European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00098.17W.0928.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Beklagte bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer ihr zurechenbaren Anscheinsvollmacht. Die haftungsbegründende Verletzung der Beratungspflicht ist nicht mehr Thema der außerordentlichen Revision.
2. Die von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Das Berufungsgericht versteht seine Ausführungen zu einem Organisations- oder Überwachungsverschulden als Hilfsbegründung. Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlen auch keine Feststellungen.
3.1 In rechtlicher Hinsicht setzt eine wirksame Stellvertretung neben dem Handeln des Stellvertreters im Namen des vertretenen Geschäftsherren das Vorliegen von Vertretungsmacht voraus. Ein Vertretungsakt ist nach der Rechtsprechung auch dann wirksam, wenn die Regeln der Handlungsvollmacht oder der Anscheinsvollmacht eingreifen. Anscheinsvollmacht setzt einen äußeren (Rechts-scheins‑)Tatbestand voraus, der dem Vertretenen zurechenbar sein muss. Der die Vertretungsmacht begründende Anschein hat dabei nicht vom Vertreter, sondern von einem Verhalten des Vertretenen bzw eines vertretungsbefugten Organs auszugehen. Der auf diese Weise gesetzte, dem Vertretenen zurechenbare äußere Tatbestand muss das Vertrauen des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht rechtfertigen. Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu prüfen (8 Ob 45/14x mwN). Auch die Fragen, wie weit die Mitwirkung des scheinbaren Vollmachtgebers an der Erweckung des Anscheins eines Vollmachtsverhältnisses gehen und ob sie dem vertrauenden Dritten gegenüber unmittelbar in Erscheinung treten muss, sind typisch einzelfallbezogen (9 Ob 18/12f).
3.2 Die Vorinstanzen sind zutreffend von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Auch in der Anwendung dieser Grundsätze ist ihnen keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen.
Die Vertragsunterlagen (zB der festgestellte Zeichnungsschein) verwiesen auf die Beklagte. Dies gilt auch für die Formblätter, in denen der Berater als „A*****coach“ bezeichnet wurde (zB Erklärung vom 18. 2. 2008). Die Formularvorlage für die Deklarationsblätter (als Beilagen zu den Informationsblättern) wurden von der Beklagten erstellt und von ihr dem Finanzcoach überlassen. Die darin angeführten Gewerberegisternummern waren jene der Beklagten. Die Deklarationsblätter dienten dazu, den jeweiligen Kunden im System anzulegen und an den Kunden weitergegeben zu werden.
Der Kläger hat aufgrund der Vertragsunterlagen angenommen, dass die Beklagte seine Vertragspartnerin sei. Dem wurde von der Beklagten nicht widersprochen. Dieser Eindruck wurde durch das Deklarationsblatt nicht entkräftet. Vielmehr verwies das Informationsblatt auf den A*****coach, der nach den Vertragsunterlagen mit der Beklagten in Verbindung stand. Demnach begründeten alle festgestellten Vertragsunterlagen für den Kläger den Hinweis auf die Beklagte als Vertragspartnerin.
3.3 Aufgrund dieser konkreten Gegebenheiten ist die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, das von der Beklagten erstellte und überlassene Deklarationsblatt stelle ein ausreichendes Zurechnungselement gegenüber der Beklagten dar, nicht unvertretbar. Das Deklarationsblatt spricht im Verein mit den anderen Vertragsunterlagen für eine Zuordnung zur Beklagten. Die Herstellung und Überlassung von für den Kundenkontakt bestimmten Formularen ist nach den gewöhnlichen Verhältnissen vom Willen der vertretungsbefugten Organen getragen. Hätte die Beklagte den ihr zurechenbaren Rechtsscheinstatbestand entkräften wollen, so hätte sie für Klarheit sorgen müssen. Ein Vertrauen auf den äußeren Tatbestand kann auch durch die Duldung der Zurechnungselemente begründet werden. Wenn dem Geschäftsherren eine – aus den Umständen ableitbare – vorwerfbare Untätigkeit zur Last fällt, so muss ihm gegenüber ein strenger Maßstab angelegt werden (vgl RIS‑Justiz RS0020119). Dies gilt vor allem bei undurchsichtigen Gesellschaftskonstruktionen, die gegenüber den Kunden im Außenauftritt nicht aufgeklärt werden. Gewerbeinhaberin und Vermittlerin der Verträge gegenüber den Produktpartnern war überdies ausschließlich die Beklagte.
4. Der Einwand der Beklagten, das Deklarationsblatt könne deshalb keinen Anschein begründen, weil es erst nach Vertragsabschluss übergeben worden sei, ist ebenfalls nicht berechtigt. Das Berufungsgericht führte dazu aus, dass die Übergabe an den Kläger vor Abschluss des Vertrags feststehe. Das Erstgericht stellte in dieser Hinsicht fest, dass der Berater dem Kläger im Zuge des Beratungsgesprächs eine Visitenkarte sowie außerdem ein Informationsblatt samt Beiblatt (eben das Deklarationsblatt) übergab. Die erwähnte Annahme des Berufungsgerichts ist zutreffend. Das Wort „außerdem“ in den Feststellungen des Erstgerichts ist eindeutig in diese Richtung zu verstehen.
5. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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