OGH 12Os42/18w

OGH12Os42/18w17.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Angelika L***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Z 1 und 2, 15 Abs 1 StGB aF, AZ 23 Hv 46/97 des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 17. Februar 1998, GZ 23 Hv 46/97‑47, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00042.18W.0517.000

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Februar 1998, GZ 23 Hv 46/97‑47, verletzt durch die Unterlassung der Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. Jänner 1998, AZ 8 U 447/96, das Gesetz in § 31 Abs 1 StGB.

Das genannte Urteil des Landesgerichts Innsbruck, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch nach § 13 Abs 1 JGG aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das genannte Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck wird von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen.

Gründe:

Mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen, in gekürzter Form ausgefertigten Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. Jänner 1998, AZ 8 U 447/96, wurde die am 20. November 1981 geborene Angelika L***** (richtig [vgl RIS-Justiz RS0114927]:) des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 Abs 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe im Ausmaß von neunzig Tagessätzen in Höhe von 30 Schilling, im Fall deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 45 Tagen verurteilt.

In der Folge erkannte der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck in Jugendstrafsachen die Genannte mit dem gleichfalls unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen, in gekürzter Form ausgefertigten Urteil vom 17. Februar 1998, GZ 23 Hv 46/97‑47, des am 25. und 26. Juli 1996 begangenen Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Z 1 und 2, 15 StGB aF schuldig. Nach § 13 Abs 1 JGG wurde der Ausspruch der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten.

Eine Bedachtnahme auf das in der Hauptverhandlung einvernehmlich verlesene (ON 46 S 475), seit 20. Jänner 1998 rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. Jänner 1998, AZ 8 U 447/96 (ON 42; vgl auch ON 43 S 461) nach § 31 StGB unterblieb.

Am 11. Mai 2000 wurde gemäß § 15 Abs 3 letzter Satz JGG von der Verhängung einer Strafe endgültig abgesehen (ON 61 S 537).

Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 25. August 2017 (ON 65) wies der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck den von der Staatsanwaltschaft – zur Vermeidung tilgungsrechtlicher Nachteile – gestellten Antrag (ON 64), gemäß § 31a StGB nachträglich festzustellen, dass die genannten Urteile im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stünden, auf Basis der (mängelfrei begründeten) Sachverhaltsannahme ab, dass das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. Jänner 1998, AZ 8 U 447/96, im gegenständlichen Verfahren bekannt gewesen und daher der Umstand der früheren Verurteilung weder (iSd § 31a Abs 1 StGB) nachträglich eingetreten noch bekannt geworden sei.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Februar 1998, GZ 23 Hv 46/97‑47, steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Wird jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, ist gemäß § 31 Abs 1 erster Satz StGB eine Zusatzstrafe zu verhängen oder– wenn bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte auszusprechen wäre – gemäß § 40 zweiter Satz StGB von einer solchen abzusehen. Die hier unterbliebene Bedachtnahme auf das zu ON 42 im Akt befindliche, in der Hauptverhandlung verlesene Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. Jänner 1998, AZ 8 U 447/96, verletzt daher § 31 Abs 1 StGB.

Außerdem ist im Fall einer – wie hier – nach § 31 Abs 1 StGB notwendigen Bedachtnahme auf ein Vorurteil ein Ausspruch nach § 13 Abs 1 JGG unzulässig, weil auf Basis eines für angemessen erachteten Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe eben keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte Sanktion auszusprechen wäre. In diesen Fällen ist vielmehr gemäß § 40 StGB von der Verhängung einer Zusatzstrafe abzusehen (RIS-Justiz RS0127273; Schroll in WK2 JGG § 13 Rz 11).

Mit Blick auf § 6 Abs 6 zweiter Satz TilgG (vgl Kert, WK‑StPO § 6 TilgG Rz 44) sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verbinden.

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