European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00046.18G.0517.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (9 ObA 63/17f; RIS‑Justiz RS0042963). Die in der außerordentlichen Revision der Beklagten angesprochene Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hat, etwa weil es die Behandlung einer Mängelrüge infolge der vermeintlichen rechtlichen Unerheblichkeit des gerügten Mangels unterließ (RIS‑Justiz RS0043051 [T5]; RS0106371 [T5]). Die in diesem Sinn ergangenen Entscheidungen beziehen sich allerdings nicht auf den Fall, dass das Berufungsgericht einen primären Verfahrensmangel nach ausdrücklicher Prüfung verneint hat, unterläge doch sonst jede zweitinstanzliche Entscheidung über eine Mängelrüge der Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof (RIS‑Justiz RS0043051 [T4]). Insofern kann der Grundsatz, dass ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann, auch nicht durch die Behauptung der Revisionswerberin, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]).
Abgesehen davon ist die Frage, ob ein bestimmtes Vorbringen Anlass zu einer Erörterung oder Anleitung einer Partei durch das Gericht geben könnte, grundsätzlich so einzelfallbezogen, dass darin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (RIS‑Justiz RS0114544). Dies ist auch hier nicht der Fall, weil das Berufungsgericht die vermeintliche Verletzung der Erörterungspflicht des Erstgerichts schon im Hinblick auf das Vorbringen beider Parteien in erster Instanz in vertretbarer Weise verneint hat. Der Kläger wendete nämlich – entgegen der Behauptung in der Revision – nicht nur ein, dass Vorwürfe, die länger als sechs Monate zurücklägen, verwirkt seien, sondern auch, dass hinsichtlich dieser Vorwürfe jedenfalls der Unverzüglichkeitsgrundsatz verletzt worden sei (ON 35 Seite 5). Dem hielt die Beklagte entgegen, dass die maßgeblichen Kündigungsgründe in zeitlicher Nähe (erkennbar gemeint: zur Kündigung) gelegen seien. Nach herrschender Rechtsprechung bedarf es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RIS‑Justiz RS0122365).
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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