European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00038.18I.0509.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gabriel K***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 8. Juli 2016 in K***** der am 3. September 2015 geborenen Laura E***** durch eine hebelnde und/oder biegende und/oder fixierende Gewalteinwirkung eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine an sich schwere Verletzung (Fraktur des rechten Oberschenkelknochens) verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung (Gipsanlage), absichtlich zugefügt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 [lit] a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Nachdem der vom Schöffengericht zur Klärung der Verletzungsursache beigezogene Sachverständige aus dem Fach der Gerichtsmedizin in der Hauptverhandlung vernommen worden war (ON 55 S 16 bis 24), beantragte der Angeklagte die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach der Kinder- und Jugendchirurgie
1. als „weiteren medizinischen Sachverständigen“ mit der Behauptung von Mangelhaftigkeit des bereits erstatteten Gutachtens (ON 55 S 24 f), ferner
2. „zum Beweis dafür, dass es bei dem bei mj. Laura E***** vorgelegenen Bruch nicht möglich ist, den Oberschenkel an zwei Stellen festzuhalten oder zu fixieren und den Knochen dann durch Biegen zu brechen, da das körperferne Bruchfragment zu kurz ist, um den Knochen zu fixieren und dann knapp oberhalb zu brechen“ (ON 55 S 25), und
3. „zum Beweis dafür, dass der vom Angeklagten geschilderte und im Heimvideo Beilage ./B nachgestellte Vorfall beim Aussteigen aus der Badewanne für die bei mj. Laura E***** eingetretene Verletzung ursächlich gewesen sein kann, insbesondere dann, wenn man sich nicht ausschließlich auf das distale Drittel des Oberschenkelknochen kapriziert sondern auch eine tiefer stehende Berührung körperfern mit der Badewanne ins Kalkül zieht“ (ON 55 S 25).
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel dieser Antrag zu Recht der Abweisung (ON 55 S 26 f):
Zum Zeitpunkt der Antragstellung lag – ua gerade zu den angesprochenen Beweisthemen – bereits ein dem Beschwerdeführer nachteiliges Gutachten des vom Gericht beigezogenen Sachverständigen vor. Dieser war– unmissverständlich – zu der Einschätzung gelangt, für das Zustandekommen des Knochenbruchs habe es einer an zwei Stellen zugleich einsetzenden, gegeneinander wirkenden „Anwendung massiver Gewalt“ bedurft; als Verletzungsursache komme – beispielsweise – ein „zweifache[s] Fixieren und Durchbiegen“ des Knochens in Betracht; mit einem (Unfall‑)Geschehen, wie es der Angeklagte „auf dem Video demonstriert“ habe, sei die anhand von Röntgenbildern objektivierte Verletzung des Opfers dagegen „biomechanisch nicht kompatibel“ (ON 55 S 16 ff). Den Sachverständigen zu befragen hatte der Angeklagte in der Hauptverhandlung Gelegenheit (die er durch seinen Verteidiger unter Hinzuziehung einer Person mit besonderem Fachwissen [§ 249 Abs 3 StPO], nämlich der Fachärztin für Kinder- und Jugendchirurgie Dr. M***** [vgl ON 50 S 13], wahrnahm – ON 55 S 16 bis 24). Das Gutachten eines weiteren Sachverständigen (zu denselben Beweisthemen – Punkte 2. und 3.) hätte daher nur durch Aufzeigen von – auch bei der Befragung nicht beseitigten – Mängeln im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO (Punkt 1.) unter der Sanktion des § 281 Abs 1 Z 4 StPO erwirkt werden können (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351 [erster Absatz], 373; RIS‑Justiz RS0117263).
Das betreffende Antragsvorbringen (Punkt 1.) allerdings erschöpfte sich in – nicht weiter substantiierten – Behauptungen, der Sachverständige habe sein diesbezügliches (Punkte 2. und 3.) Kalkül „nicht nachvollziehbar darlegen“ können; da „der Befund“ „unbestimmt“ sei, weil „die Erörterungen“ des Sachverständigen „nicht verständlich bzw. nicht nachvollziehbar“ seien und „nicht erkennen“ ließen, „aus welchen Gründen der Sachverständige zu den darin festgestellten Tatsachen kommt, insbesondere, wenn er darauf hinweis[e], dass es angeblich im Vorfeld Fälle gegeben ha[be], die er nicht konkretisiert“ habe „bzw. das Gutachten widersprüchlich und mangelhaft“ sei; dies „deshalb, weil es unschlüssig“ „bzw. unklar“ sei „bzw. weil es nicht folgerichtig bezogene Schlussfolgerungen“ enthalte „bzw. die vertretene Ansicht im Gutachten nicht mit den gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaft übereinstimm[e], sich diese Bedenken auch nicht durch Befragung“ hätten „beseitigen lassen und der Sachverständige auch nicht in der Lage“ sei, „die von Seiten der Verteidigung erhobenen Einwände, wie sie sich in der kindertraumatologischen Stellungnahme von Dr. Lisa M*****, Beilage ./A finden, auszuräumen“ (ON 55 S 24). Eine fundierte Darlegung, weshalb dies in Bezug auf welche konkrete Gutachtensaussage in welcher Hinsicht der Fall sein sollte (zum Begründungserfordernis Hinterhofer , WK-StPO § 127 Rz 16), ließ der Antrag indes vermissen.
Mängel im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO konnte der Angeklagte damit (gerade) nicht aufzeigen. Auch, soweit er (der Sache nach) zur Überprüfung der vom Sachverständigen erbrachten Ergebnisse gestellt wurde (Punkte 2. und 3.), zielte der Antrag daher – im Stadium der Hauptverhandlung unzulässig – auf Erkundungsbeweisführung ab (abermals RIS‑Justiz RS0117263 [insbesondere T2, T10]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 351 [vierter Absatz]). Im Übrigen ließ er nicht erkennen, weshalb (just) ein Sachverständiger aus dem Fach der Kinder- und Jugendchirurgie zu anderen Schlüssen gelangen sollte als der vom Gericht beigezogene Experte.
Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des sich aus dem Wesen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).
Die konstatierte Fraktur des rechten Oberschenkelknochens fügte der Angeklagte seiner zehn Monate alten Tochter nach den – insoweit wahldeutigen (zur Zulässigkeit RIS‑Justiz RS0098710) – Urteilsfeststellungen „durch eine hebelnde und/oder biegende und/oder fixierende Gewalteinwirkung (im Sinne eines Hebelns, Biegens vielleicht auch Schlagens)“ zu (US 2).
Dass es dem Angeklagten dabei „darauf an[kam]“ sie „in der beschriebenen Form am Körper zu verletzen“ (US 2), erschloss das Erstgericht aus diesen äußeren Tatumständen im Zusammenhalt mit der – auf das erwähnte Sachverständigengutachten gestützten – Überlegung, nur eine biomechanische Fremdeinwirkung „im Sinne der – für den Angeklagten sogar selbst körperlich vergleichsweise anstrengenden – Anwendung massiver Gewalt bzw einer kräftigen, erheblichen Gewalteinwirkung […] gegen die verletzte Region des Säuglings“ komme als Entstehungsursache in Betracht (US 12).
Dem Vorwurf bloßer „Scheingründe“ (Z 5 vierter Fall) zuwider ist diese Ableitung unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Vielmehr ist der Schluss vom gezeigten Verhalten (und hier auch: dessen [Verletzungs-]Folgen) auf das diesem zugrunde liegende subjektive Handlungselement bei einem – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882 [insbesondere T1, T3, T8], RS0098671 [insbesondere T5, T7]). Dass auch davon verschiedene Schlussfolgerungen denkbar wären, stellt den Nichtigkeitsgrund nicht her (RIS‑Justiz RS0098362).
Kein logischer Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen der Feststellung einer „fixierenden Gewalteinwirkung“ (als einer von mehreren alternativ konstatierten Verhaltensweisen) und der Feststellung der Ursächlichkeit einer dieser (mehreren) Verhaltensweisen für die konstatierten Verletzungsfolgen.
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die Feststellung einer (nur) „fixierenden Gewalteinwirkung“ (als Verletzungsursache) anficht, spricht sie – angesichts der unbekämpft gebliebenen, alternativ dazu getroffenen (und zum selben rechtlichen Schluss führenden) Konstatierungen weiterer Verhaltensweisen („fixierende“ und „hebelnde und/oder biegende“ oder nur „hebelnde und/oder biegende“ Gewalteinwirkung) – keine entscheidende (nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame) Tatsache an. Damit verfehlt sie von vornherein ihren gesetzlichen Bezugspunkt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 391, 399).
Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wiederum gelingt es nicht, nach Maßgabe juristisch geordneter Gedankenführung (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565) darzulegen, weshalb eine „fixierende Gewalteinwirkung“ nicht als Tathandlung eines Verbrechens nach § 87 Abs 1 StGB („Zufügen“ einer schweren Körperverletzung) in Betracht kommen, sondern (jedenfalls) „überhaupt kein strafrechtlich zu ahndendes Verhalten darstell[en]“ sollte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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