OGH 1Ob16/18m

OGH1Ob16/18m27.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj S***** L*****, und des mj M***** L*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Mag. W***** L*****, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in Pressbaum, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 14. November 2017, GZ 20 R 230/17i‑9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 14. Juli 2017, GZ 1 Pu 168/14s‑6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00016.18M.0227.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Die beiden Kinder leben mit ihrer Mutter in einem Haus, das den Eltern je zur Hälfte gehört. Der Vater bezieht ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen vom 6.512 EUR. Unstrittig ist, dass sich (ab 1. 1. 2017) unter Anwendung der sogenannten Prozentwertmethode und der Berücksichtigung des Unterhaltsstopps („Luxusgrenze“) Geldunterhaltsansprüche des älteren Sohnes in Höhe von 920 EUR und des jüngeren Sohnes von 788 EUR monatlich ergeben. Strittig ist allein, inwieweit sich diese Unterhaltsansprüche dadurch mindern, dass der Wohnbedarf der Kinder gedeckt ist.

Das Erstgericht erkannte den Vater schuldig, dem älteren Sohn ab 1. 5. 2016 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 690 EUR und dem jüngeren Sohn für die Zeit vom 1. 5. 2016 bis 31. 12. 2016 von 425 EUR sowie ab 1. 1. 2017 von 591 EUR zu zahlen. Auch wenn Unterhalt bei Haushaltstrennung grundsätzlich zur Gänze in Geld zu leisten sei, sei der Geldunterhaltszuspruch um bestimmte anrechenbare Naturalleistungen zu vermindern, sofern (dauerhafte) Zuwendungen Unterhaltscharakter hätten, wozu insbesondere die Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit und die Übernahme der damit verbundenen Kosten gehöre. Eine dem Unterhaltspflichtigen zurechenbare Wohnversorgung müsse als teilweise Deckung des allgemeinen Unterhaltsbedarfs zu einer Verminderung des Geldunterhaltsanspruchs führen, weil es ansonsten zu einer Doppelversorgung käme. Dabei sei in der Regel der anteilige Mietwert der Wohnung anzusetzen. Dem Unterhaltsberechtigten müssten aber darüber hinaus ausreichende Mittel für seinen übrigen Lebensbedarf bleiben. Einen Anhaltspunkt für die Angemessenheit liefere eine (vor mehr als zehn Jahren durchgeführte) Konsumerhebung für die Verbrauchsausgaben privater Haushalte. Da danach durchschnittlich 22,3 % der Haushaltsausgaben auf Wohnkosten entfielen, sollte im Falle einer Geldunterhaltsminderung um mehr als ein Viertel jedenfalls überprüft werden, ob der Restunterhalt noch zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreiche. Im vorliegenden Fall erscheine der von den Kindern in ihrem Unterhaltsantrag vorgenommene Abzug von 25 % für die diese Wohnversorgung betreffenden Naturalunterhalts‑ leistung des Vaters angemessen. Eine genaue Ermittlung des „fiktiven Mietwerts“ sei nicht erforderlich.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Auch wenn die dem unterhaltspflichtigen Vater zurechenbare Wohnversorgung als Naturalunterhaltsleistung zur teilweisen Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs anzurechnen sei, habe das Erstgericht zutreffend berücksichtigt, dass dem Unterhaltsberechtigten stets ein in Geld zu leistender Unterhalt zuzukommen habe, weil er von der Wohnung allein nicht leben könne. Anrechnungen hätten daher nur im angemessenen Umfang zu erfolgen. Wo diese Angemessenheitsgrenze liege, sei stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Grundsätzlich werde die Minderung des Unterhaltsanspruchs um rund ein Viertel als angemessen angesehen, was auch im vorliegenden Fall sachgerecht erscheine. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bei überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen und überdurchschnittlich hohen fiktiven Mietkosten ein höherer Abzug für Naturalleistungen als rund 25 % vorzunehmen sei, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem den Obersten Gerichtshofs nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil die Frage nach der angemessenen Anrechnung von anteiligen „fiktiven Mietkosten“ nach den Umständen des Einzelfalls zu lösen ist (RIS‑Justiz RS0123484 [T1]; 4 Ob 42/10w mwN) und der Revisionsrekurswerber eine korrekturbedürftige Überschreitung des den Gerichten zukommenden Beurteilungsspielraums nicht aufzeigen kann.

Schon die Vorinstanzen haben zutreffend dargelegt, dass die Rechtsprechung bei der Bewertung von in der Wohnversorgung liegenden Naturalunterhaltsleistungen zwar im Regelfall vom anteiligen Mietwert ausgeht (RIS‑Justiz RS0123484; RS0123485; vgl auch RS0123486), dies jedoch – etwa bei einer besonders teuren Wohnung – dahin einschränkt, dass unter Berücksichtigung des übrigen Unterhaltsbedarfs des Kindes gegebenenfalls nur ein angemessener Teil des auf den Kopfteil entfallenden „Mietwerts“ eine Abzugspost vom Geldunterhalt bilden kann (vgl nur 9 Ob 48/13v mwN; RIS‑Justiz RS0123487 [T4, T5, T6]). Wie schon die Vorinstanzen dargelegt haben, wurde etwa zu 4 Ob 42/10w unter Hinweis auf den statistischen Wert von 22,3 % der Wohnkosten an den gesamten Haushaltsausgaben ausgesprochen, dass jedenfalls dann, wenn sich der Geldunterhalt [rechnerisch] aufgrund der Wohnversorgung um mehr als ein Viertel mindern würde, zu überprüfen sei, ob der Restunterhalt noch zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreicht. Auf die dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich erwachsenden Kosten kommt es nicht an (vgl nur 1 Ob 143/12d mwN).

Der Revisionsrekurswerber setzt sich mit der dargelegten Judikatur inhaltlich nicht auseinander, sondern beruft sich stattdessen auf die „Kostenwahrheit“ und eine „marktkonforme Nettomiete“ für das luxuriöse Objekt in bester Lage von monatlich mindestens 4.200 EUR. Damit setzt er aber insbesondere dem Argument, dass sich auch bei gehobenen oder gar luxuriösen Wohnverhältnissen der Geldbedarf für die übrigen Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten nicht vermindert, nichts Überzeugendes entgegen. Auch für die Befriedigung der übrigen Bedürfnisse gilt ja, dass die unterhaltsberechtigten Kinder am (finanziellen) Lebensstandard des Unterhaltspflichtigen teilhaben sollen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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