OGH 9ObA12/18g

OGH9ObA12/18g27.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker und Werner Krachler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexandra Knell, Rechtsanwältin in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. November 2017, GZ 10 Ra 51/17v‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00012.18G.0227.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Anfechtung einer Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist zunächst zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen (RIS‑Justiz RS0051746 [T7]). Ist dies – wie im vorliegenden Fall mittlerweile unstrittig – der Fall, so ist das Vorliegen von subjektiven oder objektiven Kündigungsrecht-fertigungsgründen zu prüfen und anschließend eine Interessenabwägung vorzunehmen.

2. Eine Kündigung ist dann iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG durch betriebliche Erfordernisse begründet, wenn sie im Interesse des Betriebs notwendig ist. Im Fall einer betrieblichen Rationalisierung ist die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der Maßnahme grundsätzlich dem wirtschaftlichen Ermessen des Betriebsinhabers vorbehalten (RIS‑Justiz RS0051649; vgl auch RS0052008). Die konkrete Kündigung muss aber zur Verwirklichung des beabsichtigten Erfolgs geeignet sein (8 ObA 95/11w). Der Arbeitgeber muss sich nur gefallen lassen, dass das Gericht überprüft, ob die Kündigung eines Mitarbeiters tatsächlich zur Kostensenkung führt. Ist dies der Fall, ist sie ein zur Zweckerzielung geeignetes Mittel und sachlich begründet. Die Reduktion von Lohnkosten kann grundsätzlich eine geeignete Maßnahme zur Besserung der Wirtschaftslage des Unternehmens sein (RIS‑Justiz RS0051649 [T12]).

3. Im Rahmen der Prüfung der Betriebsbedingtheit einer Kündigung ist auch zu überprüfen, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist. Diese verpflichtet den Arbeitgeber zu prüfen, ob noch einschlägige Stellen im Betrieb vorhanden sind, die er dem zu kündigenden Arbeitnehmer anbieten muss (vgl RIS‑Justiz RS0051841). Bei sozial benachteiligenden Kündigungen müssen demnach vom Arbeitgeber alle Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung ausgeschöpft werden, um trotz Rationalisierungsmaßnahmen die bisherigen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen (9 ObA 143/05b ua). Eine Kündigung ist erst dann in den Betriebsverhältnissen begründet, wenn im gesamten Betrieb für einen betroffenen Arbeitnehmer kein Bedarf mehr gegeben ist und dem Arbeitgeber keine Maßnahme zumutbar ist, die eine Weiterbeschäftigung ermöglicht.

In diesem Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, dass der Arbeitgeber alle Umstände zu behaupten und zu beweisen hat, die für die Annahme des Ausnahmetatbestands der „betrieblichen Erfordernisse“ wesentlich sind (RIS‑Justiz RS0110154).

4. Diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen gefolgt. Bei einem Unternehmen mit ca 10 Mitarbeitern ist auch die Kündigung eines Arbeitnehmers geeignet, eine nicht unwesentliche Einsparung zu bewirken. Die Klägerin war als einzige mit Sekretariatsarbeiten befasst, die in der Folge auf die verbleibenden Mitarbeiter aufgeteilt wurden. Nach den Feststellungen gab es keine andere geeignete Stelle im Unternehmen, die die Klägerin hätte ausüben können. Mit den in der Revision angesprochenen Alternativen (Teilzeitbeschäftigung, geringerer Lohn) hätte das Einsparungspotenzial nicht im selben Ausmaße erreicht werden können. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass damit betriebsbedingte Gründe für die Kündigung der Klägerin vorlagen, die die Interessen der erst seit ca 2,5 Jahren im Unternehmen tätigen Klägerin unter Berücksichtigung der Gesamtumstände überwiegen, ist nicht korrekturbedürftig.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte