OGH 5Ob79/18f

OGH5Ob79/18f12.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P*, 2. A*, beide *, beide vertreten durch DDr. Fürst Rechtsanwalts‑GmbH in Mödling, gegen die beklagte Partei DDr. E*, vertreten durch Mag. Andreas Ulrich, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beseitigung (Streitwert 12.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2018, GZ 58 R 71/17i‑39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 4. Mai 2017, GZ 14 C 92/17g‑33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122094

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen deren mit 2.417,33 EUR (darin 402,89 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Kläger sind zu je 83/16702 und 9/16702‑Anteilen Miteigentümer einer Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an Top 11.8, Keller 11.8 und einem Garagenabstellplatz für Kfz 17 verbunden ist. Die Beklagte ist zu 71/8351 und 9/8351‑Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an Top 12.4, Keller 12.4 und Garagenabstellplatz für Kfz 21. Die Wohnungen der Streitteile verfügen über nördlich vorgelagerte Terrassen, die durch eine Mauer getrennt werden, auf der die Beklagte über die gesamte Länge eine Glaswand mit einer Metallkonstruktion befestigt hat. An beiden Enden dieser Glaswand sind Metallstützen montiert, die einerseits an der Metallkonstruktion, andererseits aber auch an der Hausmauer angeschraubt sind. An anderen Ecken der Terrasse befinden sich zwei weitere Stützen, die mit vier Schrauben an einer Metallplatte befestigt sind, die sich auf der Innenseite der Terrassenumfassungsmauer der Beklagten befindet. Sie kragen in einem Winkel von 15° von der Terrasse der Beklagten aus. Diagonal über die Terrasse verläuft eine Metallstange bzw Antriebswelle, an der ein Sonnensegel angebracht ist, das nach beiden Seiten ausgefahren werden kann. Komplett ausgefahren überspannt es die gesamte 5 x 5,5 m große Terrasse der Beklagten und wirft dann – je nach Sonnenstand und Ausfahrweite – Schatten auf die Terrasse der Kläger. Schon leichter Wind bewirkt Geräusche, die mit der Windstärke zunehmen. Das Sonnensegel kann über Automatik oder händisch betrieben werden.

Die Kläger hatten bereits am 18. 3. 2011 zu 3 C 317/11f des Erstgerichts die Beseitigung dieses Sonnensegels sowie Unterlassung derartiger Störungen von der Beklagten begehrt. Die Streitteile waren damals noch nicht Mit‑ und Wohnungseigentümer, Alleineigentümerin der Liegenschaft war – bis zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren – noch die Wohnungseigentumsorganisatorin. Allerdings war zugunsten der Streitteile jeweils bereits die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts angemerkt und die Wohnungen den Streitteilen bereits übergeben worden. Im Vorverfahren änderte der Oberste Gerichtshof (5 Ob 143/12h = immolex 2014/5 [Cerha]) die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Den Klägern als bloßen Wohnungseigentumswerbern stehe die Eigentumsfreiheitsklage zur Abwehr eigenmächtiger Änderungen eines Wohnungseigentumsbewerbers (oder Wohnungseigentümers) vor der Verbücherung seines Eigentums noch nicht zu, sodass die Kläger im Vorverfahren ihr Begehren nicht auf § 16 WEG 2002 erfolgreich stützen könnten.

Die Kläger unterfertigten den Wohnungseigentumsvertrag am 31. 3. 2011, die Beklagte am 18. 9. 2012.

Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens ist das von den Klägern nunmehr auf ihr Wohnungseigentum gestützte Beseitigungs‑ und Wiederherstellungsbegehren in Bezug auf die Metallkonstruktion samt Sonnensegel.

Das Erstgericht verneinte das Vorliegen einer rechtskräftig entschiedenen Streitsache und gab dem Beseitigungs‑ und Wiederherstellungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung der Beklagten und gab der Berufung im Übrigen nicht Folge. Der rechtserzeugende Sachverhalt sei nach zutreffender Auffassung des Erstgerichts ein anderer, weil die Streitteile bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren noch nicht Wohnungseigentümer gewesen seien. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass im Fall einer Gesetzesänderung für einen Dauersachverhalt die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes ab seinem Inkrafttreten bzw Anwendbarkeit des Gesetzes gelten. Die Konstruktion sei zwar „vor Anwendbarkeit des WEG“ geschaffen worden, repräsentiere aber einen Dauertatbestand, sodass § 16 WEG 2002 darauf anzuwenden sei. Der Streitrichter habe allerdings nur die Genehmigungsbedürftigkeit, nicht die Genehmigungsfähigkeit der Änderung zu prüfen, schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer verpflichte den Änderungswilligen, deren Zustimmung oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Dies habe die Beklagte verabsäumt. Aus dem Wohnungseigentumsvertrag ergebe sich nicht, dass die Außenhaut jener Wände, die auf der eigenen Terrasse liegen, uneingeschränkt der Nutzung der jeweiligen Wohnungseigentümer zugewiesen worden wäre. Die Außenhaut des Gebäudes sei – jedenfalls im Licht des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 – nach ständiger Rechtsprechung als allgemeiner Teil der Liegenschaft anzusehen.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zur Frage der „Anwendbarkeit des WEG auf Sachverhalte, die sich vor Anwendbarkeit desselben verwirklicht haben“ zu.

In ihrer Revision beantragte die Beklagte die Abänderung im Sinn einer Klageabweisung, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Sie zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich nicht, weil das Gesetz selbst (§ 37 Abs 5 WEG 2002) eine klare und eindeutige Regelung zur Anwendbarkeit von Bestimmungen des WEG vor Begründung des Wohnungseigentums trifft und hiezu bereits Judikatur des Fachsenats – nicht zuletzt in dem die Streitteile betreffenden Vorverfahren (5 Ob 143/12h) – vorliegt.

2.1. Im Verfahren war nie strittig, dass die Beklagte die Metallkonstruktion und das Sonnensegel etwa 2009/2010 errichtete, also zu einem Zeitpunkt, als sowohl für sie als auch für die Kläger bereits die Zusage des Wohnungseigentums an den ihnen letztlich auch zugewiesenen Objekten angemerkt und diese an sie bereits übergeben waren.

2.2. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung lässt sich der Vorentscheidung 5 Ob 143/12h (immolex 2014/5 [Cerha]) nicht entnehmen, § 37 Abs 5 WEG 2002 sei auf das Verhältnis der Streitteile untereinander gar nicht anzuwenden. Die Beklagte übersieht, dass die abschließende Regelung der Anwendung von Wohnungseigentumsbestimmungen in § 37 Abs 5 WEG 2002 zwar in allen Fällen die Anmerkung der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums gemäß § 40 Abs 2 WEG 2002 im Grundbuch verlangt, aber drei unterschiedliche Fälle unterscheidet (5 Ob 173/08i = wobl 2009/55; 5 Ob 143/12h; Würth/Zingher/Kovanyi Miet‑ und Wohnrecht II23 § 37 WEG Rz 17; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 37 WEG Rz 51):

2.2.1. Sobald eine Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt ist und zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat, gelten gemäß § 37 Abs 5 Satz 1 WEG 2002 für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG 2002.

2.2.2. Nach § 37 Abs 5 Satz 2 WEG 2002 hat ein Wohnungseigentumsbewerber, der noch nicht Miteigentümer, zu dessen Gunsten aber eine solche Zusage angemerkt ist, ab Bezug des wohnungseigentumstauglichen Objekts die Rechte nach §§ 16 und 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 sowie den Anspruch auf Rechnungslegung gemäß § 34 WEG 2002.

2.2.3. Nach § 37 Abs 5 Satz 3 WEG 2002 hat ein solcher Wohnungseigentumsbewerber ab dem Zeitpunkt, zu dem sein späterer Miteigentumsanteil – insbesondere durch ein bereits vorliegendes Nutzwertgutachten – bekannt ist, die Rechte eines Miteigentümers, sofern zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat.

2.2.4. Im Gegensatz zu den Regelungen nach Satz 1 und Satz 3 des § 37 Abs 5 WEG 2002 setzt Satz 2 leg cit somit die Begründung von Miteigentum an der Liegenschaft nicht voraus, sondern verlangt nur den Bezug des wohnungseigentumstauglichen Objekts. Damit kann ein solcher Wohnungseigentumsbewerber sämtliche Ansprüche, die sich aus den §§ 16 und 34 WEG 2002 ergeben, im dafür generell vorgesehenen wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 WEG 2002 durchsetzen.

2.3. Damit waren zwar die Kläger im Vorverfahren als Wohnungseigentumsbewerber aufgrund des Umstands, dass damals noch kein Miteigentum an der Liegenschaft begründet gewesen war, nicht zur Klage auf Beseitigung eigenmächtiger Änderungen eines anderen Wohnungseigentumsbewerbers legitimiert (5 Ob 143/12h; RIS‑Justiz RS0124155). Allerdings wäre dessen ungeachtet die Beklagte als Wohnungseigentumsbewerberin – mangels Zustimmung, deren Nichtvorliegen im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist – nach § 37 Abs 5 Satz 2 WEG 2002 nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen, vor einer Änderung aufgrund der durch die eindeutige gesetzliche Anordnung in das Gründungsstadium vorverlegten Anwendbarkeit des § 16 WEG 2002 ihr Änderungsbegehren im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zu verfolgen und allenfalls durchzusetzen.

2.4. Damit ist § 16 WEG 2002 auf die von der Beklagten veranlasste Änderung hier bereits anzuwenden, auch wenn diese auch noch vor Begründung des Wohnungseigentums selbst erfolgte. Die Beurteilung des Fachsenats, den klagenden Wohnungseigentumsbewerbern könne nicht bereits vor Begründung von Miteigentum an der Liegenschaft die Eigentumsfreiheitsklage zugebilligt werden (5 Ob 173/08i; 5 Ob 143/12h), bezog sich jeweils auf einen Zeitraum vor Einverleibung des Miteigentums für zumindestens einen weiteren Wohnungseigentumsbewerber. Mit diesem Zeitpunkt erlangt der weitere Wohnungseigentumsbewerber (bzw hier eben der einverleibte Wohnungseigentümer) aber jedenfalls das Recht, zur Abwehr einer eigenmächtig vorgenommenen Änderung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 durch einen anderen Wohnungseigentümer (bzw ‑bewerber) mit Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB einen Unterlassungs‑ und Beseitigungsanspruch geltend zu machen (vgl RIS‑Justiz RS0083156), ohne dass es auf die von den Vorinstanzen hervorgehobene Beurteilung der Änderung als „Dauertatbestand“ noch ankäme.

3.1. An der Eigenmacht der Beklagten vermag nach der jedenfalls vertretbaren Auslegung der Vorinstanzen der Wohnungseigentumsvertrag nichts zu ändern. Die Außenfassade des Hauses ist nach der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0069976 [T3]; RS0083334 [T1]) allgemeiner Liegenschaftsteil und bleibt funktionell auch dann allgemeiner Teil des Hauses, wenn daran eine Flugdachkonstruktion auf einer zu einem Wohnungseigentumsobjekt gehörenden Terrasse (RIS‑Justiz RS0083334 [T8]) oder eine Markise zur Beschattung eines Wohnungseigentumsobjekts inklusive des anschließenden (Zubehör‑)Gartens befestigt wird (5 Ob 188/15f mwN). An der Genehmigungsbedürftigkeit einer solchen Änderung ist – auch unter Berücksichtigung der vom Erstgericht festgestellten Bestimmungen im Wohnungseigentumsvertrag – nicht zu zweifeln.

3.2. Dass der Streitrichter nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung und die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfrage für die Berechtigung des Unterlassungs‑ und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen hat, nicht hingegen die Genehmigungsfähigkeit, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (5 Ob 192/15v; RIS‑Justiz RS0083156).

4. Die Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RIS‑Justiz RS0129365 [T3]).

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