OGH 4Ob19/03b

OGH4Ob19/03b18.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner und Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann N*****, vertreten durch Dr. Klaus Gstrein und Dr. Ulrich Gstrein, Rechtsanwälte in Imst, gegen die beklagte Partei Brunhilde K*****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer und Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 3.597,31 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.633,64 EUR), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. August 2002, GZ 1 R 283/02b-20, womit das Urteil des Bezirksgerichts Silz vom 8. März 2002, GZ 5 C 136/01w-15, in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren aufgehoben und die Klage insoweit zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird in ihrem noch nicht rechtskräftig erledigten Teil an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem die Fortsetzung des Berufungsverfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen wird.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Hälfteeigentümer einer Liegenschaft. In dem darauf befindlichen Haus haben die Streitteile während aufrechter Lebensgemeinschaft seit 1978 gewohnt; nach deren Beendigung zog der Kläger 1991 aus dem Haus aus. Seit damals benützt die Beklagte die Liegenschaft allein. Sie zahlt dem Kläger kein Benützungsentgelt. Der Kläger hatte seine Liegenschaftshälfte von der Beklagten mit Übergabsvertrag vom 23. 10. 1979 übergeben erhalten.

Der Kläger begehrte mit Klage vom 6. 4. 2001 zunächst den Zuspruch von 49.500 S als Benützungsentgelt für die Benützung des Hauses auf der gemeinsamen Liegenschaft für den Zeitraum vom 1. 1. 2000 bis einschließlich 31. 3. 2001 und dehnte sein Begehren später um die Feststellung aus, es werde festgestellt, dass die Beklagte keinen Anspruch auf unentgeltliche Benützung seines Hälfteanteils an der gemeinsamen Liegenschaft samt darauf befindlichem Wohnhaus habe (AS 73). Er brachte dazu vor, die Beklagte vertrete den Standpunkt, sie sei berechtigt, in dem im Miteigentum des Klägers stehenden Wohnhaus unbeeinträchtigt, insbesondere ohne an den Kläger dafür irgendein Entgelt leisten zu müssen, zu wohnen; sie lebe seit dem Auszug des Klägers allein im gegenständlichen Wohnhaus, und es liege "de facto" insoweit eine Benützungsregelung vor, als der Kläger damit einverstanden gewesen sei, dass die Beklagte nach dessen Auszug im gemeinsamen Wohnhaus verbleibe und dieses benutze. Aufgrund der derzeitigen Sachlage könne in einem außerstreitigen Verfahren nur über Höhe und Umfang eines Benutzungsentgelts abgesprochen werden, weshalb dem Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte sehr wohl verpflichtet sei, für die Benutzung und das Bewohnen des klägerischen Hälfteanteiles ein angemessenes Benutzungsentgelt zu leisten, nicht abgesprochen werden könne.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Eine Benützungsregelung betreffend die gemeinsame Liegenschaft liege nicht vor. Die Beklagte sei - auch auf Grund des Übergabsvertrags - nach dem Auszug des Klägers aus dem Haus berechtigt, ohne Beeinträchtigung auf der Liegenschaft zu wohnen und diese zu benutzen; "ohne Beeinträchtigung" bedeute, dass sie dem Kläger kein Entgelt aus welchem Grunde auch immer, insbesondere auch aus dem Titel Benutzungsentgelt, zu leisten habe. Es stehe dem Kläger frei, die bisherige Art der Nutzung im Weg einer einvernehmlichen Regelung oder durch Anrufung des Gerichts zu ändern. Über das vom Kläger erhobene Feststellungsbegehren sei nicht im streitigen Verfahren zu entscheiden, weshalb die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges erhoben werde. Darüber hinaus fehle auch ein Feststellungsinteresse.

Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren - unbekämpft - ab und gab dem Feststellungsbegehren statt. Es stellte fest, Vertragsgrundlage der Übergabe der Liegenschaftshälfte sei es gewesen, dass die Beklagte in der Benützung der Liegenschaft nicht beeinträchtigt werde, sowie dass der Kläger keine Teilungsklage einbringe. Nicht vereinbart sei hingegen worden, ob im Falle des Scheiterns der Lebensgemeinschaft die Benützung durch die Beklagte entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen dürfe; für den Fall des Scheiterns der Lebensgemeinschaft habe man beim Abschluss des Übergabsvertrags im Hinblick auf die nachfolgende Benützung nichts vorgesehen. Die Beklagte habe zwar gedacht, dass sie nach allfälliger Beendigung der Lebensgemeinschaft niemals ein Entgelt an den Kläger zahlen werde, sie habe dies aber dem Kläger gegenüber weder stillschweigend noch ausdrücklich zum Ausdruck gebracht. Über die Frage des Benützungsentgelts sei bis heute keine Regelung erfolgt; der Kläger habe auf ein solches für die Zukunft auch weder konkludent noch ausdrücklich verzichtet. Rechtlich gelangte das Erstgericht zum Schluss, das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil die Beklagte die dem Kläger gehörige Liegenschaftshälfte ohne jede Grundlage allein benutze, die Entgeltlichkeit bei alleiniger Benützung aber bereits im Gesetz verankert sei. Der Kläger besitze ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob die behauptete Unentgeltlichkeit der Benützung vorliege oder nicht, weil die Entscheidung dieser Frage Grundlage für den Außerstreitrichter bei Verhandlung und Beschlussfassung über ein Benutzungsentgelt sei. Im Übrigen werde es Sache des Klägers sein, für die Zukunft im außerstreitigen Verfahren auf ein angemessenes Benutzungsentgelt zu dringen.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren einschließlich des diesem Teilanspruch vorausgegangenen Verfahrens als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang zurück. Zwischen den Streitteilen sei in Anbetracht der langjährigen unentgeltlichen alleinigen Benützung der Liegenschaft durch die Beklagte eine Benützungsregelung durch konkludentes Verhalten zustandegekommen, wonach die Beklagte die Liegenschaft allein benutzen dürfe und kein Entgelt dafür zu leisten habe. Der Entgeltanspruch einer Benutzungsregelung sei deren immanenter Bestandteil, weshalb die Klage (Feststellungsinteresse) ihrem Ziel nach als Antrag auf Abänderung der seinerzeit konkludent zustande gekommenen Benutzungsvereinbarung zu beurteilen sei. Angestrebt werde die Abänderung der seinerzeitigen Entgeltfestsetzung von Null auf ein angemessenes Benutzungsentgelt. Nicht nur die Festlegung, sondern auch jede Änderung einer Benutzungsregelung habe durch den Außerstreitrichter zu erfolgen, der zur Festsetzung des Benützungsentgelts also immer dann zuständig sei, wenn zwischen Miteigentümern zwar eine Einigung über die Benützung selbst, nicht aber darüber vorliegt, ob und in welcher Höhe hiefür eine Gegenleistung zu entrichten sei. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs sei daher berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO); das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Der Kläger verweist auf den Rechtsstandpunkt der Beklagten, die das - auch konkludente - Zustandekommen einer Benützungsregelung bestreite und ein Recht zur unentgeltlichen Benützung behaupte. Im streitigen Verfahren sei daher - als Vorfrage für ein allfälliges zukünftiges Außerstreitverfahren - zu klären, ob nach der zwischen den Parteien bestehenden Rechtslage, insbesondere unter Berücksichtigung des Übergabsvertrags, eine entgeltliche Benützung der Liegenschaft durch die Beklagte im Rahmen einer Benützungsregelung zwischen Miteigentümern überhaupt angeordnet werden könne. Dazu ist zu erwägen:

Die rechtsgestaltende Regelung der Benützung der gemeinsamen Sache unter Miteigentümern - das ist die Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder ihrer körperlich begrenzten Teile zur ausschließlichen oder gemeinsamen, auf Dauer oder mindestens auf längere Zeit gedachten Benützung an die Teilhaber - und die allfällige Festsetzung einer Entgeltleistung für eine ihren Anteil übersteigende Benützung erfolgt im außerstreitigen Verfahren. Auch die (konstitutive) Festsetzung des von einem Miteigentümer für die Benützung der gemeinsamen Sache zu entrichtenden Entgelts obliegt, wenn sich die Miteigentümer in diesen Belangen nicht einigen, dem Außerstreitrichter (Gamerith in Rummel, ABGB³ § 835 Rz 11 mN; 4 Ob 2227/96w = EvBl 1997/110 mwN).

Feststellungsklagen darüber, ob eine rechtswirksame Vereinbarung zwischen den Miteigentümern besteht (SZ 51/5 mwN), sind hingegen ebenso wie Feststellungsklagen bei Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt einer Benützungsvereinbarung (MietSlg 35.725) im streitigen Verfahren zu entscheiden (Hofmeister/Egglmeier in Schwimann, ABGB² § 835 Rz 38).

Bei der Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen oder im streitigen Verfahren zu entscheiden ist, ist vom Vorbringen und dem Entscheidungsbegehren des Antragstellers, nicht aber von den Einwendungen des Antragsgegners oder den Feststellungen auszugehen, die das Gericht auf Grund der durchgeführten Beweise getroffen hat (Gamerith aaO; MietSlg 35.725; WoBl 1990, 80 (Call) = MietSlg 41/25 je mwN; JBl 2001, 327 uva). Rechtssachen, die nicht zumindest unzweifelhaft schlüssig ins außerstreitige Verfahren verwiesen sind, gehören auf den streitigen Rechtsweg (MietSlg 35.725; WoBl 1990, 80 (Call) = MietSlg 41/25 je mwN; JBl 2001, 327 uva).

Im Streitfall bestehen schon nach dem Vorbringen des Klägers Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien darüber, worüber sie sich anlässlich des Auszugs des Klägers aus dem auf der gemeinsamen Liegenschaft befindlichen Haus ausdrücklich oder schlüssig geeinigt haben, und ob die Rechtsposition der Beklagten nunmehr - berücksichtigt man einerseits den Übergabsvertrag, andererseits ihre jahrelange alleinige Nutzung der gemeinsamen Sache, ohne dass der Kläger vor diesem Verfahren ein Benützungsentgelt verlangt hätte - auch die für alle Zukunft unentgeltliche Nutzung des Hauses einschließt. Eine Klärung dieser Fragen kann - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - nur im streitigen Verfahren erfolgen, weil sie Abschluss und Inhalt eines zwischen Miteigentümern abgeschlossenen Vertrags und damit die Feststellung des Inhalts der zwischen den Vertragsteilen bestehenden Rechtsbeziehungen betreffen.

Erst wenn im streitigen Verfahren die wirkliche Sachlage als materielle Rechtslage rechtskräftig feststeht, kann - unter Bedachtnahme darauf als Vorfrage - im außerstreitigen Verfahren über einen der Rechtslage entsprechenden Antrag entweder auf Abschluss einer Benützungsregelung und Festsetzung eines Benützungsentgelts oder aber auf Festsetzung des Benützungsentgelts allein (sofern die Benützung der gemeinsamen Sache bereits geregelt, Entgeltfreiheit für alle Zukunft aber nicht vereinbart ist) entschieden werden.

Da somit der vom Berufungsgericht angenommene Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO nicht vorliegt, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte