OGH 4Ob234/17s

OGH4Ob234/17s22.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin F***** GmbH, *****, vertreten durch Reif & Partner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die Beklagte M***** GmbH, *****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 9. November 2017, GZ 2 R 141/17b‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00234.17S.0322.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Beide Streitteile liefern an den Pharmagroßhandel Kochsalz-Infusionslösungen zur Weitergabe an den niedergelassenen Bereich, zB Apotheken. Die Streitteile stehen zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten (zusammengefasst), es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Glas- oder Plastikflaschen mit Infusionslösungen in Verkehr zu bringen, wenn an den Handelspackungen nicht eine in Übereinstimmung mit der Zusammenfassung der Produkteigenschaften erstellte Gebrauchsinformation (sogenannter Beipackzettel) enthalten und/oder nicht in einem eigenen Karton (= Außenverpackung) ausgeliefert werden, auf dem die Angaben gemäß KennzeichnungsVO abgedruckt sind.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Nach §§ 16 und 17 AMG sei es zulässig, wenn die Beklagte Zehnerkartons mit Plastikflaschen vertreibe, wobei jede einzelne dieser Plastikflaschen eine mit Gummiring angeschlossene Gebrauchsinformation enthalte, bzw wenn sie Zehnerkartons mit Glasflaschen vertreibe, wobei sich in einer Plastikhülle an diesem aufgeklebt zehn Gebrauchsinformationen befänden.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung insoweit, als begehrt wurde, der Beklagten zu untersagen, jede Glas- oder Plastikflasche jeweils in einem eigenen Karton auszuliefern. Im Übrigen (Inverkehrbringen von Infusionslösungen in Glasflaschen, ohne dass eine Gebrauchsinformation enthalten ist) hob es den Beschluss des Erstgerichts wegen unklarer Bescheinigungslage auf.

Der Oberste Gerichtshof wies den von der Klägerin gegen den antragsabweisenden Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses erhobenen Revisionsrekurs zurück (4 Ob 61/17z), indem er die Rechtsansicht des Rekursgerichts, § 17 AMG schreibe nicht für jedes Arzneimittel zwingend eine eigene Außenverpackung vor, für vertretbar hielt.

In der Folge bot die Beklagte der Klägerin zum noch offenen Teil des Sicherungsbegehrens den Abschluss eines gerichtlichen Unterlassungsvergleichs an, wonach sie sich verpflichte, es zu unterlassen, auch zur Einzelabgabe bestimmte Glasflaschen mit Infusionslösungen … an den Großhandel oder Endabnehmer auszuliefern, wenn der Handelspackung weder eine Gebrauchsinformation in der Anzahl der verpackten Flaschen, in einer iS des § 3 Abs 1 der GebrauchsinformationsVO in der jeweils geltenden Fassung entsprechenden Form als Packungsbeilage beigegeben sei noch eine solche auf dem Behältnis oder Außenverpackung iSd § 3 Abs 3 der GebrauchsinformationsVO in der jeweils geltenden Fassung angebracht oder affichiert sei.

Das Erstgericht erließ – ohne sich mit dem Unterlassungsvergleich auseinanderzusetzen – eine einstweilige Verfügung, womit es der Beklagten antragsgemäß (zusammengefasst) untersagte, im geschäftlichen Verkehr Glasflaschen mit Infusionslösungen in Verkehr zu bringen, wenn die Handelspackungen nicht eine in Übereinstimmung mit der Zusammenfassung der Produkteigenschaften erstellte Gebrauchsinformation (sogenannter Beipackzettel) in deutscher Sprache enthalten. Es sei bescheinigt, dass die Beklagte Glasflaschen, die zur Abgabe in Einzelflaschen bestimmt seien, auch derart an den Großhandel geliefert habe, dass sich die zehn Stück Gebrauchsinformation für die Glasflaschen lediglich in einer Plastiktasche an der Außenseite des Zehner-Transportkartons – und damit nicht an der Handelspackung – befunden haben. Dies entspreche nicht der Bestimmung des § 16 Abs 1 AMG.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es das Gebot, wonach die Handelspackungen Beipackzettel enthalten müssen, dahingehend modifizierte, dass den Handelspackungen Beipackzettel beigegeben werden müssen. Das Begehren sei nämlich nicht darauf gerichtet, dass die Handelspackungen die Gebrauchsinformation physisch umschließen müssen, sondern dass bei jeder Handelspackung eine Gebrauchsinformation vorhanden sein muss. Das Vergleichsangebot der Beklagten genüge nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 7 Abs 1 EO, weil nicht erkennbar sei, zu welcher konkreten Leistung sich die Beklagte verpflichte.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Beklagte macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, der von ihr angebotene Unterlassungsvergleich entspreche inhaltlich dem Sicherungsbegehren, nur dass er noch zusätzlich auf die verba legalia Bezug nehme. Damit sei aber die Wiederholungsgefahr weggefallen und der Sicherungsantrag sei abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Das Sicherungsbegehren lautet in der Form des vom Rekursgericht formulierten Unterlassungsgebots (zusammengefasst):

Der Beklagten wird […] verboten, im geschäftlichen Verkehr Glasflaschen mit Infusionslösungen [...] in Verkehr zu bringen, insbesondere an den Großhandel zur Weitergabe an Anwender und Patienten, wenn den Handelspackungen nicht jeweils eine in Übereinstimmung mit der Zusammenfassung der Produkteigenschaften erstellte Gebrauchs-information (sogenannter Beipackzettel) in deutscher Sprache beigefügt ist.

Der von der Beklagten angebotene Unterlassungsvergleich lautet:

Die Beklagte [...] verpflichtet sich ohne Präjudiz für die übrigen Ansprüche und ohne Ansprüche auf Kostenersatz, es ab sofort zu unterlassen, auch zur Einzelabgabe bestimmte Glasflaschen mit Infusionslösungen [...] auszuliefern, wenn der Handelspackung weder eine Gebrauchsinformation in der Anzahl der verpackten Flaschen in einer im Sinne des § 3 Abs 1 der GebrauchsinformationVO in der jeweils geltenden Fassung entsprechenden Form als Packungsbeilage beigegeben ist, noch eine solche auf dem Behältnis oder der Außenverpackung im Sinne des § 3 Abs 3 der GebrauchsinformationVO in der jeweils geltenden Fassung angebracht oder sonst affichiert ist.

Daraus ergibt sich, dass die Klägerin verlangt, der Beklagten möge untersagt werden, Glasflaschen ... in Verkehr zu bringen ..., wenn den Handelspackungen nicht jeweils eine in Übereinstimmung mit der Zusammenfassung der Produkteigenschaften erstellte Gebrauchsinformation (sogenannter Beipackzettel) in deutscher Sprache beigefügt ist, während die Beklagte anbietet es zu unterlassen, Glasflaschen ... auszuliefern, wenn der Handelspackung weder eine Gebrauchsinformation in der Anzahl der verpackten Flaschen in einer im Sinne des § 3 Abs 1 der GebrauchsinformationVO ... entsprechenden Form als Packungsbeilage beigegeben ist, noch eine solche auf dem Behältnis oder der Außenverpackung im Sinn des § 3 Abs 3 der GebrauchsinformationVO ... angebracht oder sonst affichiert ist.

Beide Versionen unterscheiden sich voneinander im Wesentlichen darin, dass die Klägerin die Unterlassung der Auslieferung ohne den Handelspackungen jeweils eine Gebrauchsinformation beizugeben verlangt, während die Beklagte anbietet, eine solche zu unterlassen, wenn der Handelspackung weder eine Gebrauchsinformation in einer dem (genannten) Gesetz entsprechenden Form beigegeben ist, oder der Außenverpackung im Sinn dieser Gesetzesbestimmung angebracht oder sonst affichiert ist.

Dieser Unterschied ist aus nachfolgenden Gründen von Relevanz:

Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr kommt es stets darauf an, ob dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit wichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS‑Justiz RS0012087). Ein Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs beseitigt im Regelfall die Wiederholungsgefahr (RIS‑Justiz RS0079899). Abgesehen von einer gravierenden Fehlbeurteilung (RIS‑Justiz RS0042818 [T3]), begründet es keine erhebliche Rechtsfrage, ob nach den im Einzelfall gegebenen Umständen Wiederholungsgefahr besteht (4 Ob 139/16v mwN).

Eine derartige Fehlbeurteilung wird im Revisionsrekurs nicht aufgezeigt.

Gegenstand des Verfahrens im zweiten Rechtsgang des Provisorialverfahrens ist im Wesentlichen die Frage, ob es einen Verstoß gegen § 16 Abs 1 AMG begründet, wenn die Beklagte bei Glasflaschen, die zur Abgabe in Einzelflaschen bestimmt waren, die 10 Stück Gebrauchsinformation nicht an der jeweiligen Handelspackung, sondern lediglich in einer Plastiktasche an der Außenseite des 10er-Transportkartons beigefügt hat. Dieser Verstoß wurde von den Vorinstanzen bejaht, und dem setzt die Beklagte auch in ihrem Revisionsrekurs nichts Stichhältiges mehr entgegen. Sie beruft sich lediglich auf den von ihr angebotenen Unterlassungsvergleich. Darin lässt sie es aber – im Gegensatz zum insoweit eindeutig formulierten Antragsbegehren – auch genügen, wenn die Gebrauchsinformation auf der Außenverpackung affichiert ist. Der Zusatz „im Sinne des § 3 Abs 3 der GebrauchsinformationsVO“ ist im gegebenen Zusammenhang zu unbestimmt.

Gemäß § 7 Abs 1 EO darf die Exekution nur bewilligt werden, wenn aus dem Exekutionstitel auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind. Das Unterlassungsbegehren ist zu konkretisieren; allgemeine Umschreibungen genügen nicht. Die Abgrenzungskriterien müssen derart bestimmt angegeben sein, dass es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommt (vgl RIS‑Justiz RS0000878 [T7 und T10]).

Überdies ergibt sich aus dem Vergleichsangebot nicht, ob die Beklagte ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen (konkret: Anbringen der Gebrauchsinformation lediglich in einer Plastiktasche an der Außenseite des 10er‑Transportkartons) Abstand zu nehmen.

Die von dem Umständen des Einzelfalls geprägte Beurteilung des Rekursgerichts hält sich im Rahmen der oben aufgezeigten Rechtsprechung zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr. Die Revisionsrekurswerberin zeigt dem gegenüber keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Der Revisionsrekurs ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

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