OGH 1Ob138/17a

OGH1Ob138/17a30.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* P*, vertreten durch Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M* W*, vertreten durch die Mag. Brunner Mag. Stummvoll Rechtsanwälte OG, Graz, wegen 77.011,68 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 31. Mai 2017, GZ 1 R 260/16a‑35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Judenburg vom 21. September 2016, GZ 2 C 246/15a‑30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E119345

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die beklagte Verkäuferin verpflichtete sich im Kaufvertrag über eine Liegenschaft gegenüber dem klagenden Käufer zur Aufschließung des Grundstücks insbesondere mit Strom, sodass dieser darauf ein Unternehmen für Kfz‑Handel und Kfz‑Reparaturen betreiben kann. Im Kaufvertrag ist nicht von der Verlegung einer 100 kW‑Leitung die Rede. Nach dem disloziert in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts enthaltenen Sachverhalt trafen die Parteien nach Abschluss des Kaufvertrags eine solche Vereinbarung und die Beklagte sagte dem Kläger dezidiert zu, dass er eine 100‑kW‑Leitung bekommen werde. Der Verpflichtung zur Verlegung des 100‑kW‑Starkstromkabels kam sie – mit Ausnahme der Montage und des Anschlusses an die Sicherungsleiste im Transformator (diese Kosten wurden dem Kläger rechtskräftig zugesprochen) – verspätet, jedoch noch vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz nach.

Mit seiner Verfahrensrüge zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf: Die Zuordnung einzelner Teile eines Urteils zu den Feststellungen hängt nicht vom Aufbau des Urteils ab. Denn auch in der rechtlichen Beurteilung enthaltene, aber eindeutig dem Tatsachenbereich zuzuordnende Ausführungen sind als Tatsachenfeststellungen zu behandeln (RIS‑Justiz RS0043110 [T1, T2]). Wäre der Kläger mit der zitierten „dislozierten Feststellung“ im Rahmen der Rechtsausführungen des Erstgerichts nicht einverstanden, hätte er in der Berufung eine (gesetzmäßige) Beweisrüge erheben müssen, was er nicht tat.

2. In § 933a ABGB ist die Konkurrenz von Gewährleistungs‑ und Schadenersatzansprüchen ausdrücklich vorgesehen. Als sekundären Rechtsbehelf – also bei Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit bzw bei Verweigerung oder Verzögerung der Verbesserung oder des Austauschs, oder aber bei erheblichen Unannehmlichkeiten oder Unzumutbarkeiten für den Übernehmer – kann der Gewährleistungsberechtigte grundsätzlich Geldersatz in Form des Erfüllungsinteresses verlangen (8 Ob 9/17g mwN = RIS‑Justiz RS0126731 [T2]). Danach ist er so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gilt dies jedenfalls dann, wenn der Mangel behebbar ist (RIS‑Justiz RS0126732). Das Erfüllungsinteresse besteht zunächst in den Kosten der Mängelbeseitigung. Als Geldersatz für den Mangelschaden gebühren daher – nach Wahl des Gewährleistungs-berechtigten – insbesondere die Verbesserungskosten, die Austauschkosten oder die Ersatzvornahmekosten (8 Ob 9/17g mwN = RIS‑Justiz RS0131269).

Der Kläger macht einen Schadenersatzanspruch geltend, hält am Kaufvertrag fest und begehrt – im Revisionsverfahren – nur noch den Ersatz des Deckungskapitals für die Mängelbehebung. Gemäß § 406 ZPO ist Entscheidungsgegenstand der Bestand oder Nichtbestand des Anspruchs im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (RIS‑Justiz RS0041116 [T1]). Nach den getroffenen Feststellungen war zu diesem Zeitpunkt die vertraglich zugesagte Aufschließung der Liegenschaft mit Starkstrom gegeben. Die Beklagte ließ das vom Kläger begehrte 100‑kW‑Kabel in die bereits errichtete Leerverrohrung von der in der Nähe stehenden Trafostation bis zur Grundgrenze des klägerischen Grundstücks mit einer Überlänge von ca 15 m einziehen. Damit hat sie insofern– wenn auch verspätet – die Mängelbehebung durchgeführt. Der Kläger hatte Anspruch auf das Deckungskapital. Dieses ist als Vorschuss zweckgebunden und verrechenbar. Es kann bei Übermaß zurückgefordert werden; verwendet der Berechtigte also den Vorschuss nicht oder nur teilweise zur Durchführung der Sanierung, könnte der Verpflichtete seine Leistung, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen übersteigt, nach § 1435 ABGB kondizieren (6 Ob 117/15x mwN; 9 Ob 88/16f = RIS‑Justiz RS0021411 [T3]). Der Kläger könnte das begehrte Kapital zur Mängelbehebung nicht mehr verwenden, hat doch die Beklagte die vereinbarte Leistung (letztlich) ordnungsgemäß erbracht und damit die Mängelbehebung vorgenommen. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bestand damit kein Anspruch mehr auf das Deckungskapital.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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