OGH 6Ob211/17y

OGH6Ob211/17y21.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W*, 2. P* R*, beide vertreten durch Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen den Beklagten J* S*, vertreten durch Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Abgabe einer Unterschrift, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Juli 2017, GZ 35 R 136/17k‑13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 15. März 2017, GZ 11 C 1507/16m‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E120524

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 688,92 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 907 GB * mit der Adresse S*straße *. Daneben befindet sich die Liegenschaft EZ 1533 GB * mit der Adresse B*gasse *. Auch auf der Baurechtseinlage dieser Liegenschaft EZ 1534 GB * ist Wohnungseigentum begründet.

Die Liegenschaften sind eng miteinander verbunden, und zwar befindet sich über dem grundbücherlich teilweise der EZ 907 zuzurechnenden Ladehof eine etwa 1997 durch den Wohnungseigentumsorganisator des Hauses B*gasse * errichtete Überplattung, die der Nachbarliegenschaft EZ 1533/1534 zuzuordnen ist.

Die Vertreter beider Liegenschaften arbeiteten einen Servitutsvertrag aus.

Der Beklagte weigert sich, diesen Servitutsvertrag zu unterfertigen.

Im Jahr 1996 war die Erstklägerin Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 907 GB *, welcher das Grundstück Nr .843 einlag. Im Oktober 1996 schloss die Erstklägerin mit der S*gesellschaft mbH (in der Folge: S*‑GmbH) einen Baurechtsvertrag, der die Teilung des Grundstücks Nr .843 in die Grundstücke Nr .843/1 und Nr .843/2 sowie die Begründung eines Baurechts am Grundstück Nr .843/2 mit der Erstklägerin als Baurechtsgeberin und der S*‑GmbH als Baurechtsnehmerin vorsah.

1997 wurde entsprechend dem Baurechtsvertrag die nachstehende bücherliche Ordnung hergestellt:

- Liegenschaft EZ 907 GB *, darin einliegend Grundstück Nr .843/1;

- Liegenschaft EZ 1533 GB *, darin einliegend Grundstück Nr .843/2;

- Baurechtseinlage EZ 1534 GB F*, beinhaltend das Baurecht an der Liegenschaft EZ 1533.

In der Folge wurde hinsichtlich der Baurechtseinlage EZ 1534 Baurechtswohnungseigentum und hinsichtlich der Liegenschaft EZ 907 Wohnungseigentum begründet. Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 1533 war und ist die Erstklägerin; sie ist auch Mehrheitseigentümerin der Liegenschaft EZ 907.

Die Liegenschaften EZ 907 und EZ 1533 sind jeweils L‑förmig und bilden zusammen ein geschlossenes, annähernd rechteckiges Areal. Auf beiden Liegenschaften sind jeweils L‑förmige Gebäude errichtet. Zwischen den Gebäuden liegt ein Ladehof, welcher Teile beider Liegenschaften umfasst. Die im Auftrag und auf Kosten der S*‑GmbH errichtete Überplattung überdeckt Teile beider Liegenschaften und ist auf beiden Liegenschaften mit den jeweiligen Gebäuden verbunden und statisch durch Säulen abgestützt, kann aber nur durch das Haus EZ 1533/1534 betreten werden.

Die Überplattung wird als Außenanlage eines im Haus EZ 1533/1534 etablierten Kindergartens genutzt.

Unterhalb des Ladehofs befinden sich Technikräumlichkeiten zur Versorgung des Hauses EZ 1534.

Beide Gebäude entwässern in zwei auf der Liegenschaft EZ 907 liegende Regenwasserkanäle, welche unter der Liegenschaft EZ 1533/1534 zum öffentlichen Grund und dem öffentlichen Kanal in der B*gasse führen. Auch hinsichtlich des Schmutzwassers entwässert das Gebäude EZ 1533/1534 in einen auf der EZ 907 errichteten Schmutzwasserkanal. Das Schmutzwasser des Hauses EZ 907 wird direkt in das öffentliche Kanalnetz in der S*straße geleitet.

Die überplatteten Flächen werden als gewerblicher Ladehof sowie als KFZ-Abstellfläche genutzt. Der Ladehof dient der hofseitigen Erschließung der gewerblich genutzten Flächen beider Gebäude sowie der Erschließung der für beide Liegenschaften im Gebäude EZ 1533/1534 eingerichteten Müllräume und der Abwicklung des Geschäfts- und Lieferverkehrs für die gewerblich genutzten Flächen beider Liegenschaften.

Vor etwa zweieinhalb Jahren wurden auf der Liegenschaft EZ 907 im Bereich des Ladehofs massive Setzungen des Bodens festgestellt. Untersuchungen ergaben, dass der durch den Ladehof laufende Regenwasserkanal teilweise eingestürzt war. Die Hausverwaltung der Liegenschaft B*gasse * schloss zunächst eine Mittragung der Sanierungskosten mit der Begründung aus, der Schaden sei auf der Liegenschaft S*straße * eingetreten. Nach monatelangen Gesprächen und Korrespondenz zwischen dem Rechtsvertreter der Eigentümergemeinschaft B*gasse *, RA Mag. G*, dem Klagevertreter und den beiden Hausverwaltungen konnte letztlich eine Lösung gefunden werden.

Um sich bei zukünftigen Schadensfällen auf klare Regelungen stützen und derart langwierige Verhandlungen oder sogar Prozesse zu vermeiden, wurde die gegenständliche Servitutsvereinbarung ausgearbeitet.

Sämtliche Miteigentümer der Liegenschaften S*straße * und B*gasse * haben diese Vereinbarung unterzeichnet; lediglich der Beklagte verweigert die Unterschrift.

So schrieb er am 11. 2. 2016 an die Erstklägerin:

„(....) laut meines rechtsanwaltes (mündlich) ist bei der servitutsvereinbarung nach dem weg, juristisch meine unterschrift gar nicht durch den richter ersetzbar. Ich überlege, dies mir von ihm schriftlich erklären zu lassen.

ABER, ich bin an einer guten gesamtlösung interessiert und nicht daran interessiert, sie grundsätzlich bei der servitutsvereinbarung zu blockieren.

bitte um klärung, ob sie bereit sind, mit mir eine gesamtlösung zu erarbeiten, oder möchten sie eine juristische auseinandersetzung mir mir?“.

Der Beklagte hatte Herrn DI S*, Mitarbeiter der Erstklägerin, zuvor um einen Termin gebeten zur Klärung „z.B. wie ein infoblatt für die mieter gestaltet werden muss, wenn ein sturm bevorsteht., ob es ein aufgabenblatt geben kann, wo die aufgaben, mit beispielen, welche die hausverwaltung erfüllen muss, usw.“

Nach Klagseinbringung schrieb der Beklagte an die Erstklägerin:

„(....) möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass ich nach wie vor bereit bin im zuge eines einvernehmlich vereinbarten gesamtpaketes, diese, meine unterschrift zu leisten.“

Die Kläger begehrten die Verurteilung des Beklagten zur Unterfertigung einer ausformulierten Servitutsvereinbarung in grundbuchsfähiger, beglaubigter Form. Mit Ausnahme des Beklagten hätten alle anderen Miteigentümer beider Liegenschaften das Vertragswerk unterschrieben. Angesichts der örtlichen und rechtlichen Verschränkungen der beiden Nachbarliegenschaften solle die Servitutsvereinbarung das Verhältnis der Liegenschaften bzw der jeweiligen Eigentümer klären. Der Beklagte habe mehrfach beteuert, den Servitutsvertrag zu unterfertigen, jedoch die Unterfertigung mit einem Gesamtpaket verbunden, das nichts mit dem Gegenstand der Servitutsvereinbarung zu tun habe. Angesichts der ursprünglich wiederholt geäußerten grundsätzlichen Zustimmung zur Servitutsvereinbarung und auch zum gegebenen Text sei die nunmehrige Weigerung des Beklagten als Rechtsmissbrauch zu werten. Der Beklagte verfolge andere Ziele als es das Wohl der Wohnungseigentümergemeinschaft erfordere. Der Servitutsvertrag verringere nicht den Wert der Liegenschaft, sondern erhöhe ihn vielmehr. Die derzeitige unklare Rechtsposition mindere den Wert der Eigentumswohnung viel mehr als die Eintragung einer Servitut im Grundbuch. Vor zwei Jahren habe es einen Schadensfall gegeben, bei dem zunächst strittig gewesen sei, wer für die Behebung des Schadens und die Kostentragung zuständig sei. Durch konstruktive Gespräche habe zuletzt eine vergleichsweise Regelung erzielt werden können. Es bestehe die Gefahr, dass der jeweilige Grundeigentümer auf den Schadensbeträgen „sitzen bleibe“, wobei dies beide Liegenschaften betreffen könnte. Mangels einer Regelung bestehe bei hohen Beträgen auch ein erhebliches Prozesskostenrisiko, wenn Probleme auf der Basis von Bereicherungs-, Verwendungs- und Schadenersatzansprüchen gelöst werden müssten. Angesichts des hohen Schadenspotenzials für beide Liegenschaften sei die Servitutsvereinbarung eine gute Grundlage für die weitere Zusammenarbeit und diene der Schadensminimierung.

Der Beklagte wendete ein, der Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit werde nur in Fällen eines – hier nicht vorliegenden – Kontrahierungszwangs eingeschränkt. Die Kläger hätten es verabsäumt, sich vor der Parifizierung und dem Abverkauf der Wohnungseigentumsobjekte um die Einräumung und Verbücherung eines Servitutsrechts zu kümmern bzw eine entsprechende Abschlussverpflichtung in den Kaufvertrag aufzunehmen; es liege hier kein Rechtsgrund vor, auf den sich die Kläger berufen könnten. Die von den Klägern herangezogene Treuepflicht unter Miteigentümern gehe nicht so weit, dass einem Miteigentümer der Abschluss eines Servitutsvertrags aufgezwungen werden könnte. Die Kläger behaupteten nicht, dass der Abschluss eines solchen zur Abwendung eines Schadens von der Gemeinschaft notwendig wäre, vielmehr habe die Kostentragung auch ohne eine Servitutsvereinbarung gelöst werden können. Die Einräumung einer Dienstbarkeit am Eigentum des Beklagten beeinträchtige seine Interessen und verringere (als im Grundbuch eingetragene Belastung) den Wert seines Miteigentumsanteils. Prinzipiell sei der Beklagte aber nicht unwillig, die Vereinbarung zu unterfertigen, er sei jedoch nur dann dazu bereit, wenn auch andere Punkte geregelt werden, die bislang nicht bedacht bzw nicht geregelt worden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte den wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte daraus rechtlich, die Weigerung des Beklagten, den Servitutsvertrag zu unterschreiben, sei rechtsmissbräuchlich. Angesichts der komplexen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse und des immanenten Schadens- und Konfliktpotenzials sowie des drohenden hohen Prozesskostenrisikos im Streitfall könne eine klare Regelung den Miteigentümern nur von Vorteil sein. Das Argument des Beklagten, die grundbücherlich einverleibte Servitut führte zur Wertminderung seiner Eigentumswohnung, sei daher nicht nachvollziehbar. Der Beklagte wolle mit seiner Weigerung die Erstklägerin zu ansonsten nicht gewährten Zugeständnissen bewegen, wobei der Beklagte nicht konkretisiert habe, welche anderen Punkte er geregelt haben möchte. Als Mitglied der Eigentümergemeinschaft treffe ihn eine besondere Treuepflicht: Er habe die Gemeinschaftsinteressen wahrzunehmen und sich aktiv um die Abwehr von Schäden für die Gemeinschaft zu bemühen (vgl § 30 Abs 3 WEG).

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Aufgrund des Grundsatzes der Privatautonomie habe jedermann die Freiheit darüber zu entscheiden, ob und mit wem er einen Vertrag abschließen wolle. In Ausnahmefällen könne eine Pflicht zum Vertragsabschluss aber aus dem allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbot resultieren. Hinsichtlich des drohenden Schadens bei Nichtabschluss des Servitutsvertrags hätten die Kläger vorgebracht, im Fall des Eintritts von Schäden sollten langwierige Verhandlungen oder gerichtliche Auseinandersetzungen über die Kostentragung vermieden werden. Ein darüber hinaus gehender – durch den Nichtabschluss der Servitutsvereinbarung drohender – Schaden sei nicht behauptet worden. Von dem der Entscheidung 5 Ob 82/03z zu Grunde liegenden Sachverhalt unterscheide sich der vorliegende Fall dadurch, dass es dort um die Abwendung eines der Gemeinschaft drohenden Schadens, nämlich des Hausabrisses, gegangen sei. Die vorgesehene Vereinbarung sei zweifellos zweckmäßig und dazu geeignet, im Einzelfall langwierige und kostenintensive Verhandlungen oder sogar Gerichtsverfahren über die Kostentragung zu vermeiden. Durch den Nichtabschluss der Servitutsvereinbarung entstehe aber kein konkreter Schaden, weil im Fall von Streitigkeiten über die Kostentragung von Erhaltungsarbeiten das allgemeine Privatrecht heranzuziehen sei. Die – jedermann treffende – Gefahr, zur Durchsetzung von Ansprüchen den Rechtsweg bestreiten zu müssen, reiche nicht aus, den Beklagten zur Mitwirkung an der Vereinbarung gegen seinen Willen zu verpflichten. Auch die Berücksichtigung der innerhalb eines Gemeinschafts-verhältnisses weitergehenden Treuepflichten führe zu keinem anderen Ergebnis. Zu einer aus diesen Treuepflichten abzuleitenden Mitwirkungspflicht müssten außergewöhnliche Umstände vorliegen. Solche seien aber nicht schon dann anzunehmen, wenn eine Handlungsalternative sinnvoller als die andere erscheine. Dem Klagebegehren fehle es an einer rechtlichen Grundlage.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zum Inhalt und Umfang der Treuepflicht der Wohnungseigentümer keine gefestigte Judikatur bestehe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Die Revisionswerber bringen zusammengefasst vor, der Beklagte sei schon aufgrund seiner Ankündigungen, er werde die Servitutsvereinbarung unterfertigen, dazu verpflichtet. Im Übrigen ergebe sich aus dem gesellschaftsrechtsähnlichen Verhältnis von Wohnungseigentümern untereinander eine Treuepflicht, wogegen die Weigerung des Beklagten zum Vertragsabschluss verstoße; sie sei überdies schikanös und rechtsmissbräuchlich.

Hierzu wurde erwogen:

1. Ankündigungen des Beklagten

Auf die festgestellten Erklärungen des Beklagten, wonach er sich grundsätzlich zur Unterfertigung bereit erklärte, kann das Klagebegehren nicht gestützt werden, weil der Beklagte seine Bereitschaft immer von einer – wenngleich nicht näher umschriebenen – „Gesamtlösung“ („Gesamtpaket“) abhängig gemacht hat.

2. Treuepflichten

2.1. Miteigentümer bilden einerseits eine sachenrechtliche (Miteigentümer‑)Gemeinschaft; sie sind andererseits durch ein gesetzliches Dauerschuldverhältnis miteinander verbunden. Zwischen den Miteigentümern besteht eine – freilich nicht zu überspannende – wechselseitige Treuepflicht, die weiter geht als jene zwischen Vertragspartnern (5 Ob 249/12x mwN).

2.2. Treuepflichten unter den Miteigentümern einer Liegenschaft werden etwa dann angenommen, wenn eine – aufgrund von Verstößen gegen Bestimmungen des WEG – nichtige Wohnungseigentumsbegründung saniert werden muss (Ob 4/16p, Punkt 6.). Gleiches gilt auch für Wohnungseigentumsbewerber, die sich in einem schriftlichen Vertrag mit dem Wohnungseigentumsorganisator verpflichtet haben, der Einräumung von Wohnungseigentum zuzustimmen; auch in diesem Fall kann dann ein Anspruch auf Unterfertigung einer für die Begründung von Wohnungseigentum erforderlichen Urkunde durchgesetzt werden (5 Ob 37/13x, Punkt 2.2.2).

Am ausführlichsten befasst sich die von den Vorinstanzen bereits zitierte Entscheidung 5 Ob 82/03z mit den Treuepflichten von Wohnungseigentümern. Demnach wird gerade von Mitgliedern einer Wohnungseigentümer-gemeinschaft verlangt, dass sie Gemeinschaftsinteressen wahrnehmen und aktiv um die Abwehr von Schäden für die Gemeinschaft bemüht sind. Ein Zwang zum Vertragsabschluss in Durchbrechung des Grundsatzes der Privatautonomie ist nach dieser Entscheidung dann anzunehmen, wenn Schaden von der Gemeinschaft abgewendet wird und die Nachteile für den Betroffenen so gering sind, dass seine Verweigerungshaltung nur noch mit Schikane erklärt werden kann. Konkret ging es um die Zustimmung der Beklagten zur Annahme einer schenkungsweisen Grundabtretung zur Verhinderung des sonst notwendigen Abrisses eines Gebäudeteils.

2.3. All den unter Punkt 2.2. angeführten Fällen ist gemeinsam, dass bestimmte Verhaltenspflichten von Wohnungseigentümern aus der Treuepflicht angenommen wurden, um ansonsten unvermeidliche, massive negative Konsequenzen abzuwehren. Derartige Schäden wurden aber im vorliegenden Fall bei Nichtunterfertigung der Servitutsvereinbarung durch den Beklagten weder behauptet noch festgestellt.

3. Rechtsmissbrauch, Schikane, Kontrahierungs-zwang

3.1. Nach der jüngeren Judikatur wird Rechtsmissbrauch bereits dann angenommen, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS‑Justiz RS0026271 [T19]). Rechtsmissbrauch liegt auch vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung das lautere (die lauteren) Motiv (Motive) eindeutig überwiegt (RIS‑Justiz RS0026271 [T20]). Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (RIS‑Justiz RS0026271 [T26]). Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist dabei jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0026265 [T3]).

3.2. Als Ausdruck des allgemeinen Gedankens der Privatautonomie gilt im Schuldrecht das Prinzip der Vertragsfreiheit, also auch der Entscheidungsfreiheit, ob und mit wem ein Vertrag geschlossen wird (RIS‑Justiz RS0013940). Eine Einschränkung des Grundsatzes der Privatautonomie wird nur bei Vorliegen besonderer Umstände zur Lösung schwerwiegender Interessenkollisionen in Kauf genommen, wie etwa im Falle monopolartiger Betriebe, denen Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen auferlegt wird (RIS‑Justiz RS0113652). Ein Kontrahierungszwang ist überall dort anzunehmen, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität diesem die Möglichkeit der „Fremdbestimmung“ über andere gibt (RIS‑Justiz RS0016744). Die Pflicht zum Vertragsschluss wird aber auch dort bejaht, wo ein Unternehmen eine Monopolstellung innehat und diese Stellung durch Verweigerung des Vertragsabschlusses sittenwidrig ausnützt (RIS‑Justiz RS0016762). Ansonsten besteht Kontrahierungs- oder Abschlusszwang als Ausnahme vom Prinzip der Abschlussfreiheit nur in den vom Gesetz geregelten Fällen (RIS‑Justiz RS0016805).

3.3. Zum Rechtsmissbrauch wurde beispielsweise in der Entscheidung 1 Ob 215/97t ausgeführt, das Bestehen eines Nachbarn auf der Einhaltung des baulichen Mindestabstands könne rechtsmissbräuchlich sein, wenn der bauwerbende Nachbar ein dringendes Interesse an der Errichtung eines Personenlifts habe und die Interessen des anderen Nachbarn nicht beeinträchtigt seien. In der Entscheidung 5 Ob 41/14m, die ebenso die Errichtung eines Personenlifts zum Gegenstand hatte, wurde die Verweigerung der Zustimmung des Nachbarn hingegen nicht als Rechtsmissbrauch beurteilt, weil mit dem Betrieb des Lifts eine – wenn auch geringe – Lärmbeeinträchtigung und eine geringere Sonnenbestrahlung der Fenster zur Wohnung der Beklagten verbunden gewesen wäre.

4. Konsequenzen

4.1. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob das Verhalten des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Treuepflichten zwischen Mit- bzw Wohnungseigentümern oder demjenigen des Rechtsmissbrauchs beurteilt wird (vgl Schauer,Rechtsmissbrauch und Treuepflichten bei der Eigentümergemeinschaft, wobl 2005, 247 [249 f; Anm zu 5 Ob 82/03z]; derselbe, ZfS 2017, 156 [160] zu Treuepflichten und Rechtsmissbrauch im Privatstiftungsrecht).

4.2. Ob eine Verletzung von Treuepflichten eines Mit- bzw Wohnungseigentümers vorliegt, ist nämlich ebenso wie die Beurteilung, ob Rechtsmissbrauch (hier mit der Konsequenz eines Kontrahierungsgebots) vorliegt, jeweils einzelfallbezogen zu beurteilen und bildet daher – von auffallender Fehlbeurteilung abgesehen – regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Mangels eines von den Klägern aufgezeigten konkret drohenden Schadens im Fall der Unterschriftsverweigerung durch den Beklagten liegt unter der Berücksichtigung der allgemein geltenden Kriterien (2.1., 3.1., 3.2.) in der Verneinung einer Pflicht des Beklagten zur Unterschriftsleistung unter den Servitutsvertrag keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vor. Die Revision war daher zurückzuweisen.

4.3. Inwieweit aus den behaupteten Ankündigungen des Beklagten, dass er grundsätzlich zu einer Unterfertigung bereit sei, etwa wegen des dem Beklagten ersichtlich dadurch bewirkten Aufwands der Vertragsvorbereitung eine Haftung aus culpa in contrahendo abgeleitet werden könnte, bedarf keiner weiteren Erörterung. Eine solche Schadenersatzverpflichtung umfasst nur den Vertrauensschaden (negatives Vertragsinteresse; RIS‑Justiz RS0016374), sodass die Kläger also nur so zu stellen wären, als hätte der Beklagte diese Ankündigung unterlassen. Dies könnte hier nur die frustrierten Kosten der Vertragsvorbereitung, aber nicht die begehrte Vertragsunterfertigung umfassen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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