OGH 1Ob125/17i

OGH1Ob125/17i30.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Müller und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, Linz, Landhausplatz 1, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 44.285,02 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. Mai 2017, GZ 4 R 19/17t‑10, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 1. Dezember 2016, GZ 31 Cg 13/16x‑6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00125.17I.0830.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

Amtshaftungsansprüche setzen ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten voraus (§ 1 Abs 1 AHG; 1 Ob 47/14i = SZ 2014/44; zur Unterlassung RIS‑Justiz RS0081378 [T12]; vgl auch RS0049955 [T15]). Für die Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen kommt es im Amtshaftungsverfahren nicht – wie in einem Rechtsmittelverfahren – darauf an, ob die in Betracht kommende Entscheidung oder das zu beurteilende Organverhalten richtig war, sondern ob die Entscheidung bzw das Verhalten auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruhte (RIS‑Justiz RS0049951 [T4]; RS0049955 [T6, T7]; RS0050216 [T2]); dies gilt auch für das Verhalten, mit der Fällung einer Entscheidung noch zuzuwarten, also für die Unterlassung einer Entscheidung.

Auch wenn zutrifft, dass die in § 73 AVG vorgesehene Frist von sechs Monaten eine Höchstfrist ist und schon in der Verzögerung der ehestmöglich zu treffenden Entscheidung ohne triftige Gründe innerhalb dieser Frist Verschulden und damit amtshaftungsbegründendes Unterlassen des Organs gelegen sein kann (RIS‑Justiz RS0049704), ist die Frage, ob im konkreten Fall die (objektive) Säumigkeit auf triftigen Gründen beruhte oder nicht, eine solche des Einzelfalls, die im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (vgl zur Frage, was als unnötiger Aufschub zu beurteilen ist: VwGH 85/07/0109 unter Hinweis auf 2313/63). Bei der zur Beurteilung der Vertretbarkeit des Zuwartens notwendigen Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien – hier dem Oö Krankenanstaltengesetz 1997 – kommt dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zu (RIS‑Justiz RS0116438).

Die Vorinstanzen lehnten den von der Klägerin begehrten Anspruch auf Ersatz nach dem AHG wegen der Unterlassung einer Entscheidung binnen der Frist des § 73 Abs 1 AVG übereinstimmend ab. Ganz grundsätzlich hob das Berufungsgericht hervor, es ergebe sich, wenn der Verwaltungsgerichtshof mit Aufforderung vom 22. 7. 2013 im Säumnisbeschwerdeverfahren nach Art 132 B‑VG (in der damals anzuwendenden Fassung BGBl 1988/685) gemäß § 36 Abs 2 VwGG (in der damals anzuwendenden Fassung BGBl I 2013/33) aufzutragen gehabt habe, entweder innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, schon aus dem Gesetz selbst, dass nicht jede Überschreitung der Entscheidungsfrist des § 73 AVG rechtswidrig, unvertretbar und daher amtshaftungsbegründend sein müsse.

Nach damaliger Gesetzeslage konnte diese vom Berufungsgericht genannte Frist von drei Monaten (nur) einmal und zwar dann verlängert werden, wenn die belangte Behörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermochte, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich machten (§ 36 Abs 2 VwGG aF).

Das beklagte Land hatte vorgebracht, dass eine Abstimmung hinsichtlich der Standortfrage zwischen den Ländern und der Sozialversicherung abzuwarten gewesen sei, weil diese Planungen im Rahmen des österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) die verbindliche Grundlage bildeten. Es hatte außerdem (insoweit unstrittig) dargelegt, dass die Behörde gemäß § 36 Abs 2 VwGG einen Antrag an den VwGH auf Fristerstreckung gestellt habe, woraufhin (ebenfalls unstrittig) dieser mit Beschluss vom 14. 10. 2013 die Frist zur Erlassung des nach der Frist des § 73 Abs 1 AVG von sechs Monaten versäumten Bescheids gemäß § 36 Abs 2 VwGG bis 30. 7. 2014 mit der Begründung, die Behörde habe in der Sache gelegene Gründe dargelegt, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheids unmöglich gemacht und eine Verlängerung der gesetzten Frist nach der zitierten Gesetzesstelle gerechtfertigt hätten, verlängert habe.

Wenn die Vorinstanzen das Zuwarten auf diese bei Fristende noch immer nicht vorhandene Entscheidungsgrundlage als vertretbar ansahen und ausführten, es sei die Entscheidungskompetenz nach diesem Zeitpunkt auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit übergegangen, dieser werde aber von der Klägerin ausdrücklich (und auch noch in der Berufung) kein amtshaftungsbegründendes Organhandeln vorgeworfen, vermag die Revisionswerberin, mit ihrer Darstellung, es dürfe die Behörde von den Ergebnissen der Planungen des Österreichischen Strukturplanes Gesundheit nicht abweichen, es seien aber allfällige Ergebnisse nach dem Gesetzeswortlaut des § 5 Abs 5 Oö KAG 1997 (in der damals anzuwendenden Fassung LGBl 2011/70) bloß zu berücksichtigen, also darauf Bedacht zu nehmen, nicht aber abzuwarten, in ihrem Rechtsmittel keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlerhaftigkeit der Entscheidungen über die Vertretbarkeit des Verhaltens aufzuzeigen, insbesondere wenn Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Notwendigkeit des Vorliegens solcher Entscheidungsgrundlagen und zur Vorgehensweise im Vorabfeststellungsverfahren bei mehreren Projektwerbern fehlte. Auch die Revisionswerberin führte in ihrem Rechtsmittel nur eine einzige Entscheidung (VwGH 25. 7. 2007, 2005/11/0150) an, und zwar allein zum Beleg dafür, dass auch bei Übereinstimmung des Projekts mit der Krankenanstaltenplanung (damals: mit dem Großgeräteplan) nicht auf eine Bedarfsprüfung verzichtet werden dürfe. Sie vermochte aber nicht eine Entscheidung zu den hier maßgeblichen Bestimmungen (oder auch nur zu vergleichbaren Regelungen anderer Bundesländer) aufzuzeigen (vgl zum Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und der deswegen erfolgten Zulassung der ordentlichen Revision zur Frage der rechtlichen Qualität und Verbindlichkeit der Planungsdokumente ÖSG, RSG [Regionaler Strukturplan Gesundheit] sowie RP [Rehabilitationsplan] und dazu, wie die Vorabfeststellung der wesentlichen Verbesserung des Versorgungsangebots im Bedarfsprüfungsfall betreffend selbständige Ambulatorien zu erfolgen habe, wenn ein in § 12a Abs 3 Sbg KAG angeführter aktueller Regionaler Strukturplan Gesundheit [RSG] nicht vorliege, die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 23. 5. 2017, 405‑8/6/1/47‑2017). Das zu § 10a Abs 1 SKAG (betreffend bettenführender Krankenanstalten) – und damit zu einer nicht für das hier betroffene Bundesland geltenden Regelung –ergangene Erkenntnis des VwGH, Ro 2014/11/0056, datiert vom 11. 10. 2016, also zeitlich (weit) nach dem von der Klägerin als pflichtgemäß herangezogenen Stichtag.

Schon die Beurteilung des Zuwartens mit der Entscheidung als vertretbar trägt die Abweisung des Klagebegehrens. Damit kommt es darauf, dass sich das Berufungsgericht – wie schon das Erstgericht (weshalb auch keine Überraschungsentscheidung vorliegt) – in seiner Entscheidung auch darauf stützte, dass aus der Entscheidung eines Höchstgerichts (hier des Verwaltungsgerichtshofs) keine Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden können, nicht mehr an und demnach auch nicht auf die von der Revisionswerberin aufgeworfene und als von erheblicher Bedeutung angesehene Fragestellung des Fehlens von „Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Anwendung des § 2 Abs 3 AHG in Säumnisfällen im Zusammenhang mit dem verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren“. Ebensowenig muss darauf eingegangen werden, dass ein Rechtsmittelwerber im Revisionsverfahren die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht mehr erfolgreich in Frage stellen kann, wenn er sie in dieser Hinsicht – so wie hier die Klägerin, und zwar obwohl das Erstgericht ausdrücklich seine Entscheidung auch damit begründet hatte, dass schuldhafte Säumnis im Sinne des AHG schon deshalb ausgeschlossen sei, weil der Verwaltungsgerichtshof die Frist erstreckt habe und aus Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs keine Amtshaftungansprüche abgeleitet werden könnten – in der Berufung nicht bekämpfte (vgl RIS‑Justiz RS0043338 [T11]).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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