European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00171.17D.1129.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das für die Begründung von Amtshaftungsansprüchen erforderliche Verschulden eines Organs ist dann zu verneinen, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (RIS‑Justiz RS0049974 [T2], RS0050216 [T1]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0110837). Eine solche läge nur vor, wenn dem Berufungsgericht eine im Interesse der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0044088), was im vorliegenden Fall von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt werden kann.
2. Soweit es um das Zahlungsbegehren geht, setzt sich die Revisionswerberin ausschließlich mit den Kosten ihres Rekurses vom 13. 3. 2014 in Höhe von 2.546,82 EUR auseinander. Abgesehen davon, dass die Behauptung, das Bezirksgericht habe dem Rekurs Folge gegeben, durch die Tatsachenfeststellungen nicht gedeckt ist, war der Rekurs gemäß § 87 Abs 2 ZPO unzulässig. Die Kosten einer unzweckmäßigen Verfahrensmaßnahme hat die Klägerin auch nach schadenersatzrechtlichen Kriterien jedenfalls selbst zu tragen.
3. Soweit es um jene Schäden geht, die der Klägerin dadurch entstanden sein sollen, dass ihr – wegen behaupteter rechtswidriger Verzögerungen – ein mit Vollstreckbarerklärung versehener Europäischer Zahlungsbefehl erst zu einem Zeitpunkt zugestellt wurde, als eine Exekutionsführung gegen den seinerzeitigen Verfahrensgegner keine Aussicht auf Erfolg mehr hatte, ist ein Teil der Revisionsausführungen schon deshalb irrelevant, weil die Klägerin ursprünglich einen unrichtigen Firmenwortlaut der beklagten (rumänischen) Gesellschaft angegeben hatte und zweckmäßige Verfahrensschritte zur Erlangung eines vollstreckbaren Exekutionstitels erst möglich waren, nachdem die Klägerin die richtige Firma bekanntgegeben und eine Berichtigung der Parteibezeichnung beantragt hat. Ob es allenfalls davor zu Verzögerungen gekommen ist, ist somit ohne Bedeutung. Dass die Klägerin allenfalls früher auf die unrichtige Bezeichnung aufmerksam geworden wäre, kann schon mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs keine Relevanz haben, weil die Verpflichtung zur raschen Durchführung des Verfahrens nicht dazu dient, dem Antragsteller Kenntnis von der richtigen Bezeichnung seines Gegners zu verschaffen.
4. Da die anzuwendenden europarechtlichen Normen (EuMahnVO, EuZVO) wegen ihres eingeschränkten Regelungsbereichs nicht für alle Verfahrenskonstellationen klare Regeln aufstellen, können bei der Rechtsanwendung– auch unverschuldet – Unklarheiten auftreten. Solche Unklarheiten haben ersichtlich auch den Rechtsvertreter der Klägerin getroffen, hat er doch etwa wiederholt die Zustellung der „Mahnklage“ beantragt, obwohl es nur um die Zustellung des Zahlungsbefehls gehen konnte.
Ob es im Rahmen des „Europäischen Mahnverfahrens“ zulässig wäre, aufgrund eines Berichtigungsantrags den bereits erlassenen und zugestellten Zahlungsbefehl zu negieren und – wie dies beantragt wurde – einen neuen (berichtigten) Zahlungsbefehl zu erlassen und zuzustellen, erscheint durchaus zweifelhaft. Wenn das Erstgericht in Anwendung von Art 26 EuMahnVO nach österreichischem Verfahrensrecht vorgegangen ist, einen formellen Beschluss über die Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Partei erlassen und schließlich die Zustellung dieses Beschlusses samt Übersetzung (mit Zustellersuchen und internationalem Rückschein) veranlasst hat, ist nicht zu erkennen, inwiefern eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliegen sollte, das dieses Vorgehen als vertretbar angesehen hat.
5. Entsprechendes gilt für die Beurteilung des Berufungsgerichts, es sei vertretbar gewesen, vorerst von einer Direktzustellung durch einen „Kurierdienst“ abzusehen, zumal ursprünglich eine besondere Dringlichkeit der Zustellung nicht behauptet wurde und Bedenken dahin bestehen konnten, dass die von solchen Kurierdiensten eingesetzten Personen möglicherweise keine ausreichende Erfahrung mit internationalen Einschreiben haben könnten. Der Umstand, dass vorher Zustellversuche durch die Behörden des Empfangsstaats nicht erfolgreich waren, musste keine generellen Bedenken gegen diesen Zustellweg begründen, weil sich die unterbliebene Zustellung mit der unrichtigen Bezeichnung des Empfängers erklären ließ.
6. Nachdem die Klägerin unter Hinweis auf die besondere Dringlichkeit wegen einer bevorstehenden Veräußerung von Vermögen des Verfahrensgegners neuerlich die Zustellung durch einen befugten Universaldienstbetreiber (zB DHL oder UPS) beantragt und dargelegt hatte, dass Zustellungen durch derartige Dienstleister mit den Vorgaben der europarechtlichen Normen vereinbar sind, bewilligte das Bezirksgericht den Antrag, besprach die konkrete Vorgehensweise mit ihrem Prozessvertreter und veranlasste die Herstellung der erforderlichen weiteren Ausfertigungen von Übersetzungen der zuzustellenden Schriftstücke. Auch in diesem Zusammenhang ist nicht erkennbar, inwieweit die Beurteilung des Berufungsgerichts, im konkreten Ablauf liege keine schuldhafte Verzögerung, korrekturbedürftig sein sollte.
7. Diese Beurteilung trifft auch auf den – vom Berufungsgericht ebenfalls als unberechtigt angesehenen – Vorwurf zu, das Gericht sei säumig gewesen, weil es erst am 11. 6. 2014 die Zustellung des Formblatts G (Vollstreckbarerklärung) verfügte – das am 25. 6. 2014 abgefertigt wurde –, obwohl es bereits am 13. 5. unter Vorlage ausreichender Urkunden darüber informiert worden war, dass die Zustellung durch ein rumänisches Vollzugsorgan bereits am 23. 4. 2014 erfolgt war. Berücksichtigt man aber, dass dem Verfahrensgegner gemäß Art 16 Abs 2 EuMahnVO eine Einspruchsfrist von 30 Tagen zur Verfügung steht und sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergibt, dass Sendungen aus Rumänien erst später als eine Woche nach ihrem Absenden in Österreich einlangen, ist es durchaus nachvollziehbar, dass ein Gericht mit der Vollstreckbarbestätigung zumindest weitere 14 Tage nach Ablauf der 30‑Tagesfrist zuwartet. Auch der Vertreter der Klägerin erwartete die gerichtliche Erledigung offenbar nicht wesentlich früher, urgierte er die Ausstellung des Vollstreckungstitels doch erst am 25. 6. 2014.
8. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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