OGH 5Ob164/02g

OGH5Ob164/02g5.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Helga N*****, vertreten durch Dr. Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, wider die Antragsgegner 1. Mag. Michael D*****,

3. DI Fritz M*****, 4. Renate M*****, 5. Anton B*****, 6. Dr. Franz W*****, 7. Edeltraud W*****, 8. Gertrude F*****, 9. Jutta U*****, 10. Ing. Kurt S*****, 11. Mag. Krista S*****, 12. Erika W*****, 13. Helmut S*****, 14. Erika S*****, alle *****, 15. Peter Z*****, 16. Wolfgang K*****, 17. Silvia K*****, beide *****, 18. Nicole M*****,

19. Hermine S*****, 20. Werner K*****, 21. Stefanie K*****, 22. Friedrich S*****, 23. Mag. Gerhard M*****, 24. Ottilie M*****, 25. Brigitte S*****, 26. Edith B*****, 27. Christine M*****, 28. DI Anton L*****, 29. Maria-Luise L*****, 30. Annemarie P*****, 31. Werner W*****, 32. Otto Z*****, 33. Christa Z*****, 34. Helga D*****, alle *****, 35. Ing. Karl F*****, 36. Sophie B*****, 37. Gebhard A*****,

38. Willibald S*****, 39. Maria R*****, beide *****, 40. Renate G*****, vertreten durch Dr. Harald Gerl, Rechtsanwalt in Graz, 41. Brigitte M*****, 42. Helmut S*****, 43. DI Karl Thomas K*****, 44. Eva K*****, alle *****, 45. Hans O*****, 46. Mag. Hiltrud S*****, 47. DI Wolfgang S*****, 48. Mag. Barbara S*****, beide *****, wegen § 26 Abs 1 Z 8 WEG iVm § 19 Abs 1 und 2 WEG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 25. April 2002, GZ 3 R 320/01b-14, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Juli 2001, GZ 7 Msch 37/99x-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:

"Der von der Mehrheit der Miteigentümer der Häuser S***** und ***** in ***** gefasste und der Antragstellerin am 26. Juli 1999 zur Kenntnis gebrachte Beschluss, wonach künftig die Erhaltung der Wohnungsfenster und Balkontüren in die Eigenverantwortlichkeit und Eigenerhaltung des jeweiligen Wohnungseigentümers übernommen wird, ist unwirksam".

Text

Begründung

Die Häuser S*****gasse 96 und 98 in ***** stellen eine Wohnungseigentumsanlage dar. Die Antragstellerin ist Mit- und Wohnungseigentümerin dieser Liegenschaft, die Antragsgegner sind die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft. Durch Umlauf vom Juli 1999 hat die Mehrheit (73,14 %) der Mit- und Wohnungseigentümer einen Beschluss gefasst, wonach künftig die Erhaltungspflicht hinsichtlich der Wohnungsfenster und Balkontüren die jeweiligen Wohnungseigentümer treffen solle.

Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 26. 7. 1999 von diesem Beschluss verständigt.

Am 25. 10. 1999 rief die Antragstellerin das Gericht mit dem Begehren an, diesen von der Wohnungseigentumsgemeinschaft gefassten Beschluss "aufzuheben". Sie bezeichnete ihren Antrag als einen nach § 26 Abs 1 Z 4 WEG. Ausdrücklich berief sie sich aber darauf, dass solche Beschlüsse, wie der gegenständliche, nicht eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung seien, sondern nur einstimmig gefasst werden könnten und dass damit gegen die gesetzlichen Bestimmungen über die Erhaltung im Verhältnis der Miteigentumsanteile verstoßen worden sei. Nur durch einen einhelligen diesbezüglichen Beschluss könne die Erhaltungspflicht einem einzelnen Wohnungseigentümer hinsichtlich allgemeiner Teile der Liegenschaft überbunden werden. Im Weiteren führte sie noch aus, dass sie durch den bezeichneten Beschluss in ihren Interessen übermäßig beeinträchtigt sei und daher die Aufhebung des Miteigentümerbeschlusses gerechtfertigt sei. Das Erstgericht gab dem Antrag statt und beseitigte den von der Mehrheit der Miteigentümer gefassten Beschluss durch Aufhebung. In rechtlicher Hinsicht erkannte das Erstgericht, dass es sich beim bekämpften Beschluss um keine Maßnahme handle, die § 14 WEG, auch nicht § 14 Abs 3 WEG zu unterstellen sei, sondern um einen Versuch, die in § 19 Abs 1 WEG festgeschriebene Aufteilung von Aufwendungen mittels Mehrheitsbeschlusses zu ändern. Dies sei nicht zulässig, weshalb der von der Antragstellerin bekämpfte Beschluss aufzuheben sei.

Einem dagegen von der 40. Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies den verfahrenseinleitenden Antrag ab.

Es wertete in rechtlicher Hinsicht den Antrag als solchen gemäß § 14 Abs 3 WEG und führte aus, dass die Antragstellerin ursprünglich durch Anrufung des Gerichtes die dreimonatige Präklusivfrist gewahrt habe. Allerdings hätten dann in der mündlichen Verhandlung vom 27. 1. 2000 die (anwesenden) Parteien Ruhen des Verfahrens vereinbart. Es stehe fest, dass danach Vergleichsgespräche stattgefunden hätten, ein Vergleichsvorschlag der Antragstellerin aber mit Schreiben vom 18. 5. 2001 (richtig: 2000) endgültig abgelehnt worden sei. Dennoch habe die Antragstellerin noch bis zum 6. 9. 2000 mit einem Fortsetzungsantrag zugewartet. Über drei Monate habe sie also das Verfahren weiter unbegründet ruhen lassen, sodass ihr Anspruch nunmehr präkludiert sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zu lösen gewesen seien.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, mit dem Begehren auf Abänderung im Sinne einer Widerherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses.

Die 40. Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht den wesentlichen Inhalt des Antrags und der Bestimmung des § 19 Abs 1 und 2 WEG verkannt hat.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Zutreffend hat bereits das Erstgericht erkannt, dass mit dem von der Antragstellerin bekämpften Beschluss ein von der Regel des § 19 Abs 1 WEG abweichender Aufteilungsschlüssel für Aufwendungen für die Erhaltung der Liegenschaft getroffen werden sollte, was zufolge § 19 Abs 2 WEG der Stimmeneinhelligkeit der Mit- und Wohnungseigentümer bedarf. Die Verschiebung von Erhaltungspflichten an allgemeinen Teilen des Hauses auf die einzelnen Miteigentümer stellt keine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung dar, die durch Mehrheitsbeschluss verwirklicht werden könnte und den einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer auf seine Minderheitenrechte nach § 13b oder 14 Abs 3 WEG verweist. Eine inhaltliche Überprüfung eines solchen Beschlusses über eine von § 19 Abs 1 WEG abweichende Aufteilung des Erhaltungsaufwandes ist nicht vorgesehen, weil ein solcher Beschluss gar nicht mit Mehrheit gefasst werden kann. Die Anfechtbarkeit einer solchen Vereinbarung beschränkt sich daher auf die Prüfung des ordnungsgemäßen Zustandekommens einer in § 19 Abs 2 WEG vorgesehenen einstimmigen Vereinbarung (RIS-Justiz RS0113012; zuletzt 5 Ob 240/01g).

Ein Antrag nach § 26 Abs 1 Z 8 WEG (§ 52 Abs 1 Z 9 WEG 2002) ist auch an keine Präklusivfrist gebunden.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin war daher berechtigt, wobei zur Klarstellung anstelle einer "Aufhebung" des Mehrheitsbeschlusses dessen Unwirksamkeit infolge nicht gesetzmäßigen Zustandekommens auszusprechen war.

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