OGH 9Ob53/17k

OGH9Ob53/17k30.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte und Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* Familienstiftung *, vertreten durch Dr. Maximilian Schaffgotsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Mag. Günter Novak-Kaiser Rechtsanwalt GmbH in Murau, wegen 1.369,41 EUR sA und Räumung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 2.713,73 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 7. Juli 2017, GZ 1 R 31/17a‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E120006

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung schließt die spezielle Regelung der Ansprüche des Mieters auf Ersatz von für das Bestandobjekt gemachten Aufwendungen in § 1097 ABGB die Anwendung anderer bereicherungsrechtlicher Grundsätze aus (RIS-Justiz RS0020480). Allerdings bezieht sich § 1097 ABGB auf den Eintritt von Umständen, die die Erhaltungspflicht des Bestandgebers auslösen. Vereinbaren die Parteien die Übergabe eines an sich unbrauchbaren Bestandobjekts, besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Vermieters zur Brauchbarmachung (vgl 6 Ob 44/15m).

Übernimmt in einem solchen Fall der Mieter– außerhalb des Vollanwendungsbereichs des MRG – die Sanierungsarbeiten, kann ein Ersatzanspruch nach § 1097 ABGB nicht geltend gemacht werden. Ein Kondiktionsanspruch nach § 1435 ABGB ist durch eine solche Vereinbarung aber nicht zwingend ausgeschlossen. Vielmehr steht dem Leistungserbringer gegenüber dem Leistungsempfänger ein Kondiktionsanspruch auf den verschafften Nutzen zu, wenn letzterer sich darüber im Klaren war oder bei Berücksichtigung der gesamten Umstände hätte im Klaren sein müssen, dass die Leistungen in Erwartung einer späteren Zuwendung erfolgen (RIS-Justiz RS0033606). Das gilt vor allem für jene Fälle, in denen der Leistende Arbeitsleistungen oder sonstige Leistungen in einem fertigzustellenden Wohnobjekt in der Erwartung erbringt, dass ihm dort später tatsächlich eine Wohnmöglichkeit eingeräumt wird (RIS-Justiz RS0033709). § 1435 ABGB ist aber nicht nur dann anzuwenden, wenn der erwartete Vertrag nicht zu Stande kommt, sondern auch, wenn das Dauerschuldverhältnis zwar begonnen, aber doch nur so kurze Zeit gedauert hat, dass die Leistung zur Höhe des gegebenen Betrags in keinem Verhältnis mehr steht (RIS-Justiz RS0033883). Bei der Beurteilung dieser Unverhältnismäßigkeit kommt es auf die Verkehrsauffassung an, was unter einer solchen Dauer zu verstehen ist. Ein gänzlicher oder teilweiser Rückforderungsanspruch wird dann bestehen, wenn die Leistungen nur in der für den anderen Teil erkennbaren Erwartung einer bestimmten Dauer des Dauerschuldverhältnisses erbracht wurden, die tatsächliche Dauer aber in einem auffallenden Missverhältnis zu dieser erwarteten Dauer steht (7 Ob 508/88) und den Mieter daran kein Verschulden trifft (vgl 5 Ob 152/14k).

Der Beklagte hat das Objekt in Kenntnis des schlechten Erhaltungszustands übernommen. Die Parteien hatten im Hinblick darauf eine Vertragsdauer von 20 Jahren und einen entsprechend niedrigen Mietzins vereinbart. Die Klägerin hat trotz Mietzinsrückständen das Bestandverhältnis nicht vorzeitig beendet, sondern nur eine Verlängerung des Bestandverhältnisses abgelehnt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass aufgrund dieser Umstände nicht von der Nichterfüllung einer – für die Klägerin erkennbaren – Erwartung des Beklagten auszugehen ist und keine Unverhältnismäßigkeit zwischen der tatsächlichen Vertragsdauer und den durch den Beklagten getätigten Aufwendungen besteht, ist jedenfalls nicht unvertretbar.

2. Eine stillschweigende Erklärung iSd § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss die Handlung – oder Unterlassung – nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt. Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist regelmäßig einzelfallbezogen und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0109021), es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit beziehungsweise der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste.

Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, dass die seitens der Klägerin vorhandene und dem Beklagten signalisierte grundsätzliche Bereitschaft zur Verlängerung des Mietvertrags, auch vor dem Hintergrund der vom Beklagten getätigten Investitionen von einem objektiven Erklärungsempfänger nicht im Sinn des § 863 ABGB als verbindliche Zusage einer Vertragsverlängerung (um 20 Jahre) verstanden werden konnte, bestehen dagegen keine Bedenken.

Eine Pflicht der Klägerin den Beklagten auf die Möglichkeit einer Nichtverlängerung hinzuweisen, ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht. Der Beklagte hatte in Kenntnis der erforderlichen Sanierungsarbeiten einen auf 20 Jahre befristeten Vertrag abgeschlossen, weshalb die Klägerin nicht davon ausgehen musste, dass der Beklagte seine (freiwilligen) Sanierungsarbeiten nur aufgrund der Erwartung einer Verlängerung des Mietvertrags erbrachte.

Da Schweigen nur in Ausnahmefällen ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert beigemessen werden darf (RIS-Justiz RS0014347), lässt sich auch aus einer nicht ausdrücklichen Ablehnung einer Verlängerung kein konkludenter Vertragsschluss ableiten.

3. Die außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte