European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00024.18B.0425.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.369,70 EUR (darin 394,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin in dem am 14. April 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Verlassenschaft nach dem am 15. Dezember 2014 verstorbenen Lebensgefährten der Beklagten.
Die Beklagte und ihr Lebensgefährte hatten im Jahr 2003 eine Liegenschaft je zur Hälfte erworben und darauf im Jahr 2006 ein Gebäude errichten lassen; die Finanzierung erfolgte teilweise durch Kreditaufnahmen.
Am 5. November 2010 schloss der Lebensgefährte der Beklagten mit der W***** eine Risikoablebensversicherung mit fallender Versicherungssumme und abgekürzter Beitragszahlungsdauer ab. Bezugsberechtigt war im Erlebensfall der Versicherungsnehmer, in dessen Todesfall die Beklagte. Der Lebensgefährte räumte der Beklagten das Bezugsrecht unentgeltlich ein; weder er noch die Beklagte haben dieses widerrufen. Im Versicherungsvertrag ist festgelegt, dass der Versicherungsnehmer das Bezugsrecht bis zum Eintritt des Versicherungsfalls jederzeit widerrufen und auch ausdrücklich bestimmen kann, dass der Bezugsberechtigte sofort und unwiderruflich die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben soll. Nach Eintritt des Versicherungsfalls (Tod des Lebensgefährten der Beklagten) verweigerte die Versicherung zunächst die Zahlung der vollständigen Versicherungsleistung mit Hinweis darauf, dass der Lebensgefährte beim Abschluss der Versicherung falsche Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht habe. Später bot sie eine Zahlung von 103.600 EUR (einschließlich 3.600 EUR Kostenersatz) „vergleichsweise“ an und am 4. März 2016 wurde schließlich dieser Betrag auf das Konto des Beklagtenvertreters überwiesen.
Die Klägerin begehrte (neben einer weiteren Anfechtungsklage betreffend die Schenkung der Liegenschaftshälfte an die Beklagte, die nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist), die Einräumung des Bezugsrechts der Lebensversicherung im Todesfall für die Beklagte sowie die Unterlassung des Widerrufs dieser Berechtigung gegenüber den Insolvenzgläubigern für unwirksam zu erklären und die Zahlung von 100.000 EUR sA an die Insolvenzmasse. Erst durch den Versicherungsfall (das Ableben des Versicherungsnehmers) sei die bis dahin bloße Erwerbshoffnung der Beklagten in ein bedingtes Recht gewandelt worden. Der Lebensgefährte der Beklagten wäre spätestens am 1. August 2013, an dem er sein einziges wesentliches Vermögen (die Liegenschaftshälfte) der Beklagten geschenkt (und damit seinen Gläubigern entzogen) habe, zum Widerruf der Bezugsberechtigung für die Lebensversicherung verpflichtet gewesen. Er habe dabei in der Absicht gehandelt, seine Gläubiger zu benachteiligen. Die Beklagte habe die Benachteiligungsabsicht gekannt oder zumindest kennen müssen; sie gehöre auch zum Kreis der nahen Angehörigen.
Die Beklagte wendete zu dieser Anfechtungsklage im Wesentlichen ein, sie habe keine Versicherungsleistung erhalten, sondern lediglich eine Kulanzlösung mit der Versicherung erzielt. Die Vergleichszahlung der Versicherung sei nicht angefochten worden. Die Beklagte habe die Leistung originär erworben. Eine Verpflichtung zum Widerruf des Bezugsrechts der Beklagten habe nie bestanden. Eine Benachteiligungsabsicht des Lebensgefährten sei nicht vorgelegen und schon gar nicht habe die Beklagte Kenntnis von einer solchen gehabt.
Das Erstgericht gab beiden Anfechtungsklagen statt.
Zum angefochtenen Bezugsrecht aus der Lebensversicherung führte es aus, der Versicherungsfall sei mit dem Tod des Lebensgefährten als Versicherungsnehmer eingetreten; ein Widerruf der Bezugsberechtigung sei bis dahin jederzeit möglich gewesen. Die Benachteiligung der Gläubiger ergebe sich aus der Unentgeltlichkeit der Bezugsrechtseinräumung; ein anderer Grund als Freigebigkeit liege nicht vor. Die Beklagte habe bis zum Eintritt des Versicherungsfalls nur eine „Erwerbshoffnung“ gehabt und kein (durch das Ableben des Versicherungsnehmers) bedingtes Recht. Auch wenn die Auszahlung der Versicherungsleistung strittig gewesen sei, habe die Versicherung 100.000 EUR geleistet und diese Summe steigere die Befriedigungsaussicht für Insolvenz‑ und Massegläubiger, weshalb die Anfechtung erfolgreich sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen diesen Teil der Entscheidung nicht Folge, bestätigte ihn als Teilurteil und hob – insoweit unbekämpft – das Urteil über die Anfechtung des Schenkungsvertrags unter Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht auf.
Die Lebensversicherung mit Begünstigung eines Dritten verschaffe diesem keinen direkten Anspruch; bis zum Eintritt des Versicherungsfalls habe er keine gesicherte Rechtsposition. Daher sei die Anfechtbarkeit einer solchen Bezugsrechtseinräumung immer dann gegeben, wenn der Versicherungsfall selbst, der das widerrufliche Bezugsrecht in einen unwiderruflichen Anspruch wandle, in die kritischen Fristen falle. Nach den überzeugenden jüngeren Lehrmeinungen und auch nach der herrschenden Ansicht in Deutschland umfasse der Leistungsanspruch im Anfechtungsfall die dem Begünstigten bereits ausbezahlte Versicherungssumme (und nicht nur die Summe der vom Schuldner geleisteten Prämien), weil genau diese Leistung, die ohne das unentgeltliche Bezugsrecht in die Verlassenschaft gefallen wäre, der Masse entgehe. Die von der Beklagten erhaltene Leistung der Versicherung habe ihre Wurzel im Versicherungsvertrag, weshalb sich daran auch nichts dadurch ändere, dass diese erst im Wege einer vergleichsweisen Einigung geleistet worden sei.
Die Revision sei zulässig, weil zur Frage der Anfechtbarkeit des Bezugsrechts eines begünstigten Dritten aus einem Lebensversicherungsvertrag unterschiedliche Lehrmeinungen existierten und der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage in den letzten Jahrzehnten nicht Stellung genommen habe.
Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Teilurteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
1.1 Gemäß § 29 Z 1 IO sind unentgeltliche Verfügungen des Schuldners, die er in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, anfechtbar, soweit es sich nicht um die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung, um gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke oder um Verfügungen in angemessener Höhe handelt, die zu gemeinnützigen Zwecken gemacht wurden, oder durch die einer sittlichen Pflicht oder Rücksichten des Anstandes entsprochen worden ist. Damit sind (von den erwähnten Ausnahmen abgesehen) sämtliche innerhalb der letzten zwei Jahre vor Insolvenzeröffnung getätigten unentgeltlichen Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner zum Zeitpunkt der Verfügung bereits insolvenzreif war, und auch unabhängig von einer rechtswidrigen Absicht oder einer Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer solchen Absicht. § 29 IO wird daher auch als objektiver Anfechtungstatbestand bezeichnet; nur die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen wie Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung bzw (zumindest mittelbare) Gläubigerbenachteiligung (zum Inhalt dieser Begriffe König , Anfechtung 5 Rz 5/1 ff; RIS‑Justiz RS0064304), müssen auch hier vorliegen (RIS‑Justiz RS0064333, jüngst 3 Ob 182/17m; Rebernig in Konecny / Schubert , Insolvenzgesetze § 29 KO Rz 2).
1.2 Unentgeltlich ist eine Verfügung dann, wenn der Handelnde dafür kein Entgelt (Gegenleistung) oder nur ein Scheinentgelt erhält. Entgelt ist jeder wirtschaftliche Vorteil, jedes eigenwirtschaftliche Interesse (RIS‑Justiz RS0050235; Rebernig in Konecny / Schubert , Insolvenzgesetze § 29 KO Rz 5 mwN). Eine Gegenleistung muss nicht eine geldwerte Leistung sein; es genügt, dass auf der Seite des Leistenden ein Interesse an einem bestimmten Verhalten des Empfängers der Leistung besteht (RIS‑Justiz RS0018852; RS0018846; RS0017193 [T4]).
1.3 Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Lebensgefährte der Beklagten das – bis zum Eintritt des Versicherungsfalls jederzeit widerrufliche – Bezugsrecht aus der von ihm abgeschlossenen Lebensversicherung der Beklagten unentgeltlich eingeräumt und nicht widerrufen hat. Die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung zieht auch die Beklagte selbst nicht in Zweifel. Da die Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit der Bezugsberechtigung aus der Lebensversicherung somit grundsätzlich erfüllt sind, ist zu prüfen, worauf dieser Anfechtungsanspruch gerichtet ist.
2.1 Mit der Frage des Umfangs der Anfechtung des unentgeltlich eingeräumten Bezugsrechts aus einer Lebensversicherung hat sich der Oberste Gerichtshof in der – vom Berufungsgericht zutreffend zitierten – Entscheidung vom 3. Juni 1931 zu 1 Ob 507/31 (SZ 13/140) befasst und ausgesprochen, dass verkürzte Gläubiger die durch eine Bezugsberechtigung einer Lebensversicherung bewirkte Vermögenszuwendung an einen Dritten anfechten könnten, weil dem Vermögen des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme entgangen sei, die andernfalls „vielleicht“ in dessen Nachlass gefallen wäre. Das Leistungsbegehren könne aber „nach der Rechtslehre“ nicht die ganze Versicherungssumme erfassen, sondern, da die Leistung nicht auf Kosten des Versicherungsnehmers oder seines Nachlasses gehe, immer nur die Summe der vom Versicherungsnehmer aufgewendeten Prämien. Diese Entscheidungsbegründung bezog sich auf Ehrenzweig (Kommentar zur Anfechtungsordnung [1916] 161f) und Bartsch / Pollak (Konkurs‑, Ausgleichs‑, Anfechtungsordnung und deren Einführungsverordnung 2 [1927] 210), die damals argumentierten, bei der Versicherung zugunsten eines Dritten, der unmittelbar ein Recht auf die Versicherungsleistung gegen den Versicherer erhalte, sei nicht die Versicherungsleistung (Versicherungssumme) auf Kosten der Masse erworben worden, auch nicht der Zeitwert (Rückkaufswert) der Polizze, sondern nur die Summe der geleisteten Prämien ( Bartsch / Pollak , Konkurs‑, Ausgleichs‑, Anfechtungsordnung und deren Einführungsverordnung 2 [1927] 210; ebenso bereits in der ersten Auflage [1916] 223). Ehrenzweig meinte damals, auch durch die Änderung des § 39 KO, nach dessen Neufassung der Anfechtungsanspruch auch das umfasse, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen ist, werde diese Frage nicht berührt; die Versicherungssumme könne dem Vermögen des Versicherungsnehmers nicht entgehen, weil sie ihm „nie zufallen“ könne (Kommentar zur Anfechtungsordnung [1916] 162). Durch nachträgliches Setzen einer Begünstigungsklausel werde – von den etwa nachfolgenden Prämienzahlungen abgesehen – nicht der volle Zukunftswert der Polizze „weggegeben“, sondern nur deren Zeitwert, den der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der anfechtbaren Polizzenumschreibung durch Rückkauf hätte erlangen können; nur dieser sei daher zurück zu leisten, nicht die Versicherungssumme ( Ehrenzweig , Kommentar zur Anfechtungsordnung [1916] 162). Der weitere in der Entscheidung 1 Ob 507/31 zitierte Kommentator Rintelen (Die Konkursordnung [1915] 70) meinte hingegen zu dieser Frage, den Gegenstand der Anfechtung bilde „eventuell die nunmehr dem Anfechtungsgegner ausbezahlte Versicherungssumme“.
Später änderte Ehrenzweig seine Meinung und führte zum Versicherungsrecht aus, nach österreichischem Recht sei dem Vermögen des Versicherungsnehmers durch eine Begünstigungsklausel die Versicherungssumme entgangen, weil diese Summe sonst in die Verlassenschaft gefallen wäre ( Ehrenzweig , Versicherungsvertragsrecht [1935] S 789 f; ebenso bereits derselbe , Die Rechtsordnung der Vertragsversicherung [1929] 392 f; sowie – in Abgrenzung zur damaligen Rechtslage in Deutschland derselbe , Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht [1952] 408 FN 7; ebenso offenbar bereits die von Rintelen , KO [1915] 70, zitierte Entscheidung vom 6. Dezember 1910, Rv. I 856/10, GlUNF 5256).
2.2 Die jüngeren Lehrmeinungen zu dieser Frage kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass bei erfolgreicher Anfechtung eines unentgeltlich eingeräumten, widerruflichen Bezugsrechts aus einer Lebensversicherung der Bezugsberechtigte die gesamte Versicherungssumme herauszugeben hat.
So argumentiert insbesondere König (Lebensversicherungsverträge und Anfechtbarkeit nach der KO, ZIK 2002, 110 ff), die in der österreichischen Lehre aufzufindende Ansicht, die Versicherungssumme sei im Weg der Anfechtung nicht von der Rückleistungspflicht erfasst, treffe aufgrund der bewusst (abweichend von der Rechtslage in Deutschland) gewählten Formulierung des Leistungsanspruchs im österreichischen Recht (§ 39 Abs 1 KO und ebenso § 13 Abs 1 AnfO) nicht zu: Der Anfechtungsgegner habe nicht nur (wie nach der deutschen Konkursordnung/Insolvenzordnung) das aus dem Vermögen des Schuldners Veräußerte, Weggegebene oder Aufgegebene zurück zu leisten, sondern auch der Masse (bloß) Entgangenes (erstmalig) „einzuliefern“ (ZIK 2002, 110 ff). Durch die Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung könne die Versicherungssumme zur Masse gezogen werden, weil diese dem Vermögen des Insolvenzschuldners unbestreitbar entgangen sei ( König , Die Anfechtung nach der Konkursordnung 5 9/29).
Dieser Ansicht schließt sich Parapatits (Der Vertrag zugunsten Dritter [2011] 257 ff) mit ausführlicher Begründung und systematischen Überlegungen zum Deckungs‑ und Valutaverhältnis an. Sie verweist ebenfalls auf den Wortlaut des § 39 Abs 1 IO, nach dem der Anfechtungsanspruch auch das der Masse Entgangene umfasst. Die Bestimmung sei historisch so zu verstehen, dass die – Anfang des 20. Jahrhunderts neu geregelte – Aufnahme des „Entgangenen“ in § 39 KO insbesondere auf die Umgehung der Anfechtungsbestimmungen durch Verträge zugunsten Dritter abgezielt habe, während die vorherige Regelung – der unveränderten deutschen Rechtslage entsprechend – nur vorsah, dass der Konkursmasse zurückzuleiten sei, was „aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben“ wurde. Der Gesetzgeber habe damals auf Verträge reagiert, in denen Arbeitgeber mit ihren (insolventen) Arbeitnehmern vereinbarten, ihnen nur den – nicht in die Konkursmasse fallenden – Mindestverdienst auszuzahlen und den restlichen Lohn direkt einer dritten Person (unanfechtbar) zuzuwenden; eine Umgehungsabsicht der Parteien sei allerdings bereits damals in der gesetzlichen Regelung nicht gefordert worden. Die Intention des Gesetzgebers sei es gewesen, mit dieser Regelung auch die zur Verhinderung eines Vermögenszuwachses gesetzten Rechtshandlungen des Schuldners zu treffen. Aber auch teleologische Argumente sprechen nach Parapatits für die Herausgabe der Versicherungssumme, denn bei einer hypothetischen Leistungserbringung „im langen Weg“ (von der Versicherung an den Versicherungsnehmer und erst dann unentgeltlich an den Bezugsberechtigten) bestehe kein Zweifel, dass der Dritte bei erfolgreicher Anfechtung das „gesamte Geschenk“ herauszugeben habe ( Parapatits , Vertrag zugunsten Dritter 261). Aus der erfolgreichen Anfechtung des Valutaverhältnisses (zwischen dem Schuldner als Versprechensempfänger/Versicherungsnehmer und dem Dritten) folge schließlich, dass der Dritte herauszugeben habe, was ihm unentgeltlich zugewendet worden sei; dies könne daher auch unter den Tatbestand „aufgegeben oder veräußert“ des § 39 IO subsumiert werden, weil der Dritte im Valutaverhältnis diese Summe aus dem Vermögen des Versprechensempfängers erhalte ( Parapatits , Vertrag zugunsten Dritter 262).
Ähnlich sieht dies letztlich auch Rebernig (in Konecny / Schubert , Insolvenzgesetze § 30 Rz 40): Die Anfechtung der Bezugsrechtseinräumung der Lebensversicherung beseitige die Grundlage für die Auszahlung der Versicherungssumme an den Bezugsberechtigten (Anfechtungsgegner) und ein bereits ausbezahlter Betrag sei der Masse auszufolgen.
Die als gegenteilig angeführte Rechtsansicht von Koziol / Bollenberger (in Bartsch / Bollenberger / Buchegger , Insolvenzrecht 4 I [2000] § 27 Rz 33), die sich auf Ehrenzweig (Kommentar zur Anfechtungsordnung [1916] 162) und die Entscheidung SZ 13/140 berufen, behandelt ausdrücklich (nur) die Versicherung zugunsten eines Dritten (nach § 75 Abs 2 VersVG), bei der dieser Dritte unmittelbar ein Recht auf die Versicherungsleistung gegen die Versicherung erhält. Koziol / Bollenberger meinen dazu, in einem solchen Fall sei lediglich die Summe der geleisteten Prämien zum Nachteil der Masse aufgewendet worden. In ihrer Kommentierung zu §§ 39, 40 IO gehen diese Autoren jedoch ebenfalls ausdrücklich davon aus, dass der Anfechtungsanspruch auch das erfasst, was dem Vermögen des Schuldners entgangen ist, was also der Masse zugeflossen wäre, wenn die anfechtbare Handlung nicht vorgenommen worden wäre ( Koziol / Bollenberger in Bartsch / Bollenberger / Buchegger , Insolvenzrecht 4 I §§ 39, 40 Rz 13).
2.3 Den überzeugenden Argumenten der hier zusammengefasst wiedergegebenen jüngeren Lehrmeinungen zum Umfang des – nach § 29 Z 1 IO erfolgreichen – Anfechtungsanspruchs bei einem unentgeltlich eingeräumten, widerruflichen Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung ist zu folgen: § 39 Abs 1 IO bestimmt, dass zur Insolvenzmasse geleistet werden muss, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen, daraus veräußert oder aufgegeben worden ist. Ziel des Anfechtungsanspruchs ist allgemein – wie bereits in zahlreichen Entscheidungen hervorgehoben wurde – nicht nur die Wiederherstellung des Zustands der Masse vor der Rechtshandlung, sondern die Herstellung des Zustands, in dem sich die Masse befinden würde, wenn die anfechtbare Rechtshandlung nicht vorgenommen worden wäre (RIS‑Justiz RS0050372).
Der Anfechtungstatbestand des § 29 IO knüpft an die unentgeltliche Verfügung an; diese fand im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Dritten statt. Die erfolgreiche Anfechtung dieser Rechtshandlung (hier: der unentgeltlichen, widerruflichen Einräumung des Bezugsrechts aus der Lebensversicherung) beseitigt auch die Anspruchsgrundlage des Dritten gegenüber der Versicherung und damit den Rechtsgrund, eine bereits ausbezahlte Versicherungssumme zu behalten ( Rebernig in Konecny / Schubert , Insolvenzgesetze § 30 Rz 40). Dabei richtet sich die Anfechtbarkeit des Bezugsrechts hier – wegen der widerruflichen Einräumung – nach dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls ( Rebernig § 30 Rz 40 mwN).
Die Beklagte hat den Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme somit aufgrund des ihr von ihrem Lebensgefährten – unentgeltlich und bis zum Eintritt des Versicherungsfalls widerruflich – eingeräumten Bezugsrechts gegenüber der Versicherung erworben. Durch die Rückzahlung dieses Betrags wird derjenige Zustand der Masse (der Verlassenschaft nach dem Lebensgefährten) hergestellt, in dem sie sich ohne die anfechtbare unentgeltliche Einräumung des Bezugsrechts aus der Lebensversicherung an die Beklagte befunden hätte. Dabei ist es nicht von Bedeutung, dass die Versicherungssumme (zuvor) nicht in das Vermögen des Schuldners (Lebensgefährten) oder in dessen Nachlass gelangt ist; die Beseitigung der erfolgreich angefochtenen Bezugsrechtseinräumung hat vielmehr zur Folge, dass die bereits geleistete Summe nach Beseitigung des Rechtsgrundes dafür an die Klägerin herauszugeben ist. Damit erweist sich die Entscheidung der Vorinstanzen, die dem Anfechtungsanspruch der Klägerin in Höhe der ausbezahlten Versicherungssumme stattgaben, als zutreffend.
3. Die Beklagte meint, die Versicherung habe sich (wegen unrichtiger Angaben des Versicherungsnehmers zu seinem Gesundheitszustand) geweigert, eine Leistung zu erbringen, und erst nach erfolgreichen Vergleichsverhandlungen eine „vom Bestand des Versicherungsvertrags unabhängige Leistung“ an die Beklagte erbracht, die im Übrigen nicht angefochten worden sei.
Dem ist zu erwidern, dass die Versicherungsgesellschaft zwar zunächst die Zahlung der vollständigen Versicherungsleistung mit Hinweis auf falsche Angaben beim Vertragsabschluss verweigerte, dass sie aber dann „vergleichsweise“ eine Zahlung in Höhe des schließlich überwiesenen Betrags „zugesichert“ hat. Aus diesen Feststellungen, die von der Beklagten in ihrer Berufung nicht bekämpft (sondern nur als sekundär mangelhaft beanstandet) wurden, lässt sich eine Novation im Sinn einer Umänderung des Schuldverhältnisses nach §§ 1376 ff ABGB, die in der Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands einer Forderung besteht (RIS‑Justiz RS0032502; RS0032440), nicht ableiten. Eine Änderung des Hauptgegenstands einer Verbindlichkeit setzt voraus, dass ein wesentlich anderer an seine Stelle tritt; es muss eine „artliche“ Verschiedenheit sein, eine bloß „maßliche“ genügt nicht. Eine bloße Vermehrung oder Verminderung ist nicht „Verwechslung“ im Sinn des § 1376 ABGB (7 Ob 112/16w mwN). Eine Novation wird im Zweifel nicht vermutet, sondern die alte Verbindlichkeit wird nicht für aufgelöst gehalten, solange sie mit der neuen noch wohl bestehen kann (RIS‑Justiz RS0032417; vgl auch RS0032303). Der Wille der Parteien muss erweislich dahin gehen, dass auf das alte Vertragsverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden soll (RIS‑Justiz RS0032330).
Auch in diesem Punkt hat das Berufungsgericht bereits zutreffend erkannt, dass die Leistung der Versicherung an die Beklagte „ihre Wurzel“ im Versicherungsvertrag hat und kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Beklagte eine vom Bestand des Versicherungsvertrags gänzlich unabhängige, unangefochten gebliebene Leistung erhalten habe.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
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