OGH 4Ob245/17h

OGH4Ob245/17h29.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers A* H*, vertreten durch Dr. Klaus Gossi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte K* GmbH, *, vertreten durch Dr. Gertraud Irlinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 3. November 2017, GZ 7 R 160/17k‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121911

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Beklagte ist seit 1976 Mieterin von Lagerräumen des Klägers. Der Kläger kündigte das Bestandverhältnis mit außergerichtlichem Kündigungsschreiben vom 28. 6. 2016 auf. Die Beklagte stellte die Bestandräumlichkeiten nicht zurück.

Der Kläger begehrt nunmehr die Räumung des Bestandobjekts wegen titelloser Benützung. Es handle sich um ein Gebäude mit nicht mehr als zwei selbstständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten, weshalb kein Kündigungsschutz gelte.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Im Bestandobjekt seien nicht mehr als zwei selbstständige Bestandseinheiten vorhanden, sodass ein Ausnahmetatbestand vom MRG vorliege.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG kämen nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG idF vor der Novelle 2001 unabhängig von der Anzahl der selbstständigen Bestandseinheiten zur Anwendung. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Der Kläger begehrt mit seiner außerordentlichen Revision, der Klage stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.1. Der Kläger meint, dass die Beklagte sich unzulässiger Weise erst in der Berufung darauf gestützt habe, dass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG wegen der entsprechenden Übergangsbestimmungen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

1.2. Eine Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei bzw die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunkts bei der rechtlichen Beurteilung ist auch im Rechtsmittelverfahren zulässig, sofern die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden (RIS‑Justiz RS0016473; RS0041965 [T7]). Auch kann eine Frage der rechtlichen Beurteilung nicht Gegenstand einer Außerstreitstellung sein (RIS‑Justiz RS0111277 [T1]).

2.1. Nach den Feststellungen handelt es sich beim gegenständlichen Bestandobjekt um zwei ebenerdige Lagerräume.

Der Begriff der „Geschäftsräumlichkeit“ in § 1 Abs 1 MRG ist weit zu verstehen, wie nicht zuletzt die darin enthaltene, bloß beispielhafte Aufzählung zeigt. Die Rechtsprechung stellt auf den „normalen Sprachgebrauch“ ab und versteht darunter ein dreidimensional abgeschlossenes, geschäftlichen Zwecken dienendes Gebilde (RIS‑Justiz RS0110398). Die geschäftliche Tätigkeit muss nicht unmittelbar im betreffenden Objekt ausgeübt werden; es genügt, wenn das Objekt diesen geschäftlichen Zwecken dient (vgl 5 Ob 120/10y; 4 Ob 125/17m).

2.2. Der Revisionswerber vermisst Feststellungen, ob die vorliegenden Objekte als Geschäftsräumlichkeiten anzusehen sind oder nicht. Eine Behauptung, dass diese nicht geschäftlichen Zwecken der Beklagten gedient hätten, stellt er aber auch in der Revision nicht auf. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die Beklagte die Räume als Lagerräume für Wasserinstallationsmaterial und die gedeckte Hauseinfahrt als Abstellraum mietete. Ein geschäftlicher Zweck der Lagerung ist im Hinblick auf den entsprechenden Geschäftszweig der Beklagten indiziert. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass es sich bei den vorliegenden Lagerräumen um dem MRG unterliegende Geschäftsräumlichkeiten handle, hält sich somit im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

3.1. Nach § 43 Abs 1 MRG gilt, insoweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, das I. Hauptstück auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossen worden sind.

§ 49 Abs 1 2. Satz MRG ordnet an, dass insoweit für andere Mietverträge, die dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes (§ 1) nicht unterliegen, vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes die Kündigungsbeschränkungen des § 19 des MG anzuwenden waren, die §§ 19 bis 23 MG bis zum 31. 12. 1988 weiter gelten.

Gemäß § 49d Abs 2 MRG (Übergangsregelung zur MRN 2001) gelten § 1 Abs 2 und 4, § 16 und § 30 Abs 2 MRG jeweils in der Fassung der Mietrechtsnovelle 2001, BGBl I Nr 161/2001, für Mietverträge, die nach dem 31. 12. 2001 geschlossen wurden.

3.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass für vor dem 1. 1. 2002 abgeschlossene Mietverträge die Vollausnahme vom MRG für Mietgegenstände, die in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbstständigen Wohnungen oder Geschäftsräumen liegen (§ 1 Abs 2 Z 5 MRG), nicht anwendbar ist, sondern dass für solche Bestandverhältnisse noch die alte Rechtslage nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG aF gilt (vgl 5 Ob 112/05i; 7 Ob 70/07f). Diese Bestimmung bezieht sich aber einerseits nur auf Wohnungen, nicht aber auf Geschäftsräume (vgl RIS‑Justiz RS0069320), und andererseits gelten auch für die darin genannten Bestandverhältnisse (aufgrund der dort normierten Teilanwendung des MRG) die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG.

4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach im konkreten Fall kein Ausnahmetatbestand von den Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG gegeben und die außergerichtliche Kündigung nicht wirksam sei, ist daher nicht zu beanstanden. Die außerordentliche Revision des Klägers vermochte dieser Beurteilung keine stichhaltigen Argumente entgegenzusetzen.

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