OGH 9ObA71/17g

OGH9ObA71/17g18.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Dr. Weixelbraun‑Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Bieta Sodeyfi und Gerald Fida als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei p***** AG, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 65.290,93 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert 6.666 EUR), über den „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) der beklagten Partei (Rekursinteresse 51.664,67 EUR brutto sA) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. März 2017, GZ 9 Ra 141/16w‑29, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 18. April 2016, GZ 30 Cga 50/15i‑23, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00071.17G.1218.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.241,60 EUR (darin 373,60 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Zwischen den Parteien ist im Rekursverfahren die vom Kläger begehrte Abfertigung strittig, auf die der Kläger im vorhergehenden Dienstverhältnis zur Muttergesellschaft der Beklagten eine Anwartschaft erworben und die die Beklagte bei Bestellung des Klägers zu ihrem Vorstandsvorsitzenden in ihre Pflichten übernommen hatte. Das Verhältnis der Parteien endete durch Zeitablauf des befristeten Vorstandsvertrags, nachdem der Kläger das Verlängerungsanbot der Beklagten aus familiären Gründen nicht angenommen hatte.

Während das Erstgericht das Abfertigungsbegehren des Klägers abwies, weil es aufgrund der Auslegung einer besonderen Vereinbarung der Parteien von einer abfertigungsfeindlichen Beendigung des Verhältnisses der Parteien ausging, erachtete das Berufungsgericht die vom Kläger begehrte Abfertigung grundsätzlich als berechtigt, hob aber das Ersturteil zufolge eines Erörterungs- und Klärungsbedarfs bezüglich der Höhe der Abfertigung teilweise auf und wies die Rechtssache insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seine aufhebende Entscheidung mit der Begründung zu, dass zur Wirksamkeit von Vertragsklauseln der vorliegenden Art noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorhanden sei.

Die Beklagte beantragt in ihrem Revisionsrekurs (richtig: Rekurs), die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht zulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Rekurses an den Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht gebunden (vgl RIS‑Justiz RS0080388 [T2]; RS0102059; 9 ObA 102/15p). Der Rekurs ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Das ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung des Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776). Das gilt auch dann, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar wäre (RIS‑Justiz RS0112106 [T3, T4]). Der Umstand, dass ähnliche Verträge mit gleichartigen Klauseln bestehen können, vermag für sich allein noch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu begründen (RIS‑Justiz RS0042816 [T3]). Ob Sittenwidrigkeit (eine gröbliche Benachteiligung) vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur dann aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten hat (RIS‑Justiz RS0042881 [T8]).

2.2 Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der festgestellten Umstände zum Inhalt und Zustandekommen des von den Streitteilen geschlossenen Vorstandsvertrags die Klausel, nach der die Nichtannahme eines allfälligen Verlängerungsangebots durch den Kläger die Wirkungen einer Kündigung entfalten sollte, ohne dass aber ausdrücklich auf die Abfertigung abgestellt wird, im Bezug auf den von der Beklagten bereits übernommenen Abfertigungsanspruch des Klägers als im Ergebnis gröblich benachteiligend beurteilt. Nach der Lage des Falls sei der Vereinbarung zugrunde zu legen, dass die vom Kläger bereits verdiente Abfertigung keinem höheren „Verlustrisiko“ als in § 23 Abs 7 AngG vorgesehen, ausgesetzt werden sollte. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist vertretbar.

3. Das Argument der Beklagten, die Bestimmung des § 23 Abs 7 AngG sei auf das von den Parteien gewählte Verhältnis nicht zwingend anwendbar, geht am gegenständlichen Problem vorbei. Auch das Berufungsgericht ging nicht von der unmittelbaren Anwendung des AngG aus, sondern unterstellte der von den Parteien vereinbarten Übernahme der Abfertigung lediglich, dass auch für diese grundsätzlich das Regime abfertigungsfeindlicher Beendigungsgründe des § 23 Abs 7 AngG gelten sollte. Diese Annahme erfolgte ohnehin zugunsten der Beklagten, obwohl der Entfall der Abfertigung bei Vorliegen bestimmter Beendigungsgründe gar nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Lediglich dem Ansatz der Beklagten, dass die Fiktion, dass der Zeitablauf zufolge Nichtverlängerung des Vorstandsverhältnisses als Kündigung (des Klägers) zu gelten habe, den von der Beklagten übernommenen Abfertigungsanspruch des Klägers vernichte, folgte das Berufungsgericht mit nachvollziehbarer Begründung nicht. Dass dieses kraft Auslegung sämtlicher Erklärungen der Parteien gewonnene Ergebnis des Berufungsgerichts unvertretbar wäre, vermag die Beklagte in ihrem Rekurs nicht darzulegen.

Weitere Rechtsfragen, denen allenfalls Erheblichkeit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukäme, werden im Rekurs nicht aufgezeigt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222 [T2, T4]; RS0035976 [T2]). Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit des Rekurses hingewiesen und daher Anspruch auf Kostenersatz (RIS‑Justiz RS0123222 [T8]; 1 Ob 39/17t).

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