OGH 14Os40/18s

OGH14Os40/18s29.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Emrullah K***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. Juli 2017, GZ 7 Hv 50/16h‑1591, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00040.18S.0529.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Emrullah K***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (I) und der kriminellen Organisation nach § 278a (zweiter Fall) StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er sich in G*****, W***** und an anderen Orten

(I) als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an den terroristischen Vereinigungen Islamischer Staat im Irak und in Syrien (im Folgenden kurz: ISIS) und Jabhat al-Nusra, bei denen es sich um auf längere Zeit angelegte Zusammenschlüsse von jeweils mehr als zwei Personen handelte, die darauf ausgerichtet waren, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden, in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) beteiligt, dadurch diese terroristischen Vereinigungen in deren Ziel, in Syrien und im Irak einen radikal-islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren strafbare Handlungen zu fördern, indem er

1) von Sommer 2012 bis Anfang 2013

‑ im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Suayip B***** den abgesondert verurteilten Sevket G***** in dessen Absicht bestärkte, sich als Mitglied an den genannten terroristischen Vereinigungen zu beteiligen und für die Errichtung eines nach radikal islamistischen Grundsätzen ausgerichteten Gottesstaates in Syrien und im Irak zu kämpfen, und

‑ im September 2012 mit Sevket G***** von G***** über W***** nach K***** reiste, wo er sich mit dem Genannten durch die Teilnahme an einem privaten Koranunterricht im islamistischen Sinn weiter radikalisierte und Kontakt mit dem ihm als Verbindungsperson zu diesen terroristischen Vereinigungen bekannten Jean Pierre P***** aufnahm, um dadurch für sich selbst und Sevket G***** die Übersiedlung nach Syrien zur Beteiligung an den terroristischen Vereinigungen vorzubereiten;

2) im Frühjahr 2013 im einverständlichen Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Suayip B***** und Enes C***** an unterschiedlichen, nicht näher bekannten Tagen von W***** nach A***** flog, von wo aus sie mit dem Bus nach U***** (S*****) weiterreisten, sodann mit Unterstützung eines von Suayip B***** namhaft gemachten Verbindungsmannes zu den terroristischen Vereinigungen ISIS und Jabhat al-Nusra mit dem Bus nach R***** an der Grenze zu Syrien fuhren, von wo aus sie mit einem Schlepper die Grenze nach Syrien überschritten, nach A***** (Ā*****), Syrien, gelangten und Kontakt zu Verbindungspersonen dieser terroristischen Vereinigungen aufnahmen, um

‑ die Ansiedlung ihrer Familien in den von diesen terroristischen Vereinigungen beschlagnahmten Häusern oder Wohnungen vertriebener oder getöteter syrischer Staatsangehöriger vorzubereiten und dadurch zur Stärkung der sozialen Infrastruktur dieser terroristischen Vereinigung beizutragen, und

‑ sich als Kämpfer den terroristischen Vereinigungen ISIS und Jabhat al-Nusra anzuschließen,

wobei sie aber an den folgenden Tagen wieder in die Türkei zurückreisten, weil sie nach ihren Angaben den ihnen abverlangten Treueeid für diese terroristischen Vereinigungen verweigerten;

(II) durch die zu (I) dargestellten Handlungen an den auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindungen einer größeren Zahl von Personen, nämlich den international agierenden terroristischen Vereinigungen ISIS und Jabhat al-Nusra, als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) beteiligt,

• die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, ausgerichtet sind, wobei sie seit Sommer 2011 in Syrien und im Irak unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten gemäß § 278c Abs 1 StGB ihrer Kämpfer die Zerstörung des syrischen Staates und des irakischen Staates betreiben, in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung töten oder vertreiben und sich deren Vermögen aneignen, durch Geiselnahme große Geldsummen erpressen, die vorgefundenen Kunstschätze veräußern und Bodenschätze, insbesondere Erdöl und Phosphat, zu ihrer Bereicherung ausbeuten,

• die dadurch eine Bereicherung im großen Umfang anstreben,

• die andere durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge in Syrien und im Irak einschüchtern und sich auf besondere Weise, nämlich Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzierungsstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisationen und der internen Kommunikation gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchen,

wobei er wusste, dass er dadurch diese Verbindungen in deren Ziel, in Syrien und im Irak einen radikal-islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren strafbare Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten gemäß dem § 278c Abs 1 StGB, fördert.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die Entscheidungsgründe bringen – der auf Z 5 erster Fall gestützten Beschwerdekritik zuwider – unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Angeklagte sich durch die oben angeführten Tathandlungen (mit entsprechendem Vorsatz) an beiden der dort angeführten kriminellen Organisationen und terroristischen Vereinigungen, welche im Tatzeitraum (meist) gemeinsam kämpften, als deren Mitglied beteiligen wollte (US 10 f, 21 f).

Die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt gleichfalls nicht vor.

Dass der Beschwerdeführer nach seiner Einreise nach Syrien den ihm abverlangten Treueeid verweigerte und in die Türkei zurückkehrte, haben die Tatrichter – von der Rüge, die dazu auf seine entsprechenden, mit jenen des Enes C***** übereinstimmenden Angaben verweist, ohnehin zugestanden – festgestellt (US 20).

Die (vor allem zur subjektiven Tatseite) leugnende Verantwortung des Angeklagten wurde im Urteil ausführlich erörtert und – gestützt auf eine Reihe von Beweisergebnissen – als unglaubwürdig verworfen (US 26 ff). Einer gesonderten Auseinandersetzung mit all ihren – in diesem Zusammenhang und an mehreren anderen Stellen der Beschwerde

relevierten – Details bedurfte es daher nicht (RIS‑Justiz RS0098642 [T1]).

Von einer großteils bloß „passiven“ Speicherung der auf dem Mobiltelefon des Angeklagten sichergestellten Bilder über – im Urteil näher beschriebene – „Gräueltaten“ des IS ging das Erstgericht auf Basis der im Rechtsmittel angeführten Verfahrensergebnisse aus (US 29 f).

Die weiters hervorgehobene Passage aus der Aussage des Zeugen Ishak Ki***** zur angeblich skeptischen Haltung des Beschwerdeführers zum IS und dessen Taten blieb keineswegs unberücksichtigt, sondern wurde als unzuverlässig eingestuft (US 38). Dass der Zeuge Mustafa G***** nur über Gehörtes berichtete, ohne über eigene Wahrnehmungen zu verfügen, haben die Tatrichter in ihre Überlegungen einbezogen (US 36).

Die gleichfalls als übergangen monierte Behauptung des Zeugen Dardan Ce*****, nach der die Vorträge im Glaubensverein F***** (zudem nicht ausschließlich; vgl ON 1569a S 17 sowie ON 1553a S 4) in bosnischer Sprache erfolgten, welcher der Beschwerdeführer nicht mächtig ist, steht den Feststellungen zur subjektiven Tatseite schon mit Blick auf die Konstatierungen zur auch durch persönliche Gespräche mit Mitgliedern des Schura-Rates erfolgten „Radikalisierung“ des Angeklagten (US 13) und seiner – aus einer Vielzahl von Verfahrensergebnissen abgeleiteten – grundsätzlich dschihadistisch geprägten radikal-islamistischen Gesinnung (US 13 f, 26, 31 f, 33 f) nicht entgegen und war damit nicht erörterungsbedürftig im Sinn der Z 5 zweiter Fall (RIS‑Justiz RS0098646).

Soweit die Mängelrüge den – mit der Forderung nach einem Freispruch vom „Schuldspruchpunkt I/1“ verknüpften – Vorwurf von Unvollständigkeit zufolge unterlassener Erörterung von (zudem unerheblichen) Passagen aus den Angaben der Zeugen Ömer G***** und Halil H***** (vgl dazu im Übrigen ON 1590 S 21; RIS-Justiz RS0098481) sowie von einzelnen – interpretativ erweiterten – Bekundungen des Sevket G***** (Z 5 zweiter Fall, nominell verfehlt auch vierter Fall) isoliert gegen die Urteilsannahme erhebt, nach der der Angeklagte Letztgenannten (psychisch) in seiner Absicht bestärkte, in Syrien für die terroristischen Vereinigungen ISIS und Jabhat al-Nusra zu kämpfen, die weitere zu I/1 konstatierte Tathandlung (die Kontaktaufnahme zu Jean Pierre P*****, welcher über seine Vermittlung die Anreise des Sevket G***** nach Syrien durch weitere Verbindungspersonen und Schlepper der genannten terroristischen Vereinigungen organisierte; US 2 iVm US 13 ff) und sein zu I/2 inkriminiertes Verhalten (in objektiver Hinsicht) aber nicht deutlich und bestimmt in Frage stellt, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen.

Wiederholte, (wie hier; vgl US 43) von kontinuierlichem „Mitwirkungsvorsatz“ getragene gleich- oder verschiedenartige Beteiligungshandlungen (§ 278b Abs 2, § 278a zweiter Fall jeweils iVm § 278 Abs 3 StGB) des Täters an derselben terroristischen Vereinigung und/oder kriminellen Organisation bilden nämlich eine tatbestandliche Handlungseinheit, die im Sinn einer Tatbestandsverwirklichung § 278b Abs 2 und/oder § 278a zweiter Fall StGB zu unterstellen ist (Plöchl in WK² StGB § 278b Rz 17, § 278a Rz 32, § 278 Rz 71; RIS‑Justiz RS0124166). Mehrere im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit begangene Angriffe stellen aber stets eine einzige Tat dar, weshalb der (hier angestrebte) Wegfall bloß einer einzelnen Ausführungshandlung die rechtliche Beurteilung nicht tangiert (vgl RIS‑Justiz RS0127374).

Ob der Beschwerdeführer nur zu Jean Pierre P*****, dessen entsprechende Einstellung und Funktion als Verbindungsperson zu den terroristischen Vereinigungen ISIS und Jabhat al-Nusra (US 13 f, 18, 43) im Rechtsmittel gar nicht bestritten wird, oder auch sonst zu „radikal islamistischen Kreisen in Deutschland“ Kontakt hatte, ist für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage gleichfalls irrelevant, womit auch der nur in Bezug auf die letztgenannte Urteilspassage erhobene Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ins Leere geht (RIS‑Justiz RS0117499).

Die Behauptung, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite fänden „in den Verfahrensergebnissen keine Deckung“, macht keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt geltend.

Mit der Kritik, das Erstgericht habe die darauf bezogenen Urteilsannahmen „mangelhaft, willkürlich“ getroffen (erneut Z 5 vierter Fall), „ohne konkrete Beweismittel dazu zu liefern bzw sich auf konkrete Beweisergebnisse zu beziehen“, und der These, der Umstand, dass der Angeklagte seine Wohnung in Österreich aufgegeben hatte, sei zu deren Fundierung nicht geeignet, ignoriert die Beschwerde die weiteren – den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden – diesbezüglichen Erwägungen des Schöffensenats (US 29 f, 33 f, 35 ff) zur Gänze und verfehlt solcherart den in der Gesamtheit der Entscheidungsgründe liegenden

Bezugspunkt der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0119370). Im Übrigen übersieht sie, dass auch Indizienbeweise zulässig sind (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452; RIS‑Justiz RS0098249).

Insgesamt wird mit diesem Vorbringen ebenso wie mit an mehreren Stellen des Rechtsmittels angestellten eigenen Erwägungen zu den – vom Erstgericht ohnehin erörterten oder unerheblichen – Verfahrensergebnissen und daraus gezogenen urteilsfremden Schlüssen zur subjektiven Tatseite, sowie mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung kritisiert (RIS‑Justiz

RS0116732 [T3], RS0117445).

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) wird eingangs der Beschwerde substratlos

behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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