European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00051.17V.0829.000
Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird teilweise, jener der beklagten Partei hingegen nicht Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das in seinen Punkten 1., 2. und 3. des Spruchs bestätigt wird, wird in Punkt 4. des Spruchs dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:
„4. Das Begehren, die beklagte Partei zu ermächtigen, den klagsabweisenden Teil des Urteilsspruchs und die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal in einer Samstags‑Ausgabe des redaktionellen Teiles der 'Vorarlberger Nachrichten' auf Kosten der klagenden Partei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel, zu veröffentlichen, wird abgewiesen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen
a) die mit 1.889,04 EUR (davon 312,14 EUR USt und 16,20 EUR restliche Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz,
b) die mit 1.154,53 EUR (davon 192,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und
c) die mit 915,30 EUR (davon 107,15 EUR USt und 272,40 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die beklagte österreichische Bank bietet ihre Leistungen schwerpunktmäßig in Vorarlberg an. Sie schließt im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Kredit‑ und Darlehensverträge auch in anderen Währungen als Euro mit Verbrauchern ab. Ein großer Teil dieser Kreditverhältnisse wird in Schweizer Franken (CHF) geführt. Die Beklagte verwendet zum Abschluss dieser Verträge vorgegebene Standardtexte. Zahlreichen dieser Verträge sind Zinsgleit‑ oder Zinsanpassungsklauseln zugrunde gelegt. Diese bestehen aus einem vertraglich vereinbarten (veränderlichen) Indikator (häufig LIBOR) und einem fixen, also als unveränderlich vereinbarten Aufschlag („Marge“). Ober‑ und Untergrenzen des Zinssatzes sehen die Klauseln nicht vor.
Das CHF‑Kreditportfolio der Beklagten wies unterschiedliche Kreditvarianten auf. So wurden Kredite mit 1, 3, 6 und 12‑Monats‑LIBOR angeboten und mit ca 40 verschiedenen Aufschlaghöhen; es gab tilgende und endfällige Kredite, unterschiedlichste Laufzeiten und Anpassungsmethoden. Es gab daher eine Vielzahl von Faktoren, die in den einzelnen Kreditverträgen unterschiedlich sein konnten, die Gegenstand von Vereinbarungen und Verhandlungen mit dem Kunden waren.
Vereinzelt vergab die Beklagte auch Fremdwährungskredite mit einem Fixzins. Da Fixzinsen in der Regel höher sind als variable Zinsen, wünschten die Kunden üblicherweise die niedrigeren, variablen Zinsgleitklauseln. In jenen Fällen, in denen ein variabler Zinssatz vereinbart wurde, war jedoch immer fix, dass dieser einerseits aus einem variablen Referenzzinssatz und andererseits aus einem vereinbarten Fixum (Marge, Aufschlag) besteht. Die Systematik, dass sich die Zinsanpassungs‑ oder Zinsgleitklausel aus einem variablen Indikator und einem fixen Aufschlag auf diesen Indikator zusammensetzt, war daher immer dieselbe und nicht Gegenstand von Verhandlungen. Hätte ein Verbraucher von der Beklagten gefordert, er wolle eine Zinsklausel ohne Marge (Aufschlag), so wäre die Beklagte diesem Ansinnen nicht nachgekommen.
Zwischen dem Kundenbetreuer/Geschäftsleiter der Beklagten und dem Kunden wurden die Details des Kredits ausverhandelt. Zentrales Thema bei Kreditvertragsgesprächen war unter anderem auch die Zinsgleit‑ oder Zinsanpassungsklausel, nämlich welcher Referenzzinssatz zugrunde gelegt wird, und die Höhe des Aufschlags. Die Bandbreite der Marge belief sich von 0,75 bis 2,5 %. In der Regel wurde dem Kunden ein Angebot mit konkretem Referenzzinssatz und Aufschlag gemacht, das in nachfolgenden Gesprächen mit dem Kunden oftmals auch abgeändert wurde. Üblicherweise war die Marge umso niedriger, je kreditwürdiger der Kunde eingeschätzt wurde. Zum Teil hatten Kunden auch konkrete Vorstellungen, welchen Refinanzierungszinssatz und welche Marge sie ihrem Kreditvertrag zugrunde gelegt haben wollten, und übten auch gewissen Druck durch die Einholung von Vergleichsangeboten aus. Je nach Kreditwürdigkeit des Vertragspartners war die Beklagte diesbezüglich gesprächsbereit und flexibel. Eine Ober‑ und Untergrenze der Zinsklausel wurde niemals angeboten und vereinbart.
Bei Abschluss der Fremdwährungs‑Kreditverträge mit einer Zinsanpassungs‑ bzw Zinsgleitklausel haben weder die Beklagte noch der durchschnittliche Kreditnehmer damit gerechnet und daran gedacht, dass Referenzzinssätze auch ins Negative rutschen könnten.
Im Februar 2015 richtete die Beklagte an alle ihre Fremdwährungskreditnehmer ein Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter Kunde, in den letzten Wochen haben die Turbulenzen an den Geld‑ und Kapitalmärkten über Hand genommen. Wesentlich dazu beigetragen hat bekanntlich die SNB, die gegen allen Ankündigungen den Kurs des Schweizer Franken freigegeben hat. Der CHF‑LIBOR weist inzwischen sogar einen negativen Wert auf. Gerade in diesem unberechenbaren Umfeld wollen wir ein verlässlicher Partner für Sie bleiben. Dazu gehört aber auch, dass wir Eckpunkte, die zu Missverständnissen führen können, klären. Da die zuvor beschriebenen Entwicklungen auf den Geldmärkten (unter anderem mit negativen Indikatoren) nicht vorhersehbar waren, wurde dies bei Abschluss des Kreditvertrags nicht geregelt, sodass aufgrund dieser Umstände eine Vertragslücke entstanden ist. Um diesbezüglich Klarheit zu schaffen, werden wir Ihnen daher, solange der Wert des Indikators zum Zinsanpassungstermin unter 0 % liegt, nur den Zinsaufschlag in Höhe von 1,375 % als Mindestzinssatz verrechnen. Dieser Mindestzinssatz ist als Geschäftsgrundlage für die Bedeckung unserer Risiko‑, Sach‑und Personalkosten notwendig. Wenn wir von Ihnen bis 15. 4. 2015 keinen anderslautenden Vorschlag erhalten oder sie keine Einwendungen erheben, gehen wir davon aus, dass Sie unser Angebot zur Vertragsergänzung, wie oben dargestellt, akzeptieren und somit annehmen. (...)“
Der gemäß § 29 Abs 1 KSchG klageberechtigte Verein begehrt, die Beklagte dazu zu verpflichten, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, im Zusammenhang mit Fremwährungskreditverhältnissen mit Verbrauchern für den Fall,
a) dass bei Vertragsverhältnissen, bei denen eine Zinsanpassungsklausel oder Zinsgleitklausel vereinbart wurden und das Ergebnis aus vereinbartem Indikator zuzüglich vereinbartem Zuschlag auf den Indikator unter dem vereinbarten Aufschlag liegen sollte, einen Mindestsollzinssatz in Höhe des vereinbarten Zuschlags oder mehr, insbesondere einen Sollzinssatz von 1,375 % pa zu verrechnen und damit einen negativen Wert des Indikators nicht oder nicht vollständig an die Vertragspartner weiterzugeben, und
b) bei Vertragsverhältnissen, bei denen eine Zinsanpassungsklausel oder Zinsgleitklausel unter Bindung an einen Zinsindikator vereinbart wurde, Zinssatzänderungen, die nicht linear eine Veränderung der in diesen Vertragsverhältnissen vereinbarten Indikatoren abbilden, in einer Weise vorzunehmen oder vorzunehmen zu versuchen, dass den Verbrauchern die Zinssatzänderungen vorgeschlagen werden und die Zustimmung des Verbrauchers als erteilt gelten soll, wenn er nicht in bestimmter Frist widerspricht.
Ferner stellte der Kläger Eventualbegehren und begehrte die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Es sei von einer unlauteren Geschäftspraktik iSd § 28a KSchG auszugehen. Dem Gebot der Anpassungssymmetrie bei Zinsgleitklauseln könne nur dadurch Rechnung getragen werden, dass Veränderungen der Indikatoren vollständig an den Vertragspartner weitergegeben würden. Die Bank sei berechtigt, steigende Refinanzierungskosten uneingeschränkt auf den Darlehensnehmer zu überwälzen. Im Gegenzug müsse sie daher auch verpflichtet sein, dem Verbraucher eine günstige Entwicklung der Refinanzierungssituation auf einem Geldmarkt uneingeschränkt zugute kommen zu lassen. Mit dem inkriminierten Schreiben verstoße die Beklagte gegen ein gesetzliches Verbot, nämlich gegen das Verbot, die Verrechnung der Zinsen im Verbraucherkreditverhältnis in einer mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und den vereinbarten Zinsanpassungsklauseln konformen Weise vorzunehmen. Sie habe das rechtswidrige Verhalten konkret angekündigt, sodass eine vorbeugende Unterlassungsklage zulässig sei. Darüber hinaus bestehe ein berechtigtes Interesse der betroffenen Verbraucherkreise an der Aufklärung über das gesetzwidrige Verhalten der Beklagten.
Die Beklagte wendet zusammengefasst ein, dass kein Tatbestand vorliege, der zu einer Verbandsklage berechtige. Es liege aber auch kein rechtswidriges Verhalten oder eine unrichtige Vertragsauslegung vor. Bereits eine einfache Vertragsauslegung ergebe, dass hier jedenfalls nach der getroffenen Vereinbarung die Marge unabhängig vom negativen Verlauf des Referenzzinssatzes zustehen sollte. Aber auch eine ergänzende Vertragsauslegung führe zu diesem Ergebnis. Die negative Entwicklung des LIBOR offenbare eine Vertragslücke. Der hypothetische Parteiwille im Zusammenhang mit Zinsgleitklauseln könne in einem solchen Fall nur dahin gehen, dass der Indikator nicht unter 0 sinken könne und der Kunde zumindest die vereinbarte fixe Marge zu zahlen habe. Die Beklagte begehrte ihrerseits die Veröffentlichung des klagsabweisenden Urteilsspruchs.
Das Erstgericht gab dem Hauptklagebegehren statt und ermächtigte den Kläger zur Urteilsveröffentlichung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es im Punkt 1. des Spruchs dem Hauptbegehren zu a) mit dem Zusatz stattgab, dass die Weitergabe des negativen Indikators „nur soweit“ stattfinde, „bis der Zinssatz (errechnet aus dem veränderlichen Zinsindikator zuzüglich dem vereinbarten Aufschlag) 0,0 % erreicht hat“. Das Mehrbegehren wies es ab. Dem Punkt b) des Hauptbegehrens sei eine klarere Fassung zu geben gewesen, weil in Wahrheit von der Beklagten ihren Verbraucherkunden gegenüber nicht Zinssatzänderungen vorgeschlagen worden seien, sondern eine Vertragsänderung dergestalt, wie sie die Beklagte im inkriminierten Schreiben ausdrücklich formuliert habe. Der Kläger sei nach § 28a KSchG aktiv klagslegitimiert. Er berufe sich auf einen Verstoß gegen ein gesetzliches Gebot, sodass seine Berechtigung, gegen das angekündigte Verhalten eine vorbeugende Unterlassungsklage einzubringen, gegeben sei. Die einfache Vertragsauslegung führe dazu, dass bei einem negativen Referenzzinssatz, der als Indikator gewählt worden sei, der vereinbarte Aufschlag ganz oder teilweise aufgezehrt werden könne. Diese einfache Vertragsauslegung finde aber ihre Grenze im Leitbild des Kreditvertrags, sodass Negativzinsen, die das Kreditinstitut an den Kunden zahlen müsste, dem Wesen des Kreditvertrags widerspreche.
Das Berufungsgericht ermächtigte die beklagte Partei, den klagsabweisenden Teil des Urteilsspruchs und die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung zu veröffentlichen.
Die ordentliche Revision sei wegen Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zulässig.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Seiten:
Der Kläger beantragt, die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass die Einschränkung „allerdings nur soweit, bis der Zinssatz […] 0,00 % erreicht hat“ (und damit die Abweisung des Mehrbegehrens) entfalle und der Antrag der Beklagten auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung abgewiesen werde.
Die Beklagte begehrt die Abänderung der Entscheidung dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.
Beide Parteien beantragen, die gegnerische Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind zulässig. Es ist jedoch nur die Revision des Klägers teilweise berechtigt.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Frage, ob Mitteilungen einer Bank an ihre Verbraucher‑Kreditnehmer über die Auslegung einer Vertragsklausel ein von § 28a KSchG erfasstes Verbot einer Geschäftspraxis sein könne, zutreffend beantwortet.
1.1. Der Oberste Gerichtshof hat zu dieser Frage bereits in der Entscheidung 10 Ob 13/17k ausführlich Stellung genommen. Dessen Ausführungen billigte der 8. Senat (8 Ob 101/16k; 8 Ob 107/16t). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
1.2. § 28a Abs 1 KSchG dient der Umsetzung der Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen und erweitert den Anwendungsbereich der Verbandsklagen auf gesetzwidrige Geschäftspraktiken von Unternehmern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern (beschränkt auf die in § 28a Abs 1 KSchG angegebenen vertraglichen und außervertraglichen Rechtsverhältnisse). Der Unterlassungsanspruch gemäß § 28a KSchG setzt voraus, dass das beanstandete Verhalten die „allgemeinen Interessen der Verbraucher“ beeinträchtigt. Es muss daher für eine Vielzahl von Verträgen oder außervertraglichen Rechtsverhältnissen von Bedeutung sein. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zahlreiche Kunden einer (großen) österreichischen Bank betrifft.
1.3. Wenn ein Eingriff in eine fremde Rechtssphäre unmittelbar und konkret droht, ist nach ständiger Rechtsprechung auch eine vorbeugende Unterlassungsklage zulässig (RIS‑Justiz RS0010479; RS0012061; RS0037660 [T1]). Die Möglichkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage wurde für den Verbandsprozess gemäß § 28 KSchG bereits bejaht. Sie besteht auch in einem Verbandsprozess gemäß § 28a KSchG. Dies entspricht dem Wesen eines Verbandsprozesses, in dem eine vorbeugende Inhaltskontrolle vorzunehmen ist, und steht auch im Einklang mit dem von der Richtlinie 2009/22/EG verfolgten Ziel, Verstöße, durch die die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt werden, rechtzeitig abzustellen. Es kommt nicht darauf an, ob sich der beklagte Unternehmer bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits rechtswidrig verhalten hatte. Es genügt das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr, die vom Kläger zu behaupten und zu beweisen ist.
1.4. Im Anlassfall beanstandet der Kläger Mitteilungen der beklagten Bank an zahlreiche Verbraucher‑Kreditnehmer, in denen er einen Verstoß gegen gesetzliche Verbote erblickt (§ 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 1 Z 5 und 6 KSchG). Die Beklagte kündige damit einseitig eine Vorgangsweise an, die ein Abgehen von einer klaren Regelung bedeute, die in einer Vielzahl von mit Kunden geschlossenen Kreditverträgen enthalten sei. Der Kläger behauptet damit einen – hinreichend dargelegten und nach dem Klagsvorbringen auch unmittelbar bevorstehenden – Eingriff in die Rechtssphäre der Kreditnehmer durch die konkret von der Beklagten vorgenommene Vorgangsweise bei der Berechnung der von den Kunden zu zahlenden Zinsen. Die Voraussetzung für eine (inhaltliche) Prüfung dieser Behauptungen im Verbandsprozess sind daher gegeben.
2. Der Kläger wendet sich in seiner Revision gegen die Einschränkung der Unterlassungsverpflichtung dahin, dass sie nur so weit gilt, bis der insgesamt errechnete Zinssatz (zusammengesetzt aus dem veränderlichen Indikator und dem vereinbarten Aufschlag) 0,00 % erreicht. Die Beklagte sei aufgrund der vertraglich vereinbarten Anpassung des Sollzinssatzes verpflichtet, auch bei einem negativen Referenzzinssatz die Anpassung vollständig an den Verbraucher weiterzugeben.
2.1. Die damit relevierte Frage, ob der Kreditgeber je nach Entwicklung des Referenzzinssatzes letztlich auch zur Zinszahlung an den Kreditnehmer verpflichtet sein kann, hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen auch in Verfahren, die vom Kläger geführt wurden, beantwortet (10 Ob 13/17k; 1 Ob 4/17w; 8 Ob 101/16k; 8 Ob 107/16t). Im für eine Verbandsklage nach § 28a KSchG maßgebenden typischen Fall sind die Parteien regelmäßig darüber einig, dass der Kreditnehmer (dem gesetzlichen Verständnis des Kreditvertrags entsprechend) als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Kreditvaluta (laufend) Zinszahlungen zu leisten hat. Gemessen am Maßstab eines redlichen Erklärungsempfängers rechnet ein Kreditnehmer bei Vertragsabschluss nicht damit, zu irgendeinem Zeitpunkt während der Kreditlaufzeit Zahlungen vom Kreditgeber zu erhalten, sodass der Kreditgeber insgesamt möglicherweise weniger zurückerhält, als er zur Verfügung gestellt hat. Ebensowenig ist der Kreditgeber zu irgendeiner Zeit gewillt, irgendwelche Zahlungen an den Kreditnehmer zu leisten. Es besteht daher insofern beim Kreditvertrag allgemein ein übereinstimmender Parteiwille über Vertragsgegenstand und Vertragsinhalt, der eine Zahlungsverpflichtung der kreditgebenden Bank an den Kreditnehmer ausschließt. Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von der in den Vorentscheidungen, auf deren weitere Begründung verwiesen wird, vertretenen Rechtsauffassung abzugehen.
3. Die von der Beklagten in ihrer Revision vertretene Auffassung, die Zinsanpassungsklauseln seien dahin auszulegen, dass der Kreditnehmer trotz negativer Entwicklung des Indikators jedenfalls den vereinbarten Aufschlag zu zahlen habe, hat der Oberste Gerichtshof in gleichgelagerten Fällen unter ausführlicher Berücksichtigung der in der Literatur vertretenen Meinungen bereits abgelehnt (4 Ob 60/17b; 8 Ob 101/16k; 8 Ob 107/16t). Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, von diesen Entscheidungen abzuweichen. Eine Auslegung der Vertragsklauseln dahin, dass der Indikator einseitig mit Null angesetzt wird, steht im Widerspruch zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, sodass ein solches Ergebnis nicht in Betracht kommt. Wenngleich die Vorinstanzen den Wortlaut der von der Beklagten verwendeten Zinsanpassungsklauseln nicht festgestellt haben, so steht doch deren Inhalt fest, insbesondere, dass sie keine Unter‑ oder Obergrenze enthalten. Auf die ausführlichen Begründungen der genannten, bereits veröffentlichten Entscheidungen wird verwiesen.
4. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Ersetzung des Ausdrucks „Zinssatzänderungen“ durch den Ausdruck „Vertragsänderungen“ im Klagebegehren b) nicht gegen § 405 ZPO verstoßen. Im Bezugszusammenhang führt die Ersetzung nicht zu einem Mehr gegenüber dem vom Kläger begehrten, sondern nur zur richtigen Benennung des vom Kläger inhaltlich inkriminierten Verhaltens der Beklagten.
5. Zu Recht rügt der Kläger die Ermächtigung der Beklagten zur Veröffentlichung des klagsabweisenden Teils der Entscheidung. Das Berufungsgericht hat diesen Zuspruch lediglich mit dem Zitat „10 Ob 70/07p“ begründet.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (10 Ob 70/07b; 6 Ob 24/11i) ist zwar eine Veröffentlichung des klagsabweisenden Teils („Gegenveröffentlichung“), wie sie hier von der Beklagten angestrebt wird, auch im Verbandsprozess zulässig, um in der Öffentlichkeit den falschen Eindruck zu zerstreuen, der klageberechtigte Verband habe im Rechtsstreit (vollständig) obsiegt. Ein solches berechtigtes Interesse des obsiegenden Beklagten an der Urteilsveröffentlichung kann sich insbesondere dann ergeben, wenn ein Wettbewerbsstreit eine gewisse Publizität erlangte. In der Entscheidung 1 Ob 244/11f wurde allerdings klargestellt, dass es bei einem Obsiegen des Beklagten lediglich hinsichtlich einer von 17 Klauseln weder die Billigkeit noch der Umstand, dass die Verbandsklage eine gewisse Publizität erlangte, und auch nicht die Abänderung eines „falschen Eindrucks“ durch die Veröffentlichung lediglich des klagsstattgebenden Teils des Urteilsspruchs gebieten, dem Beklagten die gleiche Möglichkeit einer Information der Öffentlichkeit zu geben wie dem Kläger. In der Entscheidung 9 Ob 26/15m wiederum wurde eine Gegenveröffentlichung abgelehnt, weil die Beklagte nur geringfügig obsiegt und keine besonderen Umstände vorgebracht hatte, die ein berechtigtes Interesse an der Gegenveröffentlichung nahelegen würden: Auch wenn der Schutz des wirtschaftlichen Rufs der obsiegenden Beklagten im Einzelfall eine Veröffentlichung rechtfertigen könne, wenn das Infragestellen ihrer Klauseln einem breiten Publikum bekannt geworden oder die Entscheidung in einem öffentlich ausgetragenen Meinungsstreit von allgemeinem Interesse ist, müsse im Fall eines nur geringfügigen Obsiegens der Beklagten aber nicht generell die gleiche Möglichkeit einer Information der Beklagten geboten werden wie der Klägerin. Aus dieser Rechtsprechung leitete der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 17/16t ab, dass die Gegenveröffentlichung an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als die Urteilsveröffentlichung zugunsten des obsiegenden Klägers. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte hier jedoch nicht ausreichend dargetan. Sie brachte zur Begründung ihres Veröffentlichungsbegehrens vor, der Kläger habe mehrere ORF‑Beiträge und Zeitungsartikel zum Thema Negativzinsen lanciert, in welchen er der Beklagten vorverurteilend ein gesetzwidriges bzw sittenwidriges Handeln unterstellt und sie somit in ihrem guten Ruf geschädigt habe. Daher habe sie ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Allgemeinheit erfahre, dass ihre Praktiken nicht gesetz‑ bzw sittenwidrig seien. Die den Anlass und den Grund der Klage bildenden Schreiben der Beklagten an ihre Kreditnehmer im Februar 2015 sind indes gesetzwidrig.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 43 iVm § 50 Abs 1 ZPO.
a) Mit dem Berufungsgericht ist für das Verfahren erster und zweiter Instanz davon auszugehen, dass in Bezug auf die Unterlassungsbegehren der klagsstattgebende als dem klageabweisenden Teil unter Bedachtnahme darauf, das das Unterlassungsbegehren zu b) keinen besonderen Verfahrensaufwand ausgelöst hat, als gleichwertig anzusehen ist. Der Kläger obsiegte mit seinem Veröffentlichungsbegehren und wehrte jenes der Beklagten erfolgreich ab. Der Erfolg des Klägers in erster und zweiter Instanz ist insgesamt mit 3/5 einzuschätzen. Die Beklagte hat dem Kläger 1/5 der Rechtsanwaltskosten in diesen Instanzen und 3/5 der Pauschalgebühr des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen. Sie hat Anspruch gegen den Kläger auf Ersatz von 2/5 der Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren (im Hinblick auf die die Anmerkung 4. zu TP 2 GGG ersetzende Bestimmung des § 3 Abs 5 GGG – vgl RV 901 BlgNR XXV. GP , 5 – fiel für die Berufung der Beklagten im zweiten Rechtsgang keine Pauschalgebühr an). Die Saldierung der Ersatzansprüche hinsichtlich der Pauschalgebühren ergibt den Betrag von 16,20 EUR zugunsten des Klägers.
b) Im Revisionsverfahren hat die Beklagte dem Kläger, der – ausgehend von einer Gleichwertigkeit der nicht gesondert bewerteten Unterlassungsbegehren – im Hinblick auf die Abwehr des Veröffentlichungsbegehrens der Beklagten mit seiner Revision nur zu rund 20 % erfolgreich war, 20 % der von diesem zu entrichtenden Pauschalgebühr und die Kosten der Revisionsbeantwortung – auf Basis des Streitwerts von 18.000 EUR (Revisionsinteresse) – zur Gänze zu ersetzen, abzüglich 60 % der Kosten der Revisionsbeantwortung der Beklagten.
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