OGH 5Ob274/04m

OGH5Ob274/04m21.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Dipl. Ing. Dr. Andreas G*****, vertreten durch Dr. Christiane Bobek, Rechtsanwältin in Wien, wider die Antragsgegner 1. Dr. Friedrich B*****, 2. Mag. Herwig F*****, 3. Wolfgang D*****, 4. Brigitte B*****, 5. Friedrich Manfred R*****, 6. Viveca H*****, 7. Otmar K*****, 8. Markus G*****, 9. Luise J*****, 10. Adelheid H*****, 11. Haroldo H*****, 12. Willi Erwin Dannenmaier, ebendort, 13. Otto Norbert L*****, 14. Margaretha R*****, 15. Dr. Heinz C*****, 16. Ingrid C*****, 17. Ing. Adolf T*****, 18. Hedda T*****, 19. Edith D*****, 20. Dr. Walter P*****, 21. Helga P*****, 22. Monika T*****,

23. Eva R*****, 1. bis 4., 6., 7. und 9. bis 18. sowie 23. Antragsgegner vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 26 Abs 1 Z 3 und 8 WEG 1975 (§ 52 Abs 1 Z 9 WEG 2002) und Aufhebung der in Punkt 6 der Hausordnung enthaltenen Vereinbarung über abweichende Abstimmungseinheiten über den Revisionsrekurs und Rekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss und den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Juni 2004, GZ 39 R 165/04k-38, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Liesing vom 27. Februar 2004, GZ 2 Msch 19/00i-28, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Der Revisionsrekurs des Antragstellers wird gemäß § 37 Abs 3 Z 16 bis 18 MRG iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

2.) Dem Rekurs des Antragstellers wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

1. Zum Revisionsrekurs des Antragstellers:

Im vorliegenden Fall steht die Wirksamkeit einer Vereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer über eine vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen in Frage, die durch Unterfertigung von Bestimmungen der Hausordnung, noch im Geltungsbereich des WEG 1948, sowie von Rechtsnachfolgern im Geltungsbereich des WEG 1975 sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des 3. WÄG zustande gekommen sein soll. Die vom Rekursgericht als erheblich iSd § 528 Abs 1 ZPO angesehene Frage des Eintritts in solche Vereinbarungen nach dem 1. 9. 1975 und vor dem 1. 3. 1994 (Inkrafttreten des 3. WÄG) sowie die Frage, ob eine schriftliche abweichende Vereinbarung auch dann bestehen bleibt, wenn ein Wohnungseigentümer seine Anteile nach dem 1. 3. 1994 erwirbt, sein Rechtsvorgänger aber der Vereinbarung schriftlich nicht beigetreten war, ist durch höchstgerichtliche Rechtsprechung hinlänglich geklärt.

Entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes erweist sich damit das Rechtsmittel des Antragstellers gegen den Sachbeschluss als nicht zulässig.

Das ist wie folgt kurz zu begründen:

Im Geltungsbereich des WEG 1948 bedurfte es keiner schriftlichen Vereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer, um die Liegenschaftsaufwendungen anders zu verteilen, als dies im Gesetz vorgesehen war. Eine solche Vereinbarung konnte mündlich aber auch konkludent zustande kommen (WoBl 1990/64 mwN). In der Zeit zwischen dem Inkrafttreten des WEG 1975 und dem 3. WÄG (also zwischen dem 1. 9. 1975 und dem 1. 3. 1994) war die Rechtslage derart, dass der neue Wohnungseigentümer nur dann an die schuldrechtliche Vereinbarung einer vom Gesetz abweichenden Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen gebunden war, wenn er dieser Vereinbarung in Schriftform beigetreten ist oder in einer ebenfalls dem Schriftlichkeitsgebot des § 19 Abs 2 WEG 1975 genügenden Weise in die Rechtsstellung des früheren Miteigentümers (seines Einzelrechtsvorgängers) eingetreten ist (MietSlg 53.555 mwN). Nach Inkrafttreten des WEG 1975 ist also ein konkludenter Beitritt eines Wohnungseigentümers zu einer bestehenden Vereinbarung ausgeschlossen (vgl MietSlg 34/27).

Für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten des 3. WÄG (also nach dem 1. 3. 1994) ist durch die gesetzliche Regelung des § 19 Abs 5 idF des 3. WÄG normiert, dass durch den Wechsel eines Miteigentümers der Aufteilungsschlüssel oder die Abrechnungseinheit nicht berührt werden.

Für den Zeitraum davor (seit 1. 9. 1975) wurde judiziert, dass erst dann, wenn ein Einzelrechtsnachfolger, dem ein diesbezügliches Entscheidungsrecht zustand, den Beitritt zur seinerzeitigen Vereinbarung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer ablehnte und daher die gesetzlich geforderte Übereinstimmung aller Miteigentümer nicht mehr erreicht werden konnte, die getroffene Vereinbarung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer hinfällig war (WoBl 1990/64 mwN). Eine solche Weigerung einzelner Wohnungseigentümer ist mit Ausnahme der nicht mehr verfahrensgegenständlichen Ergänzung Nr 1 zur Hausordnung nicht hervorgekommen.

Auch die übrigen vom Revisionsrekurswerber aufgeworfenen Fragen stellen daher keine Rechtsfragen von der Qualifikation des § 528 Abs 1 ZPO dar:

Wenn auch eine Hausordnung "nicht der richtige Regelungsort" (so Call in Besprechung der Entscheidung WoBl 1990/64) ist, kommt es darauf doch letztlich nicht an, wenn die vertragliche Zustimmung aller vorliegt. In MietSlg 33.472 wird nur ausgesagt, dass zum Unterschied von Hausordnungen Gemeinschaftsordnungen einstimmig erfolgen müssen. Das sagt also nicht, dass in einstimmig vereinbarten Hausordnungen nicht auch abweichende Verteilungsschlüssel enthalten sein könnten. Des weiteren ist nicht erforderlich, dass sich alle Mit- und Wohnungseigentümer 30 Jahre hindurch an den abgeänderten Verteilungsschlüssel halten müssten. Diese Argumentation übersieht, dass Vereinbarungen über die abweichende Aufteilung von Aufwendungen schuldrechtlich zwischen den Vertragspartnern, also zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern wirken. Damit beantwortet sich auch die vom Revisionsrekurs aufgeworfene Frage nach der Anwendbarkeit (welcher Bestimmungen?) des KSchG.

Nicht zutreffend ist im Weiteren, dass es im Sinn der Rechtssicherheit zu fordern sei, dass eine vor dem 1. 9. 1975 getroffene Vereinbarung bei Eintritt eines neuen Miteigentümers rechtsunwirksam und hinfällig werde (WoBl 1990/64 ua). Im Weiteren ist der Einwand mangelnden Erklärungsbewusstseins der Zustimmenden im außerstreitigen Verfahren über die Wirksamkeit eines Beschlusses unangebracht, weil diese Frage im streitigen Verfahren zu prüfen wäre (4 Ob 19/03b).

Eine inhaltliche Überprüfung eines Beschlusses über eine abweichende Aufteilung ist im Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 8 WEG 1975 (§ 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002) nicht vorgesehen (5 Ob 164/02g).

Der Verweis darauf, dass nach 1975 ein bloß konkludenter Beitritt erfolgt sei, entfernt sich von den entsprechenden Feststellungen ebenso wie die Ausführungen über die Mängel der einzelnen Zustimmungen.

Insgesamt werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren Beantwortung bei Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme. Das Rekursgericht ist auch nicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen. Damit erweist sich der Revisionsrekurs als unzulässig.

2. Zum Rekurs des Antragstellers:

In Punkt 6 der "Hausordnung" vom 14. 3. 1969 wurde von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer folgende Vereinbarung getroffen, die jedenfalls die Zustimmung des Antragstellers nicht gefunden hat. "Punkt 6

Beschlussfassung über Reparaturen und Neuanschaffungen Über die Durchführung von Reparaturen, das sind Arbeiten, die zur Erhaltung der Wohnhausanlage in ordnungsgemäßem Zustand erforderlich sind, entscheidet die Eigentumsgemeinschaft mit einfacher Stimmenmehrheit.

Beschlüsse über die Ausführung von Verbesserungen oder Neuanschaffungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit einer Dreiviertelmehrheit.

Bei diesen Abstimmungen hat jeder Wohnungseigentümer so viele Stimmen, als seinem Anteil an den Auslagen in Prozenten und Bruchteilen von Prozenten gemäß Z 5 [abweichende Vereinbarung eines Verteilungsschlüssels] entspricht."

Mit seinem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte der Antragsteller die ersatzlose Aufhebung des Punktes 6 dieser Hausordnung. Die Vereinbarung sei rechtsunwirksam zustande gekommen, sei nicht von sämtlichen Mit- und Wohnungseigentümern getragen und verletze überdies seine schutzwürdigen Interessen.

Die Antragsgegner begehrten die Abweisung des entsprechenden Antragsteils.

Das Erstgericht wies das Begehren ab, weil es davon ausging, dass eine rechtswirksame Vereinbarung zwischen sämtlichen Miteigentümern über die Punkte 5 und 6 der Hausordnung getroffen worden sei, die Wirksamkeit dieser Vereinbarung von nachfolgenden Eigentümerwechseln auch nicht abhängig gewesen sei.

Einem gegen diesen Entscheidungsteil erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den entsprechenden Teil des angefochtenen Sachbeschlusses als nichtig auf und trug dem Erstgericht auf, ein Verbesserungsverfahren hinsichtlich des als Klage zu wertenden Antrags auf Aufhebung des Punktes 6 der Hausordnung einzuleiten.

Das Rekursgericht erwog dazu Folgendes:

Während das Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung über einen von der gesetzlichen Regelung des § 19 Abs 1 WEG abweichenden Verteilungsschlüssel und damit zusammenhängend auf ersatzlose Aufhebung des Punktes 5 der Hausordnung unter § 26 Abs 1 Z 8 WEG subsumiert werden könne, treffe das auf das Begehren auf Aufhebung des Punktes 6 der Hausordnung nicht zu. In Punkt 6 der Hausordnung sei eine von der Bestimmung des § 13b Abs 2 WEG abweichende Regelung des Stimmrechts der Wohnungseigentümer vorgenommen worden, somit keine Regelung getroffen worden, die Angelegenheiten einer Hausordnung betreffe. Es bedürfe somit einer Aufhebung derselben nach § 13a Abs 1 Z 7 WEG nicht, weil die nichtzustimmenden Wohnungseigentümer an eine solche Vereinbarung schlichtweg nicht gebunden seien. Behaupte aber die Mehrheit der Wohnungseigentümer die Wirksamkeit einer solchen Regelung, so stehe dem sich auf die Unwirksamkeit mangels Einstimmigkeit berufenden Wohnungseigentümer nur die Möglichkeit der Klagsführung offen. Nur für die in § 26 Abs 1 WEG ausdrücklich angeführten oder unzweifelhaft schlüssig ins Verfahren außer Streitsachen verwiesenen Angelegenheiten sei das in § 26 Abs 2 WEG geregelte besondere Außerstreitverfahren zuständig, alle anderen Angelegenheiten hingegen gehörten entweder in das allgemeine Außerstreitverfahren oder auf den allgemeinen Rechtsweg. Beim gegenständlichen Begehren handle es sich nicht um den Fall einer Beschlussanfechtung im Sinn des § 26 Abs 1 Z 4 WEG, auch nicht um ein Begehren auf Aufhebung eines Punktes der Hausordnung im Sinn des § 13a Abs 1 Z 7 WEG, weil keine in einer Hausordnung zu regelnde Angelegenheit betroffen sei, sondern Einstimmigkeit erforderlich wäre, sodass sich insgesamt keine Zuständigkeit des Verfahrens nach § 26 Abs 1 WEG begründen lasse. Ein im außerstreitigen Verfahren erhobener Antrag über einen im Rechtsweg wahrzunehmenden Anspruch sei als Klage zu werten und nach der erforderlichen Verbesserung als solche meritorisch zu behandeln. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses, Bejahung der Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens und meritorische Entscheidung im Sinn einer Stattgebung des verfahrenseinleitenden Antrags. Die Erst- bis Viert-, Sechst-, Siebt- und Neunt- bis Achtzehnt- sowie Dreiundzwanzigstantragsgegner beantragten, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist zufolge der gebotenen Analogie zu § 519 Abs 2 Z 1 ZPO zulässig.

Es ist jedoch nicht berechtigt.

Die den Mit- und Wohnungseigentümern zustehenden Mitwirkungsbefugnisse sind im § 13b Abs 1 bis 5 WEG geregelt, wobei Abs 2 normiert, dass sich - abgesehen von der Einstimmigkeit - die Willensbildung nach der Mehrheit der Stimmen der Miteigentümer nicht nach der Anzahl der Personen, sondern nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bestimmt. § 13b Abs 5 WEG 1975 enthält ein Verbot der Einschränkung der Befugnisse im Voraus, das seine Entsprechung auch in § 24 Abs 1 WEG 1975 findet (vgl Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft, 185).

Um eine derartige Vereinbarung handelt es sich im vorliegenden Fall bei Punkt 6 der "Hausordnung" (vgl A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österr. Wohnrecht, Rz 30 zu § 30 WEG).

Nach dieser Klarstellung ergibt sich, dass mit dem Begehren auf "Aufhebung des Punktes 6 der Hausordnung" nicht ein Minderheitsrecht im Sinn des § 13a Abs 1 Z 7 WEG 1975 geltend gemacht wird, sondern die Feststellung der Unwirksamkeit einer von den übrigen Mit- und Wohnungseigentümern in der Hausordnung getroffenen Vereinbarung abweichender Stimmrechtsausübung. Es liegt auch keine Anfechtung eines Beschlusses vor, die unter § 26 Abs 1 Z 4 WEG subsumierbar wäre.

Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, lässt sich das vorliegend zu beurteilende Begehren des Antragstellers nicht in die in § 26 Abs 1 WEG ausdrücklich angeführten oder unzweifelhaft schlüssig ins Verfahren außer Streitsachen verwiesenen Angelegenheiten einordnen. Die Feststellung der Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung, für die § 19 Abs 5 WEG nicht anwendbar ist, kann daher ebenso wie die auf § 24 WEG zu gründende Unwirksamkeit von Vereinbarungen nur im streitigen Rechtsweg erfolgen.

Zutreffend hat das Rekursgericht dem Antragsteller eine Verbesserung seines Begehrens aufgetragen, da dieses derzeit die Voraussetzungen einer Feststellungsklage nicht aufweist. Es steht auch noch nicht fest, dass sich die Antragsgegner tatsächlich der vom Antragsteller zu Recht bestrittenen Regelung berühmen oder diese tatsächlich angewendet wird.

Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Stichworte