OGH 15Os86/17m

OGH15Os86/17m19.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Ahmad A***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 21. Februar 2017, GZ 41 Hv 70/16z‑132, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00086.17M.0919.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ahmad A***** der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (1.) und der kriminellen Organisation nach § 278a [zweiter Fall] StGB (2.) schuldig erkannt.

Danach hat er „ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis zumindest Ende Jänner/Anfang Februar 2015 in A***** und anderenorts

1. sich dadurch, dass er sich der in die UN‑Sanktionsliste terroristischer Vereinigungen aufgenommenen Terrorgruppe „Islamischer Staat“ als Kämpfer angeschlossen hat, von dieser bewaffnet und ausgerüstet worden ist und zumindest eine Funktion als Wachsoldat versehen hat, wissentlich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung beteiligt und

2. sich durch die unter 1. beschriebene Tat an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen wissentlich als Mitglied beteiligt (§ 278 Abs 3 StGB), die auf die wiederkehrende und geplante Begehung strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und das Vermögen bedrohen, schwerwiegende strafbare Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen und des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln ausgerichtet ist, und dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt sowie andere einzuschüchtern und sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

 

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der in der Hauptverhandlung am 17. Oktober 2016 gestellte – erkennbar die Beweiskraft der selbstbelastenden Angaben des Angeklagten in Abrede stellende – Antrag auf Einholung eines „psychiatrischen/psychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte im Zeitraum seiner ersten Vernehmungen im September und Oktober nicht vernehmungsfähig war“ (ON 114 S 39), zu Recht abgewiesen. Der Antrag zielte auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab, gab er doch nicht an, aus welchen Gründen zu erwarten sei, dass die Durchführung des begehrten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben sollte (RIS‑Justiz RS0099453). Betreffend das Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde, es wäre „aufgrund der gegebenen Sprachbarrieren ... dem Verfahrenshelfer nicht möglich [gewesen], genauere Merkmale der Vernehmungsunfähigkeit vorzubringen“, wird nicht klar, weshalb Übersetzungshilfe nicht in Anspruch genommen werden konnte (vgl §§ 49 Z 12, 56 Abs 1 und Abs 2 StPO).

Weiters bezieht sich die Verfahrensrüge (Z 4) auf den in der Hauptverhandlung am 17. Oktober 2016 gestellten Antrag auf Ladung und Vernehmung des Zeugen Adnan E***** zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte im Zeitraum, wo ihm eine Mitgliedschaft vorgeworfen wird, in der Türkei in einem aufrechten Arbeitsverhältnis gestanden ist“ (ON 114 S 39). Auch dieser Beweisantrag lief auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus, legte er doch nicht dar, weshalb der bereits im Rechtshilfeweg in der Türkei vernommene Zeuge, der damals angegeben hatte, der Angeklagte hätte lediglich für zwei bis drei Wochen in seinem Restaurant gearbeitet, nunmehr eine davon abweichende Aussage machen sollte (ON 35, 67, 69; RIS‑Justiz RS0118444, RS0099189). Das den Beweisantrag ergänzende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099117, RS0099618).

Außerdem beantragte der Angeklagte in der Hauptverhandlung am 21. Februar 2017 die Ladung und Vernehmung von vier in Deutschland wohnhaften Zeugen zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „nicht nur für zwei Wochen in dem Lokal in Istanbul gearbeitet hat, sondern einige Jahre, sodass auch der Zeitraum betroffen ist, wo ihm eine Beteiligung an einer terroristischen Gruppierung zur Last gelegt wird“; diese Personen hätten ihn mehrmals in der Türkei besucht, eine davon wäre sein Bruder (ON 131 S 17). Auch diese Beweisanträge verfielen – auf Erkundungsbeweisführung abzielend – zu Recht der Abweisung. Die Eignung der Vernehmung der Zeugen, eine lückenlose Anwesenheit des Angeklagten in Istanbul zu belegen, wodurch die inkriminierte Aktivität im gesamten fraglichen Tatzeitraum ausgeschlossen werden könnte, ist weder offensichtlich noch wurde sie im Antrag tauglich begründet (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO; vgl auch RIS‑Justiz RS0118444 [T9]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 

390a Abs 1

StPO.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO wird betreffend 2. des Schuldspruchs angemerkt, dass entgegen der – vereinzelt gebliebenen – Entscheidung zu 14 Os 160/09z (EvBl 2010/83, 563 = RIS‑Justiz RS0092073 [T3]; so auch Schwaighofer in SbgK § 64 Rz 131, Salimi in WK 2 StGB Vor §§ 62–67 Rz 17 und § 64 Rz 131) die inländische Gerichtsbarkeit bei Idealkonkurrenz nicht für jeden Tatbestand gesondert zu prüfen ist. Demnach liegt fallaktuell Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO (vgl RIS‑Justiz RS0099947, RS0092267 [T1]) nicht vor.

§ 64 Abs 1 StGB normiert, dass die österreichischen Strafgesetze unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts für im Ausland begangene Taten gelten, die eine der in Z 1 bis 11 aufgezählten strafbaren Handlungen verwirklichen oder/und bei denen zudem bestimmte dort genannte Voraussetzungen gegeben sind. Daraus folgt, dass dann, wenn für eine Auslandstat diese Bedingung erfüllt ist, die österreichischen Strafgesetze uneingeschränkt Geltung haben. Daher ist bei echter Idealkonkurrenz zusätzlich zu jener Subsumtionsbestimmung, die die Voraussetzungen des § 64 StGB erfüllt, eine weitere unabhängig davon anwendbar, ob sie selbst diesen Kriterien entspricht.

Für dieses Ergebnis spricht auch § 64 Abs 2 StGB, wonach die österreichischen Strafgesetze für eine Auslandstat selbst dann gelten, wenn ein Schuldspruch wegen einer strafbaren Handlung im Sinn der Z 1 bis 11 des § 64 Abs 1 StGB infolge deren Verdrängung nach den Regeln der Scheinkonkurrenz gar nicht erfolgen kann. Die Annahme der Unzulässigkeit der Anwendung aller österreichischen Strafgesetze im Fall echter Idealkonkurrenz stünde dazu in deutlichem Wertungswiderspruch.

Daraus, dass § 67 Abs 2 StGB bei der Definition des Orts der Tat ua auf den tatbildmäßigen Erfolg abstellt und damit an die rechtliche Kategorie der mit Strafe bedrohten Handlung anknüpft, ist – entgegen 14 Os 160/09z – schon insoweit nichts zu gewinnen, als § 64 Abs 1 StGB seinem klaren Wortlaut nach die Geltung der österreichischen Strafgesetze für bestimmte Taten (vgl 13 Os 162/86, SSt 57/96 = EvBl 1987/113, 407 = RIS‑Justiz RS0092169) gerade nicht einschränkt.

Der Angeklagte ist syrischer Staatsangehöriger, der zur Zeit der Einleitung des gegenständlichen Ermittlungsverfahrens in Österreich seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, womit zu 1. des Schuldspruchs gemäß § 64 Abs 1 Z 9 lit b StGB inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist (RIS‑Justiz RS0131431; US 7).

Dass zu 2. des Schuldspruchs Feststellungen zu einem inländischen Handlungsort im Sinn der §§ 62, 67 Abs 2 StGB nicht getroffen wurden, der Schuldspruch vielmehr nur im Ausland gesetztes Verhalten erfasst (US 4 f), und sich auch zu den Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Z 4 StGB keine Konstatierungen finden, schadet demnach nicht.

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