Versicherers unmittelbar nach Vertragsabschluss begonnen (vgl 7 Ob 192/12d).

Der Versicherungsnehmer ist hier im sechsten Jahr der Laufzeit des Versicherungsvertrags verstorben. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Verträge mit Versorgungszweck und aleatorischem Element dann bedenklich sein können, wenn schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das typische Element der Ungewissheit fehlt und gewiss ist, dass der Berechtigte bis zu jenem Zeitpunkt, der nach heutiger Sicht der Wissenschaft als absolute Obergrenze für die Dauer eines Menschenlebens anzusehen ist, bei Berücksichtigung aller ihm in diesem Zeitraum zukommenden Leistungen weniger als die Hälfte des Werts seiner eigenen Leistung erhalten haben wird (vgl – zur Leibrente – RIS-Justiz RS0018825 [insb T5, T6, T10]); nicht maßgeblich ist hingegen die „durchschnittliche Lebenserwartung“ (RIS-Justiz RS0018825 [T12]).

Schon diese durchschnittliche Lebenserwartung des Versicherungsnehmers betrug nach den Feststellungen aber 9,33 Jahre und war daher nur wenig geringer als die vereinbarte Rentenzahlungsdauer. Da auch keine besonderen Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse des Versicherungsnehmers feststellbar waren, bestehen insgesamt auch keine Anhaltspunkte für ein eine Sittenwidrigkeit nahelegendes grobes Leistungsmissverhältnis. Im Gegenteil steht sogar fest, dass das Produkt nicht grundsätzlich ungeeignet für ihn war.

2.  Im Versicherungsantrag wird für die Bestimmung der Ablebensleistung auf das „nicht verbrauchte Kapital“ Bezug genommen und damit auf den Verbrauch einer feststehenden Größe – des eingezahlten Kapitals – abgestellt. Dass in der zu zahlenden Versicherungsprämie 4 % Versicherungssteuer enthalten ist, ergibt sich prominent aus dem Antrag. Auf die Abschlusskosten von 4 % der Prämie ohne Versicherungssteuer (= Nettoprämie) wird im Antrag ebenso konkret hingewiesen.

3.1.  In der Polizze hingegen wird als Grundlage für die Berechnung der Ablebensleistung der auf den Pensionszahlungsbeginn bezogene kapitalisierte Wert der Pensionszahlungen festgelegt. „Kapitalisierung“ ist die Umrechnung eines laufenden Ertrags oder einer regelmäßigen Geldleistung (Verzinsung, Rente) auf den gegenwärtigen Kapitalwert, das heißt die Diskontierung (Abzinsung) von in der Zukunft liegenden Erträgen auf einen bestimmten Berechnungszeitpunkt (vgl H. Holland , Kapitalisierung [Stand 16. 2. 2018], in Gabler Wirtschaftslexikon, http://wirtschafts-lexikon.gabler.de/definition/ kapitalisierung-37509/version-260943 [Abfrage 27. 6. 2018]). Die Polizze bezieht sich somit darauf, dass das, was die Beklagte während der Versicherungsdauer auszuzahlen hat, zu einem davor liegenden Zeitpunkt in der Vergangenheit – dem Pensionszahlungsbeginn – bewertet wird.

3.2.  Um dem Bestimmtheitserfordernis des § 869 ABGB zu entsprechen, muss aus einer Vereinbarung nicht nur der Wille der Parteien hervorgehen, einen Vertrag wirklich schließen zu wollen, sondern die Leistungen müssen auch in einer Art und Weise bestimmt sein, dass sie sich aus dem Vertrag selbst bestimmen lassen, wobei „bestimmt“ nach ständiger Rechtsprechung stets als „bestimmbar“ verstanden wird (vgl RIS-Justiz RS0014010, RS0014693). Ein Vertrag ist demnach nur dann hinreichend bestimmt, wenn sich die Leistungen aus dem Vertrag selbst, allenfalls unter Berücksichtigung der gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB ergeben (RIS-Justiz RS0013954). Bei dieser Auslegung einer Willenserklärung ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0017915).

3.3.  Wenn der Vereinbarung einer Ablebensleistung ein zum Pensionszahlungsbeginn kapitalisierter (abgezinster) Wert künftiger Pensionszahlungen zugrunde gelegt wird und der Polizze sowie den Vertragsunterlagen kein Hinweis darauf zu entnehmen ist, welcher Abzinsungsfaktor (Diskontsatz) zur Anwendung gelangen sollte, ist davon auszugehen, dass redliche Parteien eines Versicherungsvertrags einen in marktüblicher Höhe bestimmbaren Diskontsatz zugrundelegen.

3.4.  Eine Intransparenz dieser Bestimmungen ist daher nicht erkennbar.

4.1.  Die Begriffe „verbrauchtes Kapital“ (wie im Antrag) und „kapitalisierter Wert der Gesamtpension zum Pensionszahlungsbeginn“ (wie in der Polizze) sind somit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht gleichzusetzen.

4.2.  Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Polizze vom Antrag inhaltlich abweicht, ohne dass von der Beklagten darauf hingewiesen oder dies im Versicherungsschein hervorgehoben worden wäre.

5.1.  § 5 Abs 1 VersVG bestimmt, dass die Abweichung des Inhalts des Versicherungsscheins vom Antrag oder den getroffenen Vereinbarungen als genehmigt gilt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Empfang des Versicherungsscheins in geschriebener Form widerspricht. Diese Genehmigung ist nach Abs 2 jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hingewiesen hat, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Empfang des Versicherungsscheins in geschriebener Form widerspricht. Der Hinweis hat durch besondere Mitteilung in geschriebener Form oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein, der aus dem übrigen Inhalt des Versicherungsscheins hervorzuheben ist, zu geschehen; auf die einzelnen Abweichungen ist besonders aufmerksam zu machen. Hat der Versicherer den Vorschriften des Abs 2 nicht entsprochen, so ist nach Abs 3 die Abweichung für den Versicherungsnehmer unverbindlich und der Inhalt des Versicherungsantrags insoweit als vereinbart anzusehen.

5.2.  Zum Schutz des Versicherungsnehmers ist die Genehmigung(-sfiktion) des § 5 VersVG nur dann anzunehmen, wenn der Versicherer bei Aushändigung des Versicherungsscheins auf die abweichende Rechtsfolge und das Widerspruchsrecht hingewiesen hat (erste Voraussetzung); dieser Hinweis hat entweder durch besondere schriftliche Mitteilung oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein, der aus dem übrigen Inhalt hervorzuheben ist, zu geschehen (zweite Voraussetzung); ferner ist auf die Abweichungen aufmerksam zu machen (dritte Voraussetzung). Bei diesen drei Voraussetzungen handelt es sich um kumulative; selbst wenn der einen oder anderen entsprochen wird, jedoch nicht alle zusammen erfüllt sind, kann es nicht zur Genehmigungsfiktion durch den Versicherungsnehmer nach dieser Gesetzesstelle kommen (RIS-Justiz RS0115115).

§ 5 Abs 1 VersVG findet auf alle Abweichungen des Versicherungsscheins vom Versicherungsantrag ohne Rücksicht darauf Anwendung, ob der Versicherungsnehmer durch die Abweichung benachteiligt oder begünstigt wird. Dagegen betreffen die in § 5 Abs 2 und 3 VersVG enthaltenen Vorschriften nur solche Abweichungen, die den Versicherungsnehmer benachteiligen (RIS-Justiz RS0080309); § 5 Abs 2 und Abs 3 VersVG gilt daher nur bei solchen Abweichungen, die dem Versicherungsnehmer ungünstig sind, nicht jedoch bei solchen, die für ihn günstig sind (RIS-Justiz RS0080309 [T4]; vgl BGH IV ZR 431/14, VersR 2016, 1044; IV ZR 58/94, VersR 1995, 648; Ebers in Schwintowski/ Brömmelmeyer , VVG 3 [2017] § 5 Rn 18; Rixecker in Langheid/Rixecker/Gal/Muschner , VVG 5 [2016] § 5 Rn 1; Brömmelmeyer in Rüffer/Halbach/Schimikowski , VVG 3 [2015] § 5 Rn 9; K. Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann , Versicherungsrechts-Handbuch 3 [2015] § 8 Rn 59; Schwintowski in Honsell , BerlKomm‑VVG [1999] § 5 Rn 34).

Enthält der Versicherungsschein zum Teil für den Versicherungsnehmer günstige, zum Teil ungünstige Abweichungen oder hängt es vom Lauf der Dinge ab, ob sich eine Abweichung als günstig oder ungünstig erweist, so gilt § 5 Abs 3 VersVG, wenn der Versicherer auf die ungünstige und/oder „neutrale“ Abweichung nicht hingewiesen hat (RIS‑Justiz RS0113821; Rudy in Prölss/ Martin VVG 30 [2018] § 5 Rn 8).

Im Hinblick darauf, dass § 5 VersVG eine Schutzvorschrift für den Versicherungsnehmer ist (vgl K. Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann § 8 Rn 60; Knops in Bruck/Möller , VVG 9 [2008] § 5 Rn 8), muss die Beurteilung, ob die Abweichung der Versicherungspolizze vom Versicherungsantrag für den Versicherungsnehmer vorteilhaft oder nachteilig ist, subjektiv erfolgen (7 Ob 242/06y = RIS-Justiz RS0121820; zust Fenyves , Zur Anwendung des § 5 VersVG auf begünstigende und gemischte Abweichungen, in FS Kramer [2004] 813 [821 ff, insb 826, mwN]; Fenyves in Fenyves/Schauer , VersVG § 5 [2014] Rz 31 f; Armbrüster in Langheid/Wandt , MünchKomm‑VVG 2 [2016] § 5 Rn 31).

6.  Die Klägerin hat bisher zur Frage der Günstigkeit kein Vorbringen erstattet. Die Vorinstanzen haben ausgehend von ihrer jeweiligen vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht die Problematik des § 5 VersVG, die Abweichung der Polizze vom Antrag und die Frage der Günstigkeit mit den Parteien nicht erörtert.

7.  Die Klägerin wird sich unter Berücksichtigung des § 5 VersVG dazu zu äußern haben, ob sie ihren Anspruch auf den Antrag oder auf die abweichende Regelung der Polizze stützen will. Der gewählten Anspruchsgrundlage folgend sind entsprechende Feststellungen zu treffen.

8.  Auf sonstige in erster Instanz erhobene Rechtsgründe – insbesondere in Ansehung der vorzeitigen Kündigung des Vertrags und fehlerhafter Aufklärung – kommt die Revision nicht zurück (RIS‑Justiz RS0043338 [T15]).

9.  Der Kostenvorbehalt folgt aus § 52 ZPO.

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