OGH 5Ob72/17z

OGH5Ob72/17z26.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. C* Z*, vertreten durch Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die Antragsgegnerin „I*“ * GmbH, *, vertreten durch Dr. Gerhard Preisl, Dr. Helgar Georg Schneider, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen § 52 Abs 1 Z 9 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 7. Februar 2017, GZ 3 R 29/17p‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119799

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage des Bestehens einer (wirksamen) von der gesetzlichen Regelung des § 32 Abs 1 WEG 2002 abweichenden Vereinbarung eines Aufteilungsschlüssels in Bezug auf einzelne Aufwendungen. Konkret ist strittig, ob die Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft eine gemäß § 8 Abs 4 WEG 1948 wirksame Vereinbarung über die Aufteilung der Liegenschafts-aufwendungen getroffen haben und ob die Antragstellerin, die ihre mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteile erst im Jahr 2012 erworben hat, an diese Vereinbarung gebunden ist.

2. Die Rechtswirksamkeit einer vor dem 1. 9. 1975 abgeschlossenen Vereinbarung über eine vom Gesetz abweichende Aufteilung von Aufwendungen ist gemäß § 29 Abs 1 Z 2 WEG 1975 iVm § 55 WEG 2002 (weiterhin) nach den zum Zeitpunkt ihres Abschlusses geltenden Vorschriften zu beurteilen (5 Ob 187/12d). Im Geltungsbereich des WEG 1948 bedurfte es keiner schriftlichen Vereinbarung der Mit‑ und Wohnungs-eigentümer, um Liegenschaftsaufwendungen anders zu verteilen, als dies im Gesetz vorgesehen war. Eine solche Vereinbarung konnte vielmehr mündlich oder auch konkludent zustande kommen (5 Ob 187/12d, 5 Ob 274/04m, 5 Ob 120/01k = RIS‑Justiz RS0013676 [T2]). Eine solche Vereinbarung hatte aber bloß schuldrechtliche Wirkung und blieb im Fall eines Eigentümerwechsels nach dem 1. 9. 1975 (Inkrafttreten des WEG 1975) nur dann bestehen, wenn sie vom Rechtsvorgänger auf seinen Nachfolger vertraglich überbunden oder von diesem durch schriftlichen Beitritt übernommen wurde, um das Schriftformgebot des § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 zu erfüllen. Gesamt- und Einzelrechtsnachfolger, die diese Pflicht durch Überbindungsklausel übernommen hatten, waren an diese Vereinbarung gebunden (5 Ob 187/12d, 5 Ob 274/04m, 5 Ob 277/01y = RIS‑Justiz RS0013676 [T4]). Die nach dem WEG 1975 geforderte Schriftform trifft nur den der seinerzeit konkludent geschlossenen Vereinbarung neu beitretenden Miteigentümer. Sie ist – unter Berücksichtigung ihres Schutzzwecks – schon eingehalten, wenn der Rechtsnachfolger mittels schriftlichen Vertrags in die Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat (RIS‑Justiz RS0013676).

3.1. Auf Basis des festgestellten Sachverhalts gingen die Vorinstanzen von einer schon in den Jahren 1970/1971 zustande gekommenen Vereinbarung aller damaligen Mit- und Wohnungseigentümer über eine vom Gesetz abweichende Aufteilung einzelner Liegenschafts-aufwendungen aus und sie bejahten auch die Bindung der Antragstellerin. Diese Aufteilungsvereinbarung sei ihr durch die in ihren Kaufvertrag aufgenommene Vereinbarung, dass die Übergabe und Übernahme der Eigentumswohnung „in den bestehenden Rechten und Lasten, Grenzen und Marken, so wie der Verkäufer diese besessen und benutzt“ habe „bzw. zu besitzen und zu benützen berechtigt“ gewesen sei, erfolge, vertraglich überbunden worden.

3.2. Die Antragstellerin sieht die Zulässigkeit ihres Revisionsrekurses nun darin begründet, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Fallkonstellation fehle und die Beurteilung des Rekursgerichts von der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Überbindung abweiche.

3.3. Die Frage der vertraglichen Überbindung der Aufteilungsvereinbarung auf die Antragstellerin betrifft die Frage einer Vertragsauslegung in einem konkreten Einzelfall (vgl 10 Ob 34/00y). Ob aber ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936, RS0044298, RS0044358). Eine solche aufzugreifende Fehlbeurteilung ist dem Rekursgericht aber nicht unterlaufen. Die Ansicht des Rekursgerichts, die Übergabe der Eigentumswohnung „in den bestehenden Rechten und Lasten“, wie sie der Verkäufer gehabt habe, bewirke unabhängig von der Frage ihrer subjektiven Kenntnis eine Überbindung auch der Aufteilungsvereinbarung, korrespondiert mit der Rechtsprechung zur Überbindung anderer Verpflichtungen, die unmittelbar mit der Nutzung der veräußerten Liegenschaft oder des veräußerten Liegenschaftsanteils zusammenhängen (vgl 4 Ob 236/15g). Vergleichbare Vertragsklauseln können beispielsweise zur Bindung des Erwerbers an Benützungsregelungen (RIS‑Justiz RS0013619), nicht verbücherte Dienstbarkeiten und andere bloß obligatorische Rechtsverhältnisse (RIS‑Justiz RS0011871) führen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte