European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00148.17M.0221.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.197,80 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 366,30 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin zeigt in ihrer Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb diese – ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs – als unzulässig zurückzuweisen ist. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Zu § 6 Abs 3 KSchG:
1.1. Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RIS‑Justiz RS0122169 [T2]). Sie müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RIS‑Justiz RS0115217 [T14]).
1.2. Der Hinweis der Revision auf einen Verbraucher, der wegen seiner Vorstellungen vom Vertragsinhalt vom (vollständigen) Lesen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblätter Abstand nimmt, stellt kein taugliches Argument für die Intransparenz einer darin enthaltenen Vertragsbestimmung dar, weil die Beurteilung der Transparenz naturgemäß deren Lektüre voraussetzt. Auch eine Beurteilung des Werbeauftritts der Beklagten hat im vorliegenden Verbandsprozess nicht zu erfolgen.
1.3. Die Revision gesteht den Hinweis darauf, dass für den Sonder‑Verbrauch (also außerhalb der Pauschalvereinbarung) gesondert und nach einem dafür festgelegten Tarif zu bezahlen ist, selbst zu. Aus der großen Anzahl der darin dargestellten Einzelleistungen ergibt sich keine Intransparenz des Hinweises. Es wird auch die Höhe des Entgelts für die jeweilige Einzelleistung in diesem aufgegliederten Tarif in keiner Weise verschleiert, sodass dem interessierten Durchschnittskunden (RIS‑Justiz RS0126158) ein Vergleich mit dem vereinbarten Pauschalentgelt durchaus möglich und so das Tarifsystem durchschaubar ist.
1.4. Die Ansicht, es könne unklar sein, ob der Datenverkehr exakt oder getaktet abgerechnet werde, ist nicht nachvollziehbar: Folgt doch schon aus der Formulierung „ Die Taktung für Datendienste heißt Blockrounding “ zwanglos, dass im Tarif die Angaben „ Blockrounding “ und „ 50 KB “ bedeuten, dass beim Datenverbrauch jeweils für angefangene 50 KB Daten der Preis pro MB zu bezahlen ist.
2. Zu § 864 a ABGB:
2.1. Bei der Beurteilung der „Ungewöhnlichkeit“ iSd § 864a ABGB ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es geht dabei darum, ob die Klausel von den Erwartungen des Vertragspartners so deutlich abweicht, dass er nach den Umständen vernünftigerweise mit einer solchen Klausel nicht zu rechnen braucht. Die Klausel muss einen Überrumpelungs- oder gar Übertölpelungseffekt haben (RIS‑Justiz RS0014646). Bei der Beurteilung einer Vertragsbestimmung nach § 864a ABGB kommt es nicht allein auf ihren Inhalt an. Er spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich besonders aus der Art ihrer Einordnung in den AGB. Relevant ist, ob die fragliche Bestimmung im Text derart „versteckt“ ist, dass sie der Vertragspartner dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, kommt es auf den durchschnittlich sorgfältigen Leser bzw einen durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis an (2 Ob 29/16b; RIS‑Justiz RS0014659; RS0008901; RS0126158).
2.2. Dass Leistungen außerhalb einer getroffenen Pauschalvereinbarung gesondert nach einem in der Regel erheblich teureren Tarif für Einzelleistungen abzugelten sind, ist weder im Allgemeinen noch in der Branche der Telekommunikation ungewöhnlich und daher auch in den vorliegenden AGB für den Verbraucher nicht überraschend. Der Hinweis darauf befindet sich in den Entgeltbestimmungen für den gewählten Wertkartentarif und verweist auf einen auf den folgenden Seiten detailliert dargestellten Tarif für Einzelleistungen, dessen Höhe nicht verschleiert wird, sodass weder aus dem Inhalt der Klausel noch aus ihrer Stellung im Vertragsgefüge eine Überrumpelung eines durchschnittlich sorgfältigen Lesers abgeleitet werden kann.
3. Zu § 879 Abs 3 ABGB:
3.1. Die Ausnahme von der in § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle betreffend Vertragsbestimmungen, die eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegen, ist nach ständiger Rechtsprechung möglichst eng zu verstehen (RIS‑Justiz RS0016908). Darunter fallen daher nur die in § 885 ABGB genannten „Hauptpunkte“, also diejenigen Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien vereinbaren müssen, damit überhaupt ein hinreichend bestimmter Vertrag (§ 869 ABGB) zustande kommt. Nicht jede Vertragsbestimmung, die die Leistung oder das Entgelt betrifft, ist damit von der Inhaltskontrolle ausgenommen, sondern lediglich die individuelle ziffernmäßige Umschreibung der Hauptleistungen (RIS‑Justiz RS0016908 [T1]). Kontrollfähig bleiben hingegen allgemeine Umschreibungen, welche zB weitere Details der Preisberechnung betreffen (RIS‑Justiz RS0016908 [T32]) und Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen (RIS‑Justiz RS0016908 [T5]; vgl auch RS0016931).
3.2. Nicht nur die Festlegung des vom Verbraucher zu leistenden Pauschalentgelts für dafür zustehende Freieinheiten stellt eine individuelle ziffernmäßige Umschreibung der Hauptleistung des Verbrauchers dar, sondern auch jene (allenfalls nur ausnahmsweise zur Anwendung kommenden) Preise, die der Verbraucher für Einzelleistungen im Rahmen eines Sonder-Verbrauchs zu tragen hat (vgl 9 Ob 15/05d [Eilzuschlag für Lieferung von Gas]). Diese sind daher als weiterer „Hauptpunkt“ ebenso der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen.
4. Zu § 879 Abs 1 ABGB:
4.1. Auch wenn die Klägerin eine exorbitante Erhöhung des Entgelts laut Tarif für den Sonder‑Verbrauch gegenüber dem Pauschalentgelt in den Vordergrund stellt, ändert dies nichts daran, dass sie die Sittenwidrigkeit der Klausel aus einem Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen beim Sonder‑Verbrauch ableitet.
4.2. Die Generalklausel des § 879 Abs 1 ABGB kann zwar unter Umständen auch dann herangezogen werden, wenn nicht alle Tatbestandsmerkmale des Wuchers vorliegen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein den individuellen Fall prägendes, besonderes zusätzliches Element der Sittenwidrigkeit hinzukommt. Ein bloßes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung allein reicht hingegen nicht aus (RIS‑Justiz RS0016476 [T4]; RS0119802).
Ein solches zusätzliches Element der Sittenwidrigkeit ist dem Sachverhalt jedoch angesichts der Notwendigkeit des Bestehens eines Guthabens, des Hinweises in den Entgeltbestimmungen und der detaillierten Darstellung des Tarifs für den Sonder‑Verbrauch nicht zu entnehmen. Es wird auch in der Revision nicht aufgezeigt, weil die Klägerin bloß darauf verweist, es sei „ausreichend, wenn die exorbitante Preiserhöhung in jenen Monaten auftritt, in welchen die Klausel tatsächlich zur Anwendung“ komme.
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