OGH 12Os97/17g

OGH12Os97/17g21.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Silvia K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Februar 2016, GZ 61 Hv 161/15i‑59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter, LL.M., der Verurteilten Ahmet K***** und seines Verteidigers Dr. Januschke

 

I./ zu Recht erkannt:

 

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Februar 2016, GZ 61 Hv 161/15i-59, verletzt im Schuldspruch I./A./ hinsichtlich Ahmet K***** § 28a Abs 2 Z 1 SMG iVm § 1 Abs 4 TilgG und in dem diesen Verurteilten betreffenden Strafausspruch § 1 Abs 4 TilgG und § 33 Abs 1 Z 2 StGB sowie in den Silvia K***** und Ahmet K***** betreffenden Verfallsaussprüchen § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch I./A./ hinsichtlich Ahmet K***** in der rechtlichen Unterstellung der Tat auch unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG ersatzlos und in dem diesen Verurteilten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie in den Silvia K***** und Ahmet K***** betreffenden Verfallsaussprüchen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung des Ahmet K***** betreffenden Strafausspruchs in der Sache selbst erkannt:

Für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG wird Ahmet K***** unter Anwendung des § 28 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird aus dem Ersturteil übernommen.

Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien verwiesen.

 

II./ den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00097.17G.0921.000

 

Spruch:

 

Ahmet K***** wird der noch nicht verbüßte Rest der Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und sieben Tagen unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen.

 

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Februar 2016, GZ 61 Hv 161/15i-59, wurden – soweit hier von Relevanz –

Silvia K***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./A./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (II./) sowie

Ahmet K***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG (I./A./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (II./) schuldig erkannt.

Danach haben Silvia K***** und Ahmet K***** in W***** vorschriftswidrig Suchtgift

I./A./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt rund 40 kg Marihuana mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 5,54 % THCA und 0,42 % Delta-9-THC im Zeitraum Sommer 2011 bis August 2015 in zahlreichen Angriffen durch gewinnbringenden Verkauf 134 im Spruch namentlich genannten Abnehmern überlassen, wobei „Ahmet K***** die Straftat gewerbsmäßig beging und bereits einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, nämlich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. 3. 1998, rechtskräftig seit 11. 5. 1998, wegen § 28 Abs 1 SMG und § 28 Abs 2 und 3 SMG aF“,

II./ kurz vor dem bis zum 28. August 2015 erworben und besessen, und zwar 194,2 Gramm Marihuana mit einem Reinheitsgehalt von insgesamt 16,28 Gramm netto THCA und 1,25 Gramm netto Delta-9-THC.

Silvia K***** wurde hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und acht Monaten, Ahmet K***** zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Ferner wurden – soweit hier relevant – gemäß § 20 Abs 1 StGB „hinsichtlich Silvia und Ahmet K***** die sichergestellten, durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswerte, nämlich 14.485,40 Euro“, und gemäß § 20 Abs 3 StGB „darüber hinaus Vermögenswerte, die den durch die mit Strafe bedrohte Handlung erlangten Vermögenswerten entsprechen, nämlich hinsichtlich Ahmet K***** und Silvia K***** zur ungeteilten Hand insgesamt 380.000 Euro […] für verfallen erklärt“.

Zu den – hier interessierenden – Voraussetzungen des § 28a Abs 2 Z 1 SMG traf das Schöffengericht hinsichtlich Ahmet K***** folgende Feststellungen:

Ahmet K***** weist insgesamt zwei Vorstrafen auf: Zunächst wurde er am 11. April 1997 wegen „§§ 127 Abs 1, 83 Abs 1 StGB“ zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, die am 28. Oktober 2005 endgültig nachgesehen wurde (US 12). Am 12. März 1998 folgte eine Verurteilung wegen § 28 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 SMG aF zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren, die bis zum 21. Dezember 2000 vollzogen wurde (US 12 f). Der letztgenannten Verurteilung lag zu Grunde, dass Ahmet K***** insgesamt 74,069 kg Haschisch mit einem Reinheitsgehalt von 0,44 % THC, somit 320 Gramm Reinsubstanz THC, mit dem Vorsatz, dieses in Verkehr zu setzen, erworben und besessen sowie weitere 23,634 kg Haschisch mit einem Reinheitsgehalt von 1,4 % THC, also 330 Gramm THC Reinsubstanz, einem verdeckten Fahnder zu verkaufen versucht hatte (US 13). Ahmet K***** „wusste auch um seine Vorstrafe Bescheid und fand sich damit ab“ (US 15 f). Es kam ihm darauf an, sich selbst durch die laufende und wiederholte Überlassung von Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge ein beträchtliches, fortlaufendes, bei einer jährlichen „Gesamtbetrachtung“ den Betrag von 400 Euro pro Monat jedenfalls übersteigendes Einkommen zu verschaffen (US 16).

Im Rahmen der Strafzumessung erwogen die Tatrichter hinsichtlich Ahmet K*****, dass „seine Vorstrafe“ zwar bereits länger zurückliegt, er sich aber nicht einmal durch die Verbüßung einer dreijährigen Haftstrafe von der weiteren Tatbegehung im Zusammenhang mit Suchtgiften abhalten ließ (US 20), und werteten als erschwerend ua „eine einschlägige Vorstrafe“ sowie „das doppelte Vorliegen einer Qualifikation des § 28a SMG“ (US 21).

In der vom Erstgericht herangezogenen, einverständlich vorgetragenen (vgl ON 58 S 64) Strafregisterauskunft des Ahmet K***** vom 9. Dezember 2015 (ON 50) scheinen zwei Verurteilungen auf, und zwar

1./ eine Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. April 1997, rechtskräftig seit 15. April 1997, wegen §§ 83 Abs 1, 107 Abs 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen, am 28. Oktober 2005 endgültig nachgesehenen und (folglich [vgl § 43 Abs 2 zweiter Satz StGB]) mit 15. April 1997 vollzogenen Freiheitsstrafe von drei Monaten, und

2./ eine Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. März 1998, rechtskräftig seit 11. Mai 1998, wegen § 28 Abs 1 SMG, §§ 15 Abs 1 StGB, 28 Abs 2 und Abs 3 SMG zu einer mit 21. Dezember 2000 vollzogenen Freiheitsstrafe von drei Jahren.

In der Strafregisterauskunft findet sich der Hinweis, dass nach dem derzeitigen Stand der Strafregistereintragungen die Tilgung voraussichtlich mit 21. Dezember 2015 eintreten wird (ON 50 S 1).

Folglich scheinen in der vom Oberlandesgericht Wien in einem Beschwerdeverfahren eingeholten (unjournalisierten) Strafregisterauskunft vom 7. Juni 2017 die beiden Verurteilungen aus den Jahren 1997 und 1998 nicht mehr auf.

Zum Verfallsausspruch hielt das Erstgericht in seinen Entscheidungsgründen fest, dass Silvia und Ahmet K***** durch den regelmäßigen Verkauf von insgesamt 40 kg Marihuana zum Grammpreis von 10 Euro Umsätze in der Höhe von rund 400.000 Euro erzielten (US 14 zweiter Absatz, US 15 erster Absatz) und bei ihnen ein zur Gänze aus dem Verkauf von Suchtgift stammender Betrag von 14.485,40 Euro sichergestellt wurde (US 16 dritter Absatz).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Februar 2016, GZ 61 Hv 161/15i-59, hinsichtlich Ahmet K***** im Schuldspruch I./A./ in der Annahme (auch) der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG sowie hinsichtlich Silvia und Ahmet K***** in dem sie betreffenden Verfallsausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1./ Zum Schuldspruch I./A./ hinsichtlich Ahmet K*****:

Die Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG setzt ua voraus, dass der Täter schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist. Die frühere Verurteilung muss inhaltlich dem § 28a Abs 1 SMG idgF entsprechen; eine Vorverurteilung nach altem Recht (vor der SMG-Novelle 2007) ist daher dahingehend zu prüfen, ob eine die Grenzmenge übersteigende tatgegenständliche Suchtgiftmenge festgestellt wurde (Schwaighofer in WK² SMG § 28a Rz 31).

Die vom Schöffengericht als qualifikationsbegründend herangezogene Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. März 1998 wegen § 28 Abs 1, 2 und 3 SMG aF ist allerdings gemeinsam (vgl § 4 Abs 1 TilgG) mit der (als erschwerend gewerteten [vgl US 21]) Verurteilung vom 11. April 1997 seit 21. Dezember 2015 getilgt. Denn die unter Zugrundelegung der Summe der in den beiden Verurteilungen verhängten Strafen von drei Jahren und drei Monaten zu bestimmende Tilgungsfrist (vgl § 4 Abs 2 TilgG) von 15 Jahren (§ 3 Abs 1 Z 4 TilgG) begann mit dem Vollzug (vgl § 2 Abs 1 TilgG) der Verurteilung vom 12. März 1998, somit am 21. Dezember 2000, zu laufen (vgl Kert, WK-StPO TilgG § 4 Rz 12 ff) und endete demnach am 21. Dezember 2015, womit ex lege die Tilgung der Verurteilungen eintrat (§ 1 Abs 1 TilgG).

Ist eine Verurteilung getilgt, so gilt der Verurteilte gemäß § 1 Abs 4 TilgG fortan als gerichtlich unbescholten, soweit dem nicht eine andere noch ungetilgte Verurteilung entgegensteht.

§ 1 Abs 4 TilgG stellt ein Beweisverbot dar (Kert, WK-StPO TilgG § 1 Rz 27 f). Es ist daher nicht zulässig, getilgte Verurteilungen zum Gegenstand einer Beweiserhebung zu machen. Eine getilgte Verurteilung darf demnach auch dann nicht mehr zum Nachteil des Verurteilten gewertet werden, wenn sie auf andere Weise als durch eine aktuelle Strafregisterauskunft bekannt wird, etwa aufgrund einer sich im Akt befindlichen älteren Strafregisterauskunft oder sonstiger, auf die getilgten Vorstrafen bezugnehmender Aktenstücke(vgl Kert, WK-StPO TilgG § 1 Rz 27, 29).

Tritt die Tilgung – wie hier – zwar nach Begehung einer neuerlichen Straftat, aber vor deren rechtskräftiger Aburteilung ein, so ist die wiedergewonnene Unbescholtenheit des Täters zufolge § 1 Abs 4 TilgG in jeder Lage des Verfahrens über die neue Tat zu beachten. Aus der getilgten Verurteilung dürfen keine dem Täter nachteiligen rechtlichen Konsequenzen mehr abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0106650; Kert, WK-StPO TilgG § 1 Rz 33).

Zwar stellt § 28a Abs 2 Z 1 SMG – ähnlich wie § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB (vgl Jerabek/Ropper in WK² StGB § 70 Rz 13/10) – auf das Vorliegen einer Vorverurteilung im Tatzeitpunkt ab, einer Feststellung des Vorliegens dieser Voraussetzung steht im Fall einer – wiehier – zwischen Tatbegehung und Urteilsfällung eingetretenen Tilgung jedoch das prozessuale Hindernis des in § 1 Abs 4 TilgG normierten Beweisverbots entgegen (vgl [zu § 41 FinStrG] Lässig in WK² FinStrG § 41 Rz 3; [zu § 39 StGB und § 198 Abs 2 erster Fall StGB] Kert, WK-StPO TilgG § 1 Rz 31, RIS-Justiz RS0106661, RS0091390).

Demnach hätten sich die Tatrichter mit der Frage einer zum Urteilszeitpunkt bereits eingetretenen – durch die in der verwerteten Strafregisterauskunft enthaltenen Angaben indizierten – Tilgung der Vorstrafen auseinanderzusetzen gehabt und hätten keine Feststellungen zu der als qualifikationsbegründend im Sinn des § 28a Abs 2 Z 1 SMG herangezogenen Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen vom 12. März 1998 und der (bei der Strafbemessung berücksichtigten) Verurteilung vom 11. April 1997 treffen dürfen.

Insofern verletzt der Schuldspruch I./A./ hinsichtlich Ahmet K***** in der rechtlichen Unterstellung der erfassten Tat auch unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG diese Bestimmung in Verbindung mit § 1 Abs 4 TilgG.

Da auch angesichts der Strafzumessungs‑ erwägungen des Schöffengerichts (US 21 f) eine Benachteiligung des Ahmet K***** durch die gesetzwidrige Berücksichtigung der bereits getilgten, als qualifikationsbegründend herangezogenen Verurteilung aus dem Jahr 1998 nicht ausgeschlossen werden kann, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO) und den Schuldspruch I./A./ hinsichtlich Ahmet K***** in der rechtlichen Unterstellung der Tat (auch) unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG (ersatzlos) und demzufolge auch den diesen Verurteilten betreffenden – im Übrigen (aufgrund der erschwerenden Wertung einer bereits getilgten Vorstrafe) § 1 Abs 4 TilgG und § 33 Abs 1 Z 2 StGB verletzenden – Strafausspruch aufzuheben.

2./ Zum Silvia K***** und Ahmet K***** betreffenden Verfallsausspruch:

§ 20 Abs 1 StGB regelt den Verfall von Vermögenswerten beim Täter: Danach hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Soweit die dem Verfall nach Abs 1 leg cit unterliegenden Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind, hat das Gericht gemäß Abs 3 leg cit einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den erlangten Vermögenswerten entspricht.

Dem Verfall unterliegende Vermögenswerte (§ 20 Abs 1 StGB) sowie der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) dürfen nur dem tatsächlichen Empfänger mittels Verfall abgenommen werden. Sind daher Vermögenswerte mehreren Personen – wie hier mehreren an der Tat Beteiligten – zugekommen, so ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären. Der Ausspruch einer Solidar- oder Kumulativhaftung ist gesetzlich nicht vorgesehen (RIS-Justiz RS0129964; Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20 Rz 34).

Die Entscheidung des Schöffengerichts, mit der eine Kumulativ- sowie Solidarhaftung von Silvia K***** und Ahmet K***** für den Verfall der durch die (im einverständlichen Zusammenwirken als Mittäter begangenen) Straftaten lukrierten Vermögenswerte ausgesprochen wurde, verletzt daher das Gesetz in § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB.

Da eine für die Verurteilten nachteilige Wirkung dieser Gesetzesverletzung nicht ausgeschlossen werden kann, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, auch deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

Bei der hinsichtlich Ahmet K***** erforderlichen Strafneubemessung wurde als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, der lange Tatzeitraum und die Faktenvielzahl, als mildernd hingegen das Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel sowie die Sicherstellung eines Teils des Suchtgifts gewertet. Eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten wird dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, aber auch spezial- und generalpräventiven Erwägungen gerecht.

Angesichts der das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge weit überschreitenden, an eine Vielzahl von Abnehmern über einen mehrjährigen Tatzeitraum überlassenen Suchtgiftquanten kam eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht der verhängten Strafe sowohl aus spezial‑ als auch aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Die Vorhaftanrechnung war aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Da Ahmet K***** bereits über zwei Drittel der nunmehr verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hat, war der noch nicht verbüßte Rest der Freiheitsstrafe von sieben Monaten und sieben Tagen unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachzusehen (§ 265 StPO).

Über die allfällige Anordnung von Bewährungshilfe und die Erteilung von Weisungen wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

In dem infolge Aufhebung der Verfallsaussprüche notwendigen neuen Verfahren hat der Einzelrichter die Entscheidung über den Verfall zu treffen (§ 445 Abs 2 StPO; zur Delegierungsbefugnis an den Einzelrichter vgl RIS‑Justiz RS0100271 [T13]).

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