OGH 10Ob72/17m

OGH10Ob72/17m23.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*****, 2. K*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Viktor Igáli‑Igálffy (MD), Rechtsanwalt in Mödling, gegen die beklagte Partei R***** eGen, *****, vertreten durch RSS Rechtsanwälte OG in Mattersburg, wegen Feststellung (225.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2017, GZ 5 R 105/17y‑33, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00072.17M.0123.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht wies das auf Feststellung gerichtete Klagebegehren, dass sämtliche Haftungen der beiden Kläger für die insolvente GmbH, deren Geschäftsführer und Gesellschafter die Kläger sind, gegenüber der beklagten Bank aus dem Titel der der GmbH gewährten Kredite, Überziehungsermächtigungen und Ausleihungen gemäß den von den Klägern gegebenen Sicherheiten (Bürgschaftserklärungen und Pfandbestellungsurkunden), im Umfang der Rückzahlung an die Konkursmasse in Höhe von 225.000 EUR samt den der GmbH aus den beiden Konten verrechneten Zinsen und Verzugszinsen seit 13. 7. 2012 erloschen seien, auch im zweiten Rechtsgang ab (zum ersten Rechtsgang s 10 Ob 93/15x).

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Masseverwalterin sei zur Anfechtung der in den letzten 60 Tagen vor der Eröffnung des Konkursverfahrens (am 1. 9. 2011 aufgrund Schuldnerantrags vom selben Tag) erfolgten Zahlungen auf das Kontokorrentkreditkonto bei der Beklagten nach dem Tatbestand des § 30 Abs 1 Z 3 IO berechtigt gewesen, sodass die Einwendungen der Kläger gegen den von der Beklagten mit der Masseverwalterin über den Anfechtungsanspruch abgeschlossenen Vergleich unbegründet seien.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Kläger zeigt keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf.

1.1. Die behaupteten Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In Wahrheit wird unter diesem Revisionsgrund die nicht revisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft (RIS‑Justiz RS0069246). Ersichtlich ist das Berufungsgericht nicht davon ausgegangen, dass im August 2011 überhaupt keine Zahlungen an Gläubiger der späteren Insolvenzschuldnerin geleistet wurden, sondern lediglich von einer Reduktion solcher Zahlungen.

1.2. Die in der Revision abermals behaupteten Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung hat schon das Berufungsgericht zutreffend im Hinblick auf die vom Erstgericht zum Thema Kenntnis der Saldenreduktion am Kreditkonto ab dem 4. 7. 2011 durch Mitarbeiter der Beklagten getroffenen Feststellungen verneint, die im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden können (vgl RIS‑Justiz RS0069246; RS0053317).

2.1. Nach § 30 Abs 1 Z 3 IO ist eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den letzten 60 Tagen vorher vorgenommene Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers anfechtbar, wenn sie zugunsten anderer als naher Angehöriger vorgenommen worden ist und diesen die Absicht der Schuldnerin, sie vor den anderen Gläubigern zu begünstigen, bekannt war oder bekannt sein musste.

2.2.1. Der Beweis der Begünstigungsabsicht– bedingter Vorsatz genügt (RIS‑Justiz RS0064166 [T5]; 6 Ob 2086/96z) – im Sinn des § 30 Abs 1 Z 3 IO ist erbracht, wenn Tatsachen erwiesen sind, die darauf schließen lassen (RIS‑Justiz RS0064365); ob der festgestellte Sachverhalt den Schluss auf die Begünstigungsabsicht zulässt, ist eine revisible Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0118976; 3 Ob 107/16f mwN).

2.2.2. Das Berufungsgericht begründete das Vorliegen von Begünstigungsabsicht, weil festgestelltermaßen

a./ den Klägern schon im Frühjahr 2011 klar war, dass das Finanzamt eine Steuernachforderung geltend macht, die die spätere Schuldnerin nicht wird zahlen können;

b./ die Erstklägerin sich dann mit ihrer Steuerberaterin und ihrem Rechtsvertreter besprach, ab Mai 2011 die Aufträge der späteren Schuldnerin reduzierte und ab Juni 2011 keine weiteren Aufträge mehr annahm;

c./ im August 2011 vom Kontokorrentkreditkonto, auf das laufend Zahlungen von Schuldnern der späteren Schuldnerin eingingen keine Löhne, Abgaben und Sozialversicherungsbeträge mehr gezahlt wurden, was dazu führte, dass dieses Konto, das die letzten Monate davor praktisch durchgehend zwischen 250.000 EUR und 350.000 EUR im Debet war, in den letzten wenigen Monaten vor Anfang September 2011 fast ausgeglichen war.

Daraus schloss das Berufungsgericht, dass das Abwarten mit dem Insolvenzantrag offenkundig nur den Sinn hatte, die Verbindlichkeit der Schuldnerin, für die die Kläger auch persönlich hafteten, zu reduzieren; daraus zog es den Schluss auf die Begünstigungsabsicht der späteren Schuldnerin, die von den Klägern organschaftlich vertreten war.

2.2.3. Dieser Beurteilung ist vom Obersten Gerichtshof nicht entgegenzutreten, zumal es dem sogenannten „Musterverhalten“ entspricht, dass der Schuldner besonders „lästige“ Gläubiger bevorzugt befriedigt (3 Ob 107/16f mwN), und die Beklagte aus der maßgeblichen Sicht der persönlich haftenden organschaftlichen Vertreter der späteren Schuldnerin eine besonders „lästige“ Gläubigerin war.

Unerheblich ist der Umstand, dass die Schuldnerin vertraglich zur Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs über das bei der Beklagten bestehende Konto verpflichtet war, sind doch von der Absichtsanfechtung auch Rechtshandlungen nicht ausgeschlossen, auf die der Anfechtungsgegner einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch hat (vgl RIS‑Justiz RS0050757).

2.3. Die bei einer Anfechtung wegen Begünstigung nach § 30 Abs 1 Z 3 IO erforderliche gewisse Mitwirkung der späteren Schuldnerin an der Sicherstellung oder Befriedigung (1 Ob 45/03d) liegt – wie das Erstgericht zutreffend ausführte – in der Anbringung von Fakturenaufdrucken zwecks Zahlung an die Beklagte ( Rebernig in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 30 KO Rz 140 mwN).

3.1. Die Frage, ob dem befriedigten Gläubiger die Begünstigungsabsicht der Schuldnerin bekannt sein musste, ist zu bejahen, wenn dem Gläubiger genügend verdächtige Umstände bekannt waren oder bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein mussten, die den Schluss auf eine Begünstigungsabsicht des Schuldners rechtfertigen (3 Ob 107/16f mwN). Leichte Fahrlässigkeit genügt (RIS‑Justiz RS0064379 [T2]). Ob ihm eine solche zur Last fällt, bestimmt sich nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, in dem Maß ihrer vernunftgemäß zumutbaren Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung, wobei das Wissenmüssen der mit der Sache für den Anfechtungsgegner befassten Personen entscheidet (RIS‑Justiz RS0064794).

3.2. Die Prüfung der Frage, welche Nachforschungen im Einzelnen notwendig und zweckmäßig, also vom Anfechtungsgegner anzustellen gewesen wären, um beurteilen zu können, ob dem Anfechtungsgegner die fahrlässige Unkenntnis einer Begünstigungsabsicht des späteren Insolvenzschuldners anzulasten ist, wirft grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO auf, hängt doch die Bejahung oder Verneinung eines fahrlässigen Verhaltens von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (3 Ob 107/16f mwN).

3.3. Nach den Feststellungen sind den Mitarbeitern der Beklagten die erheblichen Saldoreduktionen im August 2011 aufgefallen, die einsetzten, nachdem die Beklagte zur Vermeidung von Liquiditätsproblemen, der späteren Schuldnerin wegen Überziehungen des vereinbarten Kreditrahmens eine Umschuldung mit Änderung des Kreditrahmens angeboten hatte. Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung des Berufungsgerichts jedenfalls vertretbar, dass sich die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten mit der auffälligen Saldenreduktion, insbesondere durch deutliche Senkung der Auszahlungen vom Kontokorrentkonto, auseinandersetzen und die Ursache dafür bei den Klägern erfragen hätten müssen.

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