European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00183.17F.1025.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 1. 4. 1994 bis 31. 3. 1997 Mitglied des Vorstands der S***** AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Bis 28. 2. 2016 bezog der Kläger aufgrund einer in seinem Vorstandsvertrag enthaltenen Ruhegeldregelung 14 Mal jährlich ein Ruhegeld. Ab März 2016 zog die Beklagte davon unter Berufung auf § 1 Steiermärkisches Sonderpensionenbegrenzungsgesetz (St‑SpBegrG) einen Pensionssicherungsbeitrag in Höhe von 1.589,52 EUR brutto pro Monat ab. Vor dem Inkrafttreten des St‑SpBegrG 2015 betrug das Ruhegeld des Klägers (ohne seine ASVG‑Pension von 2.068,71 EUR) 15.592,09 EUR brutto. Netto verringerte sich der Auszahlungsbetrag (inklusive ASVG‑Pension) von 9.950,03 EUR auf 9.141,89 EUR.
Der Kläger begehrt die von seinem Ruhegeld für die Monate März 2016 bis einschließlich Oktober 2016 abgezogenen Pensionssicherungsbeiträge im Wesentlichen mit der Begründung, seine Ruhegeldvereinbarung unterliege nicht dem Anwendungsbereich des § 1 St‑SpBegrG 2015, zumal es sich bei dieser Ruhegeldregelung um keine „direkte Leistungszusage“ im Sinne des Betriebspensionsgesetzes, sondern um einen zweiseitigen Vertrag handle und er weder Arbeitnehmer sei noch eine arbeitnehmerähnliche Stellung innehabe, sodass er nicht dem innerbetrieblichen Pensionssystem der F***** AG unterliege, zu deren Sicherung das St‑SpBegrG 2015 diene.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren. Die Ruhegeldvereinbarung nach § 7 des Vorstandsvertrags enthalte eine klassische direkte Leistungszusage in Form einer Einzelvereinbarung, weshalb § 1 St‑SpBegrG 2015 auf diese Regelung anwendbar sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es im Wesentlichen vom folgenden Sachverhalt aus:
Der Kläger war vom 1. 1. 1964 bis 31. 3. 1994 als Prokurist Angestellter der S*****. Aufgrund seines Dienstvertrags bestand eine rechtsverbindliche Pensionszusage, die – beginnend mit 40 % des Aktivbezugs – entsprechend dem Dienstalter bis auf 79,5 % des Letztgehalts anstieg. Zum Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses zur S***** hatte der Kläger bereits zumindest 75 % des Letztgehalts als Pensionszusage erreicht. Mit der einvernehmlichen Auflösung seines Dienstverhältnisses per 31. 3. 1994 fiel auch der Anspruch aus der Pensionszusage weg. Der Vertrag über die Vorstandstätigkeit bei der F***** AG wurde mit dem Aufsichtsrat im Einzelnen ausgehandelt. Über die Höhe des Ruhegeldes wurde lange verhandelt, wobei der Kläger, der damals bereits 56 Jahre alt war, ein höheres Interesse an der Höhe der Pension als an seinem Aktivbezug hatte. Für seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied wurde ein Gehalt von 130.000 ATS 14 x jährlich zuzüglich einer erfolgsabhängigen Jahresprämie bis maximal 50 % des Jahreseinkommens vereinbart.
§ 7 des Vorstandsvertrags lautet auszugsweise:
„Ruhegeld
1. Bei Beendigung der Vorstandstätigkeit von Dr. K***** S***** hat dieser Anspruch auf Ruhegeldregelung
a) nach Vollendung des 60. Lebensjahres.
aa) im Falle einer einvernehmlichen Auflösung dieses Vertragsverhältnisses,
ab) bei Nichtverlängerung des Vertragsverhältnisses durch einen der Vertragspartner,
b) vor Vollendung des 60. Lebensjahres
[...]
2. Der Anspruch auf Ruhegeld [...] ruht für die Zeit, für welche die F***** noch Aktivbezüge bezahlt sowie während jenes Zeitraumes, in welchem ein Anspruch auf Abfertigung gebührt.
3. Das Ruhegeld beträgt ATS 131.666,00, wobei dieser Betrag in seinem inneren Wert gerechnet vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewahrt bleiben soll. Erhöhungen dieses Betrages treten immer zum gleichen Zeitpunkt und im gleichen prozentuellen Verhältnis ein, wie das Gehalt der Angestellten im Kollektivvertrag der Gas‑ und Wärmeversorgungsunternehmen Österreichs [...] erhöht wird.
[...]
6. Von dem hiermit zugesicherten Ruhegeld [...] wird [...] die von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gewährten Alters‑, Berufsunfähigkeitspensionen, die Hinterbliebenenpensionen und dergleichen in voller Höhe abgezogen. Sollte die laut ASVG zustehende Pension aufgrund einer Erwerbstätigkeit gekürzt werden, wird dennoch der ungekürzte Pensionsbetrag auf das Ruhegeld angerechnet [...]
[...]“
Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 St‑SpBegrG 2015 bestünden, weil § 10 Abs 6 Bezügebegrenzungs‑Bundesverfassungsgesetz (BezBegrBVG) die Landesgesetzgebung zur Erlassung einer entsprechenden Regelung ermächtige.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, ließ jedoch die Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob Ruhegeldvereinbarungen zwischen Vorstandsmitgliedern und einem Unternehmen eine direkte Leistungszusage iSd § 1 St‑SpBegrG 2015 darstellen, noch nicht befasst gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1.1. Nach § 1 Abs 1 St‑SpBegrG 2015 haben Bezugsberechtigte von Ruhe‑ und Versorgungsbezügen aus direkten Leistungszusagen von Rechtsträgern iSd Art 14b Abs 2 Z 2 B‑VG im Vollzugsbereich des Landes, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, soweit ihre Pension die Höhe der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß §§ 45 und 108 Abs 1 und 3 ASVG überschreitet, für jene Anteile, welche den aus dem ASVG stammenden Teil übersteigen, einen Pensionssicherungsbeitrag an den Rechtsträger zu leisten, von dem sie die Bezüge oder Leistungen beziehen.
1.2. In der Revision hält der Kläger seinen Standpunkt, diese Regelung sei verfassungswidrig, nicht aufrecht (vgl dazu auch VfGH G 478 bis 479/2015; G 661/2015, G 135/2016, G 205/206/2016 vom 1. 12. 2016; 9 ObA 48/17z; 9 ObA 72/17d; 9 ObA 81/17b).
2.1. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, bei seinem Bezug handle es sich nicht um eine „Leistungszusage“ iSd § 1 St‑SpBegrG, weil sich diese nur auf einer Betriebspensionsregelung unterliegende Fälle beziehen sollte, nicht jedoch auf zweiseitige Rechtsgeschäfte. Das Mandat des Klägers als ehemaliges Vorstandsmitglied einer AG unterliege ausschließlich den aktienrechtlichen Vorschriften.
2.2. Nach den Gesetzesmaterialien soll die zitierte Regelung „insbesondere Landeskammern und ausgegliederte Rechtsträger, an denen Land/Gemeinde/Gemeindeverband mehrheitlich beteiligt sind, oder die von diesem beherrscht werden“ erfassen. Die Argumentation des Klägers, sein Mandat unterliege ausschließlich den aktienrechtlichen Vorschriften, wobei die Eigentumsverhältnisse an der Aktiengesellschaft unbeachtlich seien, steht mit dem klaren Gesetzeswortlaut in Widerspruch, der auf Rechtsträger iSd Art 14b Abs 2 Z 2 B‑VG abstellt. Diese Bestimmung bezieht sich nämlich unter anderem auf „Unternehmungen“, die gemäß Art 127 Abs 3 B‑VG der Rechnungshofkontrolle unterliegen. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn das Land allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofs unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 % des Stamm‑, Grund‑ oder Eigenkapitals beteiligt ist. Dementsprechend nennen auch die Materialien zum St‑SpBegrG ausdrücklich die „E***** AG“ als Beispiel für von diesem Gesetz erfasste Rechtsträger. Entgegen dem Standpunkt des Revisionswerbers wird daher bei privatrechtlich organisierten Rechtsträgern sehr wohl auf die Eigentumsverhältnisse abgestellt.
2.3. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 1 St‑SpBegrG sind unter „direkten Leistungszusagen“ im Sinne dieser Bestimmung finanzielle Leistungen zu verstehen, die ergänzend zur gesetzlichen Pension auf der Grundlage einer zivilrechtlichen (vertraglichen) Vereinbarung bestehen. Die vom Kläger vertretene Einschränkung dieser Regelung auf dem BPG unterliegende Fälle findet weder im Gesetzeswortlaut noch in den Gesetzesmaterialien Deckung. Auch dem Begriff „Internes Pensionssystem“ kann diese Einschränkung nicht beigelegt werden. Vielmehr ist der Auffassung der Vorinstanzen beizutreten, dass im Rahmen einer teleologischen Auslegung (dazu vgl RIS‑Justiz RS0109735) auch vertragliche Leistungszusagen in den Anwendungsbereich des St‑SpBegrG einzubeziehen sind, zumal nur auf diese Weise wirksam die vom Gesetz angestrebte Abschwächung von durch Sonderpensionen entstandenen Ungleichheiten erreicht werden kann.
3. Nicht gefolgt werden kann auch der Argumentation der Revision zur Relevanz des Vorliegens einer Leistungszusage iSd § 2 Z 2 BPG. Das St‑SpBegrG enthält keinen Verweis auf das BPG, auch wenn es ebenso wie das BPG den Begriff der „direkten Leistungszusage“ (Abschnitt 3) verwendet. Die beiden Gesetze betreffen aber auch völlig unterschiedliche Regelungsmaterien: Das BPG dient dem Schutz und der Absicherung und normiert insbesondere die Unverfallbarkeit und Unwiderruflichkeit von Ansprüchen aus einer Betriebspensionszusage (vgl Resch in ZellKomm 2 § 2 BPG Rz 2 und 10). Demgegenüber wurde das St‑SpBegrG geschaffen, um das Pensionssystem nachhaltig zu sichern und die hohen finanziellen Belastungen des Landes und der ausgegliederten Rechtsträger zu reduzieren. Dass verschiedene Normgeber denselben Ausdruck in einem anderen Sinn verwenden können, entspricht herrschender Auffassung (vgl RIS‑Justiz RS0008882). Für die Annahme einer „Einheit der Rechtssprache“ in dem Sinn, dass jede Formulierung in jedem Gesetz unabhängig von dessen Kontext und Zweck stets dieselbe Bedeutung hätte, besteht keine Grundlage ( Kodek in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 6 Rz 62 mwN).
4. Zusammenfassend erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts daher als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)