OGH 5Ob53/17f

OGH5Ob53/17f29.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerinnen 1. L* GmbH & Co KG, *, 2. C* GmbH, *, beide vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Mag. Stefan Herrmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG ob der Liegenschaft EZ * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2017, AZ 46 R 479/16f, mit dem über Rekurs des Einschreiters H* Z*, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 2. November 2016, TZ 5087/2016, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E119565

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die das Grundbuchgesuch zur Gänze bewilligende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Vollzug sowie die Verständigung der Beteiligten obliegt dem Erstgericht.

 

Begründung:

Die Erstantragstellerin ist Miteigentümerin der Liegenschaft EZ * KG *. Aufgrund eines Optionsvertrags vom 24. 10. 2016 und der Zustimmungserklärung der weiteren Miteigentümer vom 25. 10. 2016 beantragten sie und die Zweitantragstellerin am 26. 10. 2016 die Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG für die Zweitantragstellerin.

Mit Beschluss vom 2. 11. 2016 bewilligte das Erstgericht die Eintragung antragsgemäß.

Gegen diese Entscheidung richtete sich der Rekurs des Einschreiters. Der Einschreiter ist (einer der weiteren) Miteigentümer der Liegenschaft. In seinem Rekurs machte er geltend, dass er der mit dem angefochtenen Beschluss bewilligten Anmerkung nicht wirksam zugestimmt habe. Der (auch) in seinem Namen ausgestellten Zustimmungserklärung vom 25. 10. 2016 liege eine Spezialvollmacht zugrunde, die zum Zeitpunkt der Unterfertigung der Zustimmungserklärung durch den Bevollmächtigten infolge Widerrufs unwirksam gewesen sei. Mit Schreiben vom 23. 8. 2016 habe der Einschreiter das Erstgericht davon unter Anschluss des schriftlichen Widerrufs in Kenntnis gesetzt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und wies das Grundbuchsgesuch ab. Der Rekurswerber sei Miteigentümer und die Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum bedürfe seiner Zustimmung. Es sei daher zu prüfen, ob diese Zustimmung vorliege. Das die Eintragungsvoraussetzungen des § 94 GBG überprüfende Gericht könne Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG aus allen ihm bekannt gewordenen Tatsachen ableiten. Die Antragsteller würden sich auf die ihrem (damaligen) Vertreter erteilte Spezialvollmacht vom 15. 10. 2015 berufen. Dem Vorbringen im Rekurs samt den angeschlossenen Urkunden sei zu entnehmen, dass der Rekurswerber diese Vollmacht gegenüber dem Vollmachtnehmer widerrufen habe. Damit würden gegründete Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG aufgezeigt, eine endgültige Prüfung der Wirksamkeit des Widerrufs finde nicht im Grundbuchsverfahren, sondern in einem streitigen Verfahren statt. Die auf den erfolgten Widerruf der Spezialvollmacht gegründeten Bedenken an der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten hätten angesichts des Umstands, dass der Rekurswerber diesen Widerruf dem Erstgericht bereits vor Einbringung des Grundbuchsgesuchs bekannt gegeben habe, bereits beim Erstgericht vorliegen müssen. Der Antrag sei daher abzuweisen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichts abzuändern und den Antrag zu bewilligen. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn kein gegründetes Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft, oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden ist. Unter § 94 Abs 1 Z 2 GBG sind auch gegründete Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht dessen zu subsumieren, der Verfügungshandlungen, wie etwa die Zustimmungserklärung eines Miteigentümers zur Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG, vornimmt (5 Ob 214/09w [Zustimmungserklärung eines Verbotsberechtigten]; vgl auch RIS-Justiz RS0060604).

2. Das Rekursgericht leitete solche Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG gegen das Bestehen der Vertretungsmacht des Bevollmächtigten, der die Zustimmungserklärung vom 25. 10. 2016 (auch) namens des Einschreiters vornahm, aus dem Vorbringen im Rekurs des Einschreiters und den diesem angeschlossenen Urkunden ab. Der Einschreiter legte mit seinem Rekurs ein an den Bevollmächtigten gerichtetes Schreiben vom 19. 8. 2016 vor, worin er die entsprechende Spezialvollmacht vom 15. 10. 2015 mit sofortiger Wirkung widerruft und ihn auffordert, jegliche Verwendung der Vollmacht ab sofort zu unterlassen. Der Einschreiter legte auch ein Schreiben an das Erstgericht („Bezirksgericht Favoriten Grundbuch“) vom 23. 8. 2016 vor, worin er diesem – unter Bezugnahme auf die Liegenschaft, auf Tagebuchzahlen, in deren Zusammenhang die Spezialvollmacht in der Vergangenheit bereits Verwendung gefunden habe, und unter Anschluss der Widerrufserklärung vom 23. 8. 2016 – die Tatsache des Widerrufs mitteilt. Der Einschreiter forderte das Erstgericht in diesem Schreiben ausdrücklich auf, hinkünftig keine Zustimmungserklärung mehr zu akzeptieren, die auf der widerrufenen Spezialvollmacht beruhe, wobei er diese Urkunde durch einen Verweis auf das Urkundenarchiv und den Urkundenidentifizierungsbegriff spezifizierte.

3. Im Rechtsmittelverfahren in Grundbuchsachen besteht ein strenges Neuerungsverbot. Im Rekurs dürfen weder neue Angaben gemacht, noch dürfen ihm neue Urkunden beigelegt werden (§ 122 Abs 2 GBG). Die vom Rekursgericht – unter Berufung auf Kodek (in Kodek, Grundbuchsrecht², § 94 GBG Rz 39) – zitierte Rechtsprechung, wonach das die Eintragungsvoraussetzungen nach § 94 GBG überprüfende Gericht, also auch das Rekursgericht, Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG aus allen ihm (wie immer, auch amtlich) bekannt gewordenen Tatsachen ableiten könne, folglich auch angeregt durch an sich unzulässige Neuerungen im Rekurs (RIS-Justiz RS0106932), hat der Senat in Bezug auf einen behaupteten Vollmachtsmangel in ständiger Rechtsprechung dahin relativiert, dass sich ein solcher auch schon aus dem Grundbuchsgesuch oder den damit vorgelegten Urkunden ergeben muss (RIS-Justiz RS0106932 [T1]). Die Geltendmachung eines Vollmachtsmangels scheitert daher nur dann nicht am Neuerungsverbot des § 122 Abs 2 GBG, wenn dieser sich bereits aus mit der Einbringung des Grundbuchsgesuchs vorgelegten Urkunden ergibt (vgl RIS‑Justiz RS0060604 [T7], RS0106932 [T1]; Kodek aaO § 122 GBG Rz 70) und dieser daher ohnehin von Anfang an aktenkundig ist (5 Ob 242/05g).

4. Der vom Einschreiter in seinem Rekurs behauptete Vollmachtsmangel ergibt sich nicht schon aus dem Gesuch oder den mit diesem vorgelegten Urkunden. Offenbar vor diesem Hintergrund verweist das Rekursgericht darauf, dass die auf den erfolgten Widerruf der Spezialvollmacht gegründeten Bedenken an der Vertretungsmacht des Bevollmächtigten ungeachtet dessen bereits beim Erstgericht vorliegen hätten müssen, weil der Einschreiter diesem den Widerruf der Spezialvollmacht bereits vor Einbringung des Grundbuchsgesuchs bekannt gegeben habe. Dabei lässt das Rekursgericht aber außer Acht, dass der Grundbuchsrichter bei seiner Entscheidung grundsätzlich nur die vorgelegten Urkunden, das Grundbuch und die sonstigen Grundbuchsbehelfe, nicht aber andere Amtsakten oder sein Amtswissen heranzuziehen hat (RIS-Justiz RS0040040 [T1]). Das Grundbuchsgericht kann bei seiner Entscheidung zwar darüber hinaus, insbesondere wenn sie zu Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 Z 2 GBG Anlass geben, auch gerichtsbekannte Tatsachen berücksichtigen (RIS-Justiz RS0040040 [T8, T10]; vgl auch RS0060632). Gerichtskundigkeit erfordert aber, dass der Richter die Tatsache kennt, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht nehmen zu müssen. Es reicht nicht aus, wenn Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichts zu ersehen sind (RIS-Justiz RS0040040 [T3, T13]). Wie sich seiner Entscheidung (implizit) und dem Akteninhalt entnehmen lässt, kannte der hier zur Entscheidung berufene Diplomrechtspfleger des Erstgerichts die mit Schreiben vom 23. 8. 2016 erfolgte Bekanntgabe und Aufforderung des Einschreiters und den darin dargestellten Sachverhalt nicht und hätte diese – entgegen der Auffassung des Rekursgerichts  – auch nicht kennen müssen.

5. Die Geltendmachung des Einwands der mangelnden Vertretungsmacht scheitert hier daher am Neuerungsverbot des § 122 Abs 2 GBG. Dem Rekursgericht war eine Auseinandersetzung mit diesem und den erstmals mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden verwehrt. Das von ihm daraus abgeleitete Bewilligungshindernis steht der Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG somit nicht entgegen. In Abänderung seiner Entscheidung war der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

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