OGH 7Ob729/77

OGH7Ob729/7712.1.1978

SZ 51/5

Normen

ABGB §833
ABGB §834
ABGB §835
ABGB §833
ABGB §834
ABGB §835

 

Spruch:

Bei der Prüfung der Nachteile einer von der Mehrheit beabsichtigten wichtigen Veränderung sind nicht nur finanzielle Interessen, sondern die gesamten Umstände des Falles zu berücksichtigen, also auch das immaterielle Interesse des Minderheitseigentümers, den in eine historische Umgebung passenden äußeren Zustand des Hauses zu erhalten

OGH 12. Jänner 1978, 7 Ob 729/77 (KG Wr. Neustadt, R 337/77; BG Wr. Neustadt 1 Nc 4/77)

Text

Die Streitteile sind Miteigentümer des Hauses in WN, N-Straße 26, und zwar die Antragstellerin zu zwei Drittel und der Antragsgegner zu einem Drittel. Die Antragstellerin hat das im Erdgeschoß des Hauses befindliche Geschäftslokal an die D vermietet. Diese hat beim Magistrat der Stadt um Erteilung der Baubewilligung für eine Neugestaltung des Geschäftsportales angesucht. Sie beabsichtigt eine Umgestaltung derart, daß die gesamte Fassade des Erdgeschoßes mit einer orangefarbigen Plastikverkleidung überzogen und ein leuchtendes Steckschild angebracht wird. Durch die in Aussicht genommene Farbe soll eine ins Auge springende Werbewirkung erzielt werden. Die Antragstellerin hat der beabsichtigten Bauführung zugestimmt, während sich der Antragsgegner mit der Begründung dagegen ausspricht, hiedurch würde die Fassade des Hause "verschandelt".

Das Erstgericht hat die beantragte Bauführung hinsichtlich Änderungsarbeiten durch Portalverkleidung mit der Begründung genehmigt, sie sei in dem zwischen der Antragstellerin und der D abgeschlossenen Mietvertrag vorgesehen. Dieser Mietvertrag liege im Interesse sämtlicher Hauseigentümer. über die Geschmacksrichtung der Fassadengestaltung lasse sich streiten, doch könne nicht übersehen werden, daß die gewählten Farben jenen entsprechen, die die Mieterin auch bei anderen Lokalen verwendet.

Das Rekursgericht wies den Antrag auf Genehmigung der beabsichtigten Bauführung ab. Hiebei trat es dem Standpunkt des Erstgerichtes, bei dieser Bauführung handle es sich um eine wichtige Veränderung im Sinne der §§ 834, 835 ABGB, bei. Die Zustimmung des Minderheitseigentümers zu dieser Maßnahme könne nur dann vom Gericht ersetzt werden, wenn sie im Interesse sämtlicher Eigentümer liege. Hinsichtlich der Verwendung der Außenfläche eines Gebäudes mache es keinen Unterschied, ob diese durch einen Miteigentümer oder einen Bestandnehmer erfolgen solle. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Portalgestaltung sei bezüglich der schutzwürdigen Interessen des Hauseigentümers ein strenger Maßstab anzulegen. Einer solchen Bauführung sei dann nicht zuzustimmen, wenn dadurch das Haus verunziert werde. Hiebei sei auf den Ortsgebrauch Rücksicht zu nehmen. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, daß das Haus in der Fußgängerzone liege, deren Gestaltung auf ein harmonisches Straßenbild gerichtet sei und die eine Reihe denkmalgeschützter Bauwerke aufweise. Auch der Referent für Denkmalschutz habe bei der Bauverhandlung zum Ausdruck gebracht, daß die beabsichtigte Gestaltung des Portales und insbesondere die orangerote Farbe das historische Ensemble der Fußgängerzone in der N-Straße störe. Durch die beabsichtigte Bauführung würden daher sowohl das Haus selbst als auch die Umgebung in ihrem Aussehen beeinträchtigt und verunziert. Aus diesem Gründe müsse die Bauführung auch für die Hauseigentümer als nachteilig bezeichnet werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auch die Antragstellerin erkennt offenbar, daß die beabsichtigte Fassadenverkleidung und Umgestaltung des Portales des Hauses eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB darstellt, weil es sich hiebei um eine bauliche Veränderung handelt, die über den bloßen Erhaltungszweck hinausgeht (Klang[2] III, 1113; SZ 37/312; SZ 34/79; MietSlg. 21 060 u. v. a.). Demnach ist aber die im Revisionsrekurs vertretene Auffassung, es komme nur darauf an, ob die Antragstellerin als Mehrheitseigentümerin die geplante bauliche Umgestaltung als nachteilig empfindet oder nicht, unzutreffend. Handelt es sich nämlich um eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme, so muß grundsätzlich die Entscheidung darüber einhellig erfolgen. Stimmt die Minderheit dem Beschluß der Mehrheit nicht zu, hat nach § 835 ABGB der Richter zu entscheiden. Durch den Widerspruch auch nur eines Miteigentümers wird der Beschluß der Mehrheit in einem solchen Falle sistiert; die von der Mehrheit beschlossene Maßnahme darf dann nicht vorgenommen werden, solange der Außerstreitrichter nicht entschieden hat, daß sie mit oder ohne Sicherstellung vorgenommen werden darf (Jensik, Miteigentum - Wohnungseigentum, 27; MietSlg. 21 060 u. a.). Der Richter fällt die Entscheidung danach, ob die von der Mehrheit beschlossene Maßnahme offenbar vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und ist vom Standpunkt der Gesamtheit der Miteigentümer und nicht von jenem der Mehrheit aus zu beurteilen (MietSlg. 27 078, 25 048 u. a.). Dem Gesetz kann nun nicht entnommen werden, daß es bei der Prüfung der Frage der Nachteiligkeit einer beabsichtigten Maßnahme ausschließlich auf finanzielle Interessen ankommt. Vielmehr sind die gesamten Umstände des Falles zu berücksichtigen, sohin auch ein allfälliges immaterielles Interesse eines Miteigentümers an der Erhaltung des Aussehens seines Hauses. Mit Recht hat demnach das Rekursgericht diese Interessen des Miteigentümers, die von der Judikatur, wie das Rekursgericht ebenfalls richtig erkannt hat, im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter ausdrücklich anerkannt worden sind, in Betracht gezogen. Wenn daher der Revisionsrekurs ausschließlich auf die Frage des Mietzinses abstellt, übersieht er wesentliche, für die Entscheidung erhebliche Gesichtspunkte (abgesehen davon, daß der Antragsgegner auch die Angemessenheit des mit der D vereinbarten Mietzinses bestritten hat).

Geht man von dem festgestellten Sachverhalt aus, so muß den Bedenken des Antragsgegners gegen die beabsichtigte Fassadengestaltung Berechtigung zuerkannt werden. Daß diese Gestaltung einer harmonischen Erhaltung des Bildes der gesamten Umgebung widerspricht, ergibt sich aus der festgestellten Äußerung des Referenten für Denkmalschutz im Bauverfahren. Auch die vorgelegten Fotografien lassen eindeutig erkennen, daß es sich bei der N-Straße in WN um eine Straße handelt, die im allgemeinen ein eher konservatives, zum Teil bauhistorisch wertvolles Gesamtbild zeigt. Es sei zugegeben, daß die Häuser in dieser Straße zumindest zum Teil auch moderne Auslagen und Portale aufweisen. Entscheidend ist hier aber, daß die beabsichtigte Färbung der Fassade durch ihren grellen Farbton einen ganz besonderen Kontrast zum übrigen Bild der Straße darstellen würde. Von einer völligen Wertlosigkeit der Fassade des Hauses kann im Hinblick auf die Form des Portales keine Rede sein. Es mag sein, daß dieses Portal kein Spitzenwerk einer bestimmten Epoche darstellt, doch betont es durch seine Form gerade jenen konservativen Charakter, der dem Gesamtbild der Straße entspricht. Wie sich aus den im Bauakt erliegenden Plänen ergibt, würde die typische Rundbogenform des Portales durch die Verkleidung völlig verschwinden. Gerade diese Form macht aber die Besonderheit der Fassade aus. Richtig hat daher das Rekursgericht erkannt, daß die geplante Fassadengestaltung im krassen Widerspruch zur gesamten Umgebung stehen würde. Insbesondere in der heutigen Zeit, die sich allmählich ihrer Verpflichtung zur Erhaltung des charakteristischen Baubestandes früherer Epochen bewußt wird und in der der Gedanke des Ensembleschutzes immer klarer in den Vordergrund tritt (Umweltbewußtsein), kann der Wille eines Hauseigentümers, den in eine historische Umgebung eher passenden äußeren Zustand eines Hauses zu erhalten, nicht unbeachtet bleiben. Ihm muß vielmehr ein berechtigtes Interesse in dieser Richtung zugebilligt werden. Der Hinweis der Antragstellerin auf die Entfernbarkeit der geplanten Fassade schlägt demgegenüber nicht durch. Abgesehen davon, daß auch bei bloßer Entfernung einer nur oberflächlich angebrachten Fassadenverkleidung keinesfalls der frühere Zustand wiederhergestellt wäre, weil das Entfernen Spuren hinterläßt, die wahrscheinlich einen Gesamtverputz notwendig machen, könnte die Antragstellerin im Hinblick auf den von ihr abgeschlossenen Mietvertrag eine solche Wiederherstellung des früheren Zustandes bis zur Beendigung des Mietverhältnisses nicht verlangen. Selbst wenn sich daher der Ensembleschutzgedanke so weit durchsetzen sollte, daß eine von der Umgebung grob abweichende und ins Auge springende moderne Verkleidung gegenüber einer konservativen Fassade eine Wertminderung bedeuten würde, könnte im Hinblick auf die bestehenden Mietrechte eine dann allenfalls werterhöhende Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht durchgesetzt werden.

Mit Recht war daher infolge des berechtigten Interesses des Antragsgegners an einer Erhaltung der Fassade die Zustimmung zu der beabsichtigten Neugestaltung zu versagen.

Sollte sich die Antragstellerin, wie im Revisionsrekurs angedeutet, darauf berufen, daß auch der Antragsgegner den Mietvertrag abgeschlossen hat, was vom Antragsteller bestritten wird, weshalb er verpflichtet wäre, der beabsichtigten Bauführung zuzustimmen, würde sie hiemit geltend machen, daß hiedurch zwischen den Streitteilen eine vertragliche Regelung bewirkt worden sei, die den Antragsgegner zu einer Zustimmung verpflichten würde. Das Außerstreitverfahren ist aber unzulässig, wenn die rechtlichen Beziehungen zwischen den Miteigentümern durch Vereinbarung geregelt sind und die aus ihr entspringenden Leistungen in Anspruch genommen werden (Klang[2] III, 1116; MietSlg. 25 038, 24 054 u. a.). Über die Frage, ob eine rechtswirksame Vereinbarung zwischen den Miteigentümern besteht, kann ebenfalls nur im Streitverfahren entschieden werden (MietSlg. 24 056, 24 055 u. a.). Demnach könnte die Antragstellerin eine derartige schlüssig übernommene vertragliche Verpflichtung des Antragsgegners nur im Rechtsweg geltend machen.

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