OGH 13Os44/18x

OGH13Os44/18x27.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef W***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 20. November 2017, GZ 22 Hv 11/17h‑54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00044.18X.0627.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der Konfiskation eines Laptops der Marke Acer samt Festplatte sowie eines Mobiltelefons der Marke LG aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef W***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB sowie mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A/1), jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A/2) und nach § 207 Abs 2 StGB (B), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (C), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (D) sowie (richtig) mehrerer Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Satz StGB (E) schuldig erkannt.

Danach hat er in H*****

(A) vom 1. Jänner 2013 bis zum 25. März 2014

1) in zahlreichen Angriffen mit einer unmündigen Person dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er die am 26. März 2000 geborene Bettina M***** mehrfach mit Zunge und Fingern vaginal penetrierte, wobei eine Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung, zur Folge hatte,

2) außer dem Fall des § 206 StGB in zahlreichen Angriffen geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er mehrfach die Scheide sowie die Brüste der am 26. März 2000 geborenen Bettina M***** mit Zunge und Händen betastete und sich von ihr mit der Hand befriedigen ließ,

(B) vom 1. Jänner 2013 bis zum 25. März 2014 in zahlreichen Angriffen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, eine unmündige Person dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen an sich selbst vorzunehmen, indem er die am 26. März 2000 geborene Bettina M***** veranlasste, ihre Scheide und ihre Brüste zu berühren, während er masturbierte,

(C) vom 1. Jänner 2013 bis zum 28. Februar 2015 durch die zu A und B beschriebenen Handlungen sowie das wiederholte Unternehmen des Beischlafs mit einer minderjährigen Person, die seiner Erziehung und Aufsicht unterstand, nämlich der am 26. März 2000 geborenen Tochter seiner Lebensgefährtin, Bettina M*****, geschlechtliche Handlungen vorgenommen, von ihr an sich vornehmen lassen und, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, sie dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen an sich selbst vorzunehmen,

(D) vom 1. Jänner 2015 bis zum 30. April 2015 zumindest einmal die aufgrund eines epileptischen Anfalls wehrlose Sarah M***** unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf vornahm, sowie

(E) bis zum 1. Oktober 2015 sich zahlreiche, im Urteil näher beschriebene pornographische Darstellungen mündiger und unmündiger minderjähriger Personen verschafft und diese besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und (richtig) 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – fehlt.

Die Überlegungen der Mängelrüge (Z 5) in Bezug auf „Mehr‑ bzw. Minderrechte“ leiblicher Väter, zu Anhängern des „FKK“ (Schuldsprüche A bis C) und dazu, wo „sich die entsprechenden Dateien auf dem Rechner befunden haben“ (Schuldspruch E), lassen keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Der Einwand fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Schuldspruchs E argumentiert nicht auf der Basis der diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 10) und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung des insoweit der Sache nach herangezogenen Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, aus den vom Erstgericht umfassend erörterten (US 10 bis 22) Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) zu den Schuldsprüchen A bis D anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse abzuleiten, und wendet sich damit nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) beschränkt sich darauf, hinsichtlich des Schuldspruchs D die Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite (US 5) zu bestreiten, und verfehlt demnach den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (erneut RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshofs jedoch, dass dem Urteil in Bezug auf den Ausspruch der Konfiskation nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO anhaftet, weil das Erstgericht die in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterließ (RIS‑Justiz RS0088035 [insbesondere T7], jüngst 13 Os 130/17t).

Da das Konfiskationserkenntnis auch nicht mit Berufung angefochten wurde, war der Ausspruch der Konfiskation des sichergestellten Laptops der Marke Acer samt Festplatte sowie des sichergestellten Mobiltelefons der Marke LG bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO). Mit Blick auf die Aufhebung des Konfiskationserkenntnisses sei diesbezüglich bloß im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Wertung der Konfiskation als Milderungsgrund (US 28) rechtlich verfehlt ist (15 Os 187/15m, EvBl 2016/101, 689; RIS‑Justiz RS0130619).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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